Überleben in der Krise:Fünf Jahre Urlaub

Krisenbewältigung mal anders: Eine spanische Bank bietet ihren Mitarbeitern eine längere Auszeit an. Auch deutsche Firmen setzen verstärkt auf flexible Arbeitszeiten.

Sibylle Haas

Sonne, Strand und gutes Essen. Wer möchte nicht im Sommer am Meer liegen und dafür auch noch bezahlt werden? Für einige Spanier könnte das bald Wirklichkeit werden. Die spanische Großbank BBVA bietet ihren knapp 30.000 Beschäftigten so etwas Ähnliches an. Das Institut wirbt bei seinen Mitarbeitern für eine Auszeit von fünf Jahren bei einem Drittel des alten Gehalts. BBVA muss - wie andere Firmen auch - in der Wirtschaftskrise Kosten senken. Und dazu nutzt das Unternehmen traditionelle Methoden wie Teilzeitarbeit. Es versucht aber auch den ungewöhnlichen Schritt eines langen "Urlaubs".

Überleben in der Krise: Fünf Jahre Urlaub: Wer eine lange Auszeit nimmt, ist für die Firma billiger.

Fünf Jahre Urlaub: Wer eine lange Auszeit nimmt, ist für die Firma billiger.

(Foto: Foto: dpa)

Entlassungen können teuer werden

Die Offerte wirft ein Schlaglicht auf das strenge spanische Arbeitsrecht. Es kostet viel Geld, wenn sich Firmen in Spanien von Mitarbeitern trennen. Die spanischen Arbeitsgesetze regeln die Höhe der Abfindung genau: Wird betriebsbedingt gekündigt, dann bekommen Arbeitnehmer den Bruttolohn von 20 Tagen je Beschäftigungsjahr. Ist die Kündigung laut Arbeitsgericht unwirksam, haben sie Anspruch auf 45 Tagesgehälter.

Entlassungen können also teuer werden. Das werden sich auch die Manager von BBVA gedacht haben. Einige Mitarbeiter kommen nach der langen Auszeit sicher nicht wieder. Womöglich haben sie einen anderen Job gefunden oder sie gehen in den Ruhestand. Andere haben sich vielleicht weitergebildet und sind für die Bank dann wertvoller als zuvor. Wie auch immer sich die "Langzeit-Urlauber" verhalten werden - das Image der Bank bleibt sauber. An Firmen dagegen, die betriebsbedingt kündigen, bleibt stets ein fader Eindruck hängen.

Doch so verlockend das Urlaubsprojekt klingen mag, Experten halten das Modell auf deutsche Verhältnisse für kaum übertragbar. "In Deutschland müssen Arbeitnehmer ein richtiges Beschäftigungsverhältnis haben, um in der Sozialversicherung bleiben zu können. Eine Ausnahme gilt nur für Langzeitarbeitskonten", sagt Roland Wolf, Geschäftsführer für Arbeitsrecht bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) in Berlin.

Den beruflichen Anschluss verpassen

Auch Christiane Flüter-Hoffmann, die sich beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln mit betrieblicher Personalpolitik beschäftigt, äußert sich kritisch. Die meisten Auszeiten oder "Sabbaticals" dauerten hierzulande höchstens ein Jahr. Auszeiten von fünf Jahren seien zu lang. "Da kann man schnell den beruflichen Anschluss verpasst haben", warnt sie. Mit kürzeren Sabbaticals oder flexiblen Arbeitszeiten könnten aber in einer Wirtschaftskrise konjunkturelle Schwankungen überbrückt werden.

Flexible Arbeitszeiten und Kurzarbeit haben nach Angaben von Arbeitsmarktforschern die erste Wucht der Wirtschaftskrise am deutschen Arbeitsmarkt abgefangen. Der Stand auf den Arbeitszeitkonten sei dabei im Durchschnitt um fast sechs Stunden geschmolzen, teilte das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg mit. Die Zahl der Kurzarbeiter sei in den ersten Monaten des Jahres sprunghaft gestiegen und habe im Monatsdurchschnitt des ersten Quartals 2009 bei etwa 950.000 gelegen. Bei den Kurzarbeitern sei gut ein Drittel der normalen Arbeitszeit ausgefallen. Auf alle Arbeitnehmer umgerechnet sind das laut IAB im ersten Quartal 3,5 Arbeitsstunden.

Auf der nächsten Seite: Gleitzeit-, Jahreszeit- und Lebenszeitkonten funktionieren und was das Kurzarbeitergeld bringt.

Arbeitszeitkonten als Puffer

Leistung im Voraus

Airbus, Daimler, Volkswagen, BMW, Siemens und viele andere Großunternehmen haben flexible Arbeitszeitmodelle. Auch kleinere Firmen nutzen sie als Puffer, um Auftragsschwankungen aufzufangen. "Es gibt eine Vielzahl an Möglichkeiten", sagt IW-Expertin Flüter-Hoffmann. Vor allem Arbeitszeitkonten würden beliebter.

Etwa ein Drittel aller Unternehmen in Deutschland führen diese für ihre Beschäftigten, ergab eine Untersuchung des IW. Dabei erbringen die Mitarbeiter ihre Leistung im Voraus, um später bei gleichem Gehalt weniger zu arbeiten. Kurzzeitkonten sind am häufigsten. Dies sind Gleitzeit- oder Jahreszeitkonten. Auf denen werden Zeitguthaben gesammelt (etwa durch Überstunden), die innerhalb eines Jahres auch wieder abgebaut werden müssen. Weniger stark verbreitet sind Lebensarbeitszeitkonten. Sie umfassen mehrere tausend Arbeitsstunden, die über Jahre hinweg aufgespart werden. Die Guthaben müssen gegen Insolvenz abgesichert sein.

"Arbeitszeitkonten waren ein wichtiger Puffer für die Unternehmen, um in der momentanen Krise Auftragsrückgänge abzufangen", sagt BDA-Geschäftsführer Wolf. Einige Firmen böten ihren Beschäftigten zudem vorübergehend Teilzeitjobs an. Doch das alleine reiche in dieser Krise nicht aus. In vielen Fällen seien die Arbeitszeitkonten geleert und das Gros der Unternehmen sei in Kurzarbeit. Dabei verringern die Betriebe aus wirtschaftlichen Gründen die Arbeitszeit und gleichermaßen den Lohn. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) zahlt dann einen Teil des gekürzten Gehalts als Kurzarbeitergeld.

Krise zur Babypause nutzen

Die Bundesregierung hat die Kurzarbeit erleichtert und die Bezugsdauer von Kurzarbeitergeld auf zwei Jahre erhöht. Damit sollen in der Krise Entlassungen verhindert werden. Immerhin gäbe es nach BA-Angaben ohne die Kurzarbeit derzeit 362.000 Arbeitslose mehr.

Ungewöhnliche Vorschläge zur Krisenbewältigung kommen auch aus Deutschland. Um den Abschwung zu überbrücken, sollten junge Leute Kinder kriegen und die Wirtschaftskrise für eine Babypause nutzen, meint Ulrich Blum, der Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle. So klappt vielleicht ja beides: Babypause - bei Sonne, Strand und gutem Essen.

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