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Triales Studium: Foto: plainpicture / Schneider, L., Montage: SZ

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Ausbildung, Meister und Bachelor: Das triale Studium bietet einen Dreifachabschluss. Bislang ist das nur an zwei Hochschulen in Deutschland möglich. Eine davon verlangt Gebühren. Eine lohnende Investition: Die Jobchancen sind exzellent.

Von Holger Pauler

Das duale Studium ist mittlerweile vielen ein Begriff: Aktuell bieten etwa 200 Hochschulen mehr als 1200 Studiengänge an, an denen Studium und Berufspraxis miteinander kombiniert werden. Doch was hat es mit dem trialen Studium auf sich? "Wer trial studiert, macht in einem inhaltlich und terminlich abgestimmten Verfahren neben einer herkömmlichen Berufsausbildung und dem Meister im Handwerk noch einen Bachelor in Betriebswirtschaftslehre", erklärt Harald Schoelen, Professor für Volkswirtschaftslehre und Prodekan des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften an der Hochschule Niederrhein (HSNR) in Mönchengladbach. Kurz gesagt: Am Ende des Studiums hat man drei Abschlüsse.

Die Hochschule Niederrhein bietet seit dem Wintersemester 2015 /16 als erste staatliche Hochschule überhaupt das triale Studium an. Private Angebote gab es schon vorher. So bietet die Fachhochschule des Mittelstands (FHM) an den Standorten Köln, Hannover und Berlin den Bachelor im Handwerksmanagement an (siehe Infokasten). Ein Vorteil der staatlichen Hochschule ist, dass es keine Studiengebühren gibt. Nur die Kosten der Rückmeldung fallen an. Für die sechs Monate des Wintersemesters 2017 /18 sind dies rund 285 Euro. "Dies schont die Arbeitgeber und die Auszubildenden, die zudem das Semesterticket NRW für den ÖPNV erhalten", sagt Schoelen.

Fünf Jahre Studium, das muss man wollen. Viele führen später den Familienbetrieb

Das Modell spricht vor allem Abiturienten und Fachabiturienten an, die im Handwerk Karriere machen möchten. Voraussetzung für ein triales Bachelorstudium Handwerksmanagement sind das Abitur oder Fachabitur sowie ein Ausbildungsvertrag mit einem Betrieb in einem von insgesamt 19 Ausbildungsberufen. Darunter sind so unterschiedliche Berufe wie Augenoptiker, Friseur, Informationstechniker, Konditor, Metallbauer oder Zahntechniker.

Beginn des fünfjährigen Studiums ist jeweils im Wintersemester. Waren es zum Start im Jahr 2015 noch zehn Studenten, hat sich die Zahl schon im folgenden Jahr verdoppelt. Auch in diesem Oktober werden 18 Studierende das erste Semester in Angriff nehmen. "In den ersten beiden Jahren haben sich noch hauptsächlich Studierende eingeschrieben, die als Kinder von Firmeninhabern das Ziel haben, den elterlichen Betrieb zu übernehmen", sagt Schoelen. Mittlerweile schreiben sich - die Rückendeckung ihres Betriebes vorausgesetzt - zunehmend Seiteneinsteiger ein, die bereits in einer Lehre sind oder diese absolviert haben. Einige haben keinen elterlichen Betrieb im Blick und sind für den zukünftigen Arbeitsplatz noch offen.

Dennoch, die Studierenden, die familiär geprägt sind, gehören zur Mehrheit. So auch Lina Höttges. Die 21-Jährige hat das Studium vor einem Jahr begonnen. Ihr Wunsch ist es, irgendwann den Karosserie- und Fahrzeugbaubetrieb ihres Großvaters Rolf Sprenger in Mönchengladbach zu übernehmen. "Ich habe mich dafür entschieden, weil ich neben dem Handwerk auch die betriebswirtschaftliche Seite lernen wollte", sagt sie. Ohne fundierte Kenntnisse sei es mittlerweile unmöglich, selbst kleine Betriebe zu führen. Ein ehemaliger Mitschüler aus ihrer Abiturklasse habe sie schließlich überzeugt, den Weg zu gehen. Er hat das triale Studium bereits ein Jahr zuvor begonnen.

