Süddeutsche Zeitung

Überbrückungsgeld oder Ich AG:Existenzgründung mit Hilfe des Arbeitsamtes

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Welche Art der Förderung sich am besten eignet, hängt vom Investitionsvolumen und dem Anspruch auf Arbeitslosengeld ab.

Von Rolf Winkel

(SZ vom 1.10.2003) Claus Ganz weiß, wovon er spricht. Im April des vergangenen Jahres hat der Architekt sein eigenes Büro gegründet: 5000 Euro hat er allein für den Computer, die Software und Schulungen ausgegeben. Finanzielle Hilfe für seine Existenzgründung bekam er auch vom Arbeitsamt. Sechs Monate lang hat er das so genannte Überbrückungsgeld erhalten, insgesamt gut 18.000 Euro. Würde er sich heute selbstständig machen, könnte er auch eine Ich-AG gründen.

In den vergangenen Monaten haben die Arbeitsämter die Förderung von Existenzgründungen deutlich ausgeweitet. Viel Hoffnung wird dabei auf die neue Ich AG gesetzt. Häufig ist allerdings das Überbrückungsgeld günstiger. Bis Juli dieses Jahres machten sich rund 43.000 Arbeitslose mit einer Ich AG selbstständig. Weit stärker nachgefragt wird das 1986 eingeführte Überbrückungsgeld. Es wurde in diesem Jahr schon von 93.000 Existenzgründern in Anspruch genommen. Im Gesamtjahr 2002 haben sich 125.000 Personen damit beholfen.

Höchstens 14.400 Euro

Die Ich AGs werden bis zu drei Jahre gefördert - mit sinkenden monatlichen Existenzgründungszuschüssen: 600 Euro pro Monat im ersten Jahr, 360 Euro im zweiten Jahr und 240 Euro im dritten Jahr der Selbstständigkeit. Insgesamt können so die Zuschüsse maximal 14.400 Euro betragen. Übersteigen die tatsächlichen oder die geschätzten Jahreseinkünfte, also Einnahmen minus Ausgaben, 25.000 Euro, stellt das Arbeitsamt die Zahlung ein. Rückzahlungen des bereits geflossenen Geldes sind aber nicht nötig.

Das Überbrückungsgeld wird ein halbes Jahr lang monatlich gezahlt. Die Höhe richtet sich nach dem Arbeitslosengeld oder der Arbeitslosenhilfe, die ohne die Selbstständigkeit vom Amt gezahlt werden müsste. Einen extra Zuschlag bekommen Bezieher von Arbeitslosengeld (68,5 Prozent) und Arbeitslosenhilfe (42,3 Prozent). Ein Beispiel: Bei einem monatlichen Anspruch auf 1500 Euro Arbeitslosengeld, beträgt das Überbrückungsgeld mehr als 2500 Euro monatlich, in einem halben Jahr sind das gute 15.000 Euro. Zuschüsse zur Sozialversicherung der Existenzgründer zahlen die Arbeitsämter nicht - teilweise gibt es allerdings Rabatte für die Gründer.

Rentenversicherung: Wer eine Ich AG gründet ist pflichtversichert. Überbrückungsgeldbezieher können sich freiwillig rentenversichern. Für Gründer wird generell nur der halbe Regelbeitrag fällig. Derzeit liegt dieser Betrag bei 232,05 Euro pro Monat für die alten Bundesländer, beziehungsweise bei 194,51 Euro für die neuen Bundesländer.

Beitragsbemessung auf Grundlage des tatsächlichen Einkommens kann der Ich-AG-Gründer geltend machen. Rentabel wird es aber erst, wenn der Bruttoverdienst monatlich weniger als 1190 Euro in Westdeutschland beziehungsweise weniger als 997,50 Euro in Ostdeutschland beträgt. Liegen die monatlichen Einkünfte bei maximal 400 Euro, fallen für Ich-AG-Gründer keine Beiträge zur Rentenversicherung an. Stellt sich später ein höheres Einkommen heraus, muss mit Nachforderungen der Rentenversicherung gerechnet werden.

Kranken- und Pflegeversicherung: Existenzgründer können sich freiwillig gesetzlich krankenversichern. Ich-AG-Gründer haben Sonderkonditionen: Die Berechnungsbasis bildet - soweit keine höheren Einkünfte vorliegen - das monatliche (Mindest-)Einkommen (1190 Euro). Im Überbrückungsgeld ist die Basis etwas höher bei 1785 Euro. Bei einem Krankenversicherungssatz von 14 Prozent liegt der monatliche Mindestbeitrag eines Ich-AG-Gründers bei 167 Euro. In der Pflegeversicherung sind es 20 Euro. Bei Überbrückungsgelgbeziehern liegt der Mindestsatz um die Hälfte höher.

Arbeitslosenversicherung: Selbstständige können sich nicht gesetzlich gegen Arbeitslosigkeit versichern. Restansprüche auf Arbeitslosengeld, die bei Gründung des Unternehmens noch bestehen, werden allerdings durch keine Leistung des Arbeitsamtes verwirkt. Die Ansprüche verfallen erst vier Jahre nach dem letzten Antrag auf Arbeitslosengeld. Wer sich - wie Claus Ganz - vor dem Antrag auf Überbrückungsgeld erst gar nicht arbeitslos meldet, hat nach einem Scheitern der Existenzgründung so lange Anspruch auf Arbeitslosengeld, wie er innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Antragstellung ein volles sozialversichertes Beschäftigungsjahr nachweisen kann.

Finanzamt: Existenzgründungszuschüsse für Ich AGs sind völlig steuerfrei. Das Überbrückungsgeld steht dagegen unter dem so genannten Progressionsvorbehalt. Das bedeutet: Die Zuschüsse selbst sind nicht steuerpflichtig, aber die Einnahmen der Unternehmer werden mit einem höheren Steuersatz belegt, da hier die Zuschüsse des Arbeitsamtes berücksichtigt werden.

Hochschulabgänger gehen leer aus: Damit sich die Existenzgründungen auch für den Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit lohnen, werden Ich AGs nur für Bezieher von Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe sowie Beschäftigte in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) angeboten. Das Überbrückungsgeld wird direkt nach einer vorherigen Beschäftigung gezahlt, ohne vorherigen Bezug von Arbeitsamts-Unterstützung. Allerdings nur, wenn die Betroffenen Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe erhalten könnten. Da Hochschulabgänger keine Ansprüche an die Arbeitslosenversicherung haben werden sie nicht vom Arbeitsamt gefördert.

Auf den Existenzgründungszuschuss besteht ein Rechtsanspruch. Das Überbrückungsgeld ist dagegen nur eine so genannte Kann-Leistung. Entschieden wird nach der Höhe des vorhandenen Etas, und zusätzlich prüft eine kompetente Stelle - beispielsweise die Industrie- und Handelskammer oder ein Steuerberater - die Erfolgschancen der Geschäftsidee.

Fazit: Bei wenig Arbeitslosenunterstützung und geringen Investitionen ist der Existenzgründungszuschuss die besser Variante. Ein hohes Arbeitslosengeld kombiniert mit einem ausgereiften Unternehmenskonzept spricht eher für das Überbrückungsgeld.

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