Süddeutsche Zeitung

Frage an den Jobcoach:Überlastung im Job: Was kann ich tun?

Lesezeit: 2 min

Der Job als Abteilungsleiterin macht SZ-Leserin Martina U. allmählich kaputt. Ihr und anderen Betroffenen erklärt der Jobcoach, wie man Verantwortung abgeben kann.

SZ-Leserin Martina U. fragt:

Ich bin Abteilungsleiterin in der Kundenbetreuung eines Versicherungskonzerns. Unser Unternehmen hat in den letzten Jahren viele hochdifferenzierte Mischprodukte entwickelt, deren Bearbeitung eine stetig wachsende Fachkompetenz erfordert, die meine Mitarbeiterinnen in hausinternen Schulungen erwerben. Die Mitarbeiterinnen spezialisieren sich auf einzelne Produkte und bauen Fachwissen in der Tiefe auf. Da ich die Gesamtverantwortung trage, muss ich alle Produkte kennen und Detailprobleme durchschauen, damit ich erkennen kann, ob meine Mitarbeiterinnen fehlerfrei und regelkonform arbeiten. Ich habe die Grenzen meiner Belastung und Aufnahmekapazität erreicht. Wie kann ich mich entlasten?

Georg Kaiser antwortet:

Liebe Frau U., als Abteilungsleiterin werden Sie daran gemessen, Ihre Mitarbeiterinnen so zu entwickeln und einzusetzen, dass sich die Kunden fachlich und menschlich gut aufgehoben fühlen. Ihre Aufgabe liegt in der Koordination von Aufgabenfeldern und der Steuerung der damit beauftragten Mitarbeiterinnen und nicht in detailgenauen Analysen einzelner Dienstleistungen. Spezialprodukte sollten von Spezialisten bearbeitet und auch kontrolliert werden, die jedes Detail kennen. Das können Sie in Ihrer Funktion nicht leisten. Es reicht aus, wenn Sie die grobe Mechanik der einzelnen Produkte verstehen. Entlasten Sie sich durch umfassende Delegation und nutzen Sie die gewonnene Zeit zur Entwicklung Ihrer Mitarbeiterinnen.

Clustern Sie die Mischprodukte in überschaubaren Arbeitspaketen und bilden Sie kleine Teams, denen Sie die Verantwortung für einzelne Cluster übertragen. Bestimmen Sie für jedes Team nach den Kriterien Engagement, Loyalität und Sozialkompetenz eine Koordinatorin, die als Bindeglied zu Ihnen agiert. Eine hohe Fachkompetenz ist wünschenswert, kann aber für einzelne Produkte auch schrittweise aufgebaut werden oder ganz bei den Fachspezialisten bleiben.

Übertragen Sie den Teams die Verantwortung dafür, dass sie die erforderlichen Leistungen erbringen. Von Ihnen verlangt ein solcher Schritt: Vertrauen schenken und abgeben können. In dem Maße, wie Sie loslassen und nicht im Detail kontrollieren, bauen die Teams und die Koordinatorinnen ihr Verantwortungsbewusstsein und ihre Fach- und Rollenkompetenz aus.

Mitarbeiterinnen, denen wenig Verantwortung übertragen wird, warten auf Anweisungen und sehen sich als Rädchen im Getriebe. Sie müssen eng geführt werden. Mitarbeiterinnen, die Verantwortung übernehmen, sehen sich als Mitgestalter, bringen eigene Ideen und Vorschläge ein und bearbeiten umfassende Aufgabenfelder selbständig. Sie tun ihr Bestes, um dem mit der Delegation verbundenen Vertrauensvorschuss gerecht zu werden.

Als Führungskraft stehen Sie vor Problemen, die Sie mit Mitarbeiterinnen der ersten Kategorie nicht lösen können. Ihre Führungsaufgabe besteht darin, sie so zu entwickeln und zu fördern, dass sie Verantwortung übernehmen und von sich aus Ideen entwickeln, wie die Abteilung noch leistungsstärker werden kann.

Natürlich müssen Sie kontrollieren, ob die Teams der Aufgabe gewachsen sind. Allerdings richtet sich diese Kontrolle auf die erbrachten Leistungen und nicht auf die Wege, die zum Erfolg geführt haben. Auch die Kontrolle, dass rechtliche und organisatorische Rahmenbedingungen eingehalten werden, können Sie an verantwortungsbewusste Mitarbeiterinnen delegieren. Eingreifen sollten Sie, wenn eine Koordinatorin überfordert ist oder wenn die Ergebnisse nicht stimmen.

Georg Kaiser arbeitet als Personalreferent in Bremen mit den Arbeitsschwerpunkten Team-, Führungskräfte- und Organisationsentwicklung.

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Quelle:
SZ vom 19.05.2018
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