Lina Höttges wohnt noch zu Hause, was sinnvoll ist, da sie auch im familieneigenen Betrieb ihre Ausbildung absolviert. Zum Selbststudium trifft sie sich in kleinen Gruppen zum Austausch und dem gemeinsamen Lernen mit anderen Kommilitoninnen und Kommilitonen, wobei der Frauenanteil im trialen Studium höher ist als in der reinen Handwerkerausbildung. "An der Meisterschule bin ich fast allein, während ich an der Hochschule mehrere Kommilitoninnen habe."

Die Gründe für die Einführung des trialen Studiums waren vielschichtig: "Der demografische Wandel wird in näherer Zukunft zu einer weiter sinkenden Schulabgängerzahl führen. Gleichzeitig wird der Akademisierungstrend durch die gesellschaftliche Wertschätzung wie auch die steigenden Anforderungen am Arbeitsmarkt anhalten und die Berufsbildung weiter unter Druck setzen", glaubt Schoelen. Gerne habe man daher eine Kooperationsanfrage des niederrheinischen Handwerks aus dem Frühjahr 2014 aufgegriffen.

Das Handwerk hatte damals Alarm geschlagen, weil es an gut ausgebildetem Personal fehlte. Ein Zustand, der bis heute anhält. "Von 60 000 Betrieben in unserem Kammerbezirk stehen etwa 9500 ohne Nachfolger da", sagt Alexander Konrad, Sprecher der Handwerkskammer Düsseldorf. Gemeinsam mit München ist der rheinische Bezirk der größte der Republik. In anderen Regionen dürfte der Anteil aber ähnlich hoch liegen. Der Bedarf an gut ausgebildeten Absolventen wird daher bundesweit zunehmen. Der Studiengang "Handwerksmanagement - Betriebswirtschaftslehre" ist mit jedem handwerklichen Ausbildungsberuf kombinierbar. Unter der Woche absolvieren die Studierenden ihre praktische Ausbildung im Betrieb, die Vorlesungen finden am Wochenende statt. Die Meisterschule wird idealerweise im 8. und 9. Semester in Vollzeit bei der Handwerkskammer Düsseldorf besucht. Wer eine Ausbildung in einem Handwerksberuf abgeschlossen hat und bereits in einem Betrieb beschäftigt ist, kann sich ebenfalls um einen Studienplatz bewerben. In diesem Fall wird die Ausbildung angerechnet, und der Teilnehmer absolviert ausschließlich den Meister- sowie den Bachelorabschluss.

"Zum Feiern bleibt nur der Samstagabend, zum Ausschlafen der Sonntag."

Die Sechstagewoche sei zwar anstrengend, aber machbar, sagt Lina Höttges: "Es hilft schon, dass das Studium aus drei verschiedenen Bereichen besteht, dadurch kommt keine Langeweile oder Routine auf." Für viele dürfte es tatsächlich schwer nachvollziehbar sein, sich am Freitagabend, am Ende einer Arbeitswoche, noch einmal aufzuraffen und zur Hochschule zu gehen, um vier Stunden in Seminaren oder Vorlesungen zu verbringen. Und damit nicht genug: Am Samstag warten in den ersten beiden Semestern noch einmal vier, danach sogar acht Stunden Unterricht. "Da bleibt dann eben nur noch der Samstagabend zum Feiern und der Sonntag zum Erholen", sagt Lina Höttges. Zweifel am eingeschlagenen Weg habe sie bislang keine.

"Das Studium mag anstrengender sein als andere Angebote. Wir sehen aber, dass die Studierenden mit sehr viel Herz und Engagement dabei sind", sagt Harald Schoelen. Und das schlägt sich auch in den Prüfungen nieder. "Die ersten Ergebnisse können sich jedenfalls sehen lassen." Als Dozenten werden zudem verstärkt Fachleute aus dem Handwerk eingebunden, die besonders die berufliche Praxis vermitteln. Welches Berufskolleg oder welche Berufsschule die Studierenden während ihrer Ausbildung besuchen, ist ihnen freigestellt. "Wer nicht das kooperierende Berufskolleg für Technik und Medien Mönchengladbach besuchen kann, sollte vor Aufnahme des trialen Studiums mit dem Berufskolleg klären, dass es zu keinen Überschneidungen von Unterrichts- und Vorlesungszeiten sowie der Prüfungsphasen kommt", sagt Schoelen.

Die ersten Studierenden werden die HSNR in knapp drei Jahren verlassen. Und auch wenn die Zahl der Auszubildenden aktuell wieder steigt, dürften die Absolventen freie Auswahl haben. Wer kann schon mit Mitte 20 einen dreifachen Abschluss in der Berufsausbildung vorweisen.

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