Kündigung im Job:Das war's

Finger schiebt einen Geschäftsmann an das Ende eines Liniendiagramms PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY

Mitarbeiter, die gehen müssen, sollten immer die Chance auf einen guten Abschied bekommen.

(Foto: imago/Ikon Images)

Eine Kündigung kann ähnliche Gefühle auslösen wie ein Todesfall oder eine Scheidung. Trainerin Karin Wurth zeigt Führungskräften, wie man sich schonend trennt.

Von Miriam Hoffmeyer

Berufliche Trennungen kennt Karin Wurth gut - aus beiden Perspektiven. Als kaufmännische Leiterin eines Ulmer Solartechnik-Unternehmen musste sie etlichen Mitarbeitern kündigen, nachdem die Firma durch die Finanzkrise ins Schlittern gekommen war. "Am Ende musste ich dann selbst gehen", sagt sie. Der Vorgesetzte, der die Kündigung aussprach, forderte sie auf, innerhalb von fünf Minuten ihren Arbeitsplatz zu räumen. "Das Schlimme war diese Abruptheit. Ich konnte mich nicht mal von meinen Kollegen verabschieden!"

Karin Wurth, die auch eine Ausbildung zur Trauerbegleiterin in einem Hospiz gemacht hat, ist überzeugt, dass eine Trennung vom Arbeitsplatz grundsätzlich ähnliche Gefühle auslöst wie ein Todesfall oder eine Scheidung. Deshalb sollten Mitarbeiter, die gehen müssten, immer die Chance auf einen guten Abschied bekommen: "Wer keine Abschiedsfeier will, sollte wenigstens eine Karte mit guten Wünschen und ein kleines Geschenk auf dem Schreibtisch vorfinden."

Heute berät Wurth Firmen, gerade hat sie einen Ratgeber zu Trennungsmanagement veröffentlicht. Auch als Coach für Fach- und Führungskräfte ist sie mit dem Thema konfrontiert. "Ich habe oft Leute im Coaching, die im Unguten gegangen sind", sagt sie. "Das ist eine fundamentale Kränkung, die man nicht unterschätzen sollte. Wer daran leidet, hat es lange schwer, den Fokus auf Neues zu richten."

Aber ist eine Kündigung wirklich so ein einschneidendes Erlebnis, dass es wichtig ist, in welcher Form sie ausgesprochen wird? Manfred Glahe, der bis Juni 2016 als Personaler in leitender Funktion beim Maschinenbau-Konzern SKF tätig war, hat innerhalb der vergangenen zehn Jahre zwei Umstrukturierungen begleitet, bei denen Hunderte von Stellen wegfielen. Auch er selbst wurde Anfang der Neunzigerjahre einmal entlassen. "Das traf mich völlig unerwartet. Wie ich damals nach Hause gekommen bin, weiß ich bis heute nicht."

Trotzdem habe er den Schock schnell überwunden, nicht zuletzt dank der "klaren, direkten und offenen" Gesprächsführung des damaligen Vorgesetzten. Der Personalmanager hält ein faires, transparentes Verfahren bei Trennungen für unverzichtbar - nicht nur aus Rücksicht auf die Gekündigten selbst, sondern auch auf die Führungskräfte, die diese Botschaft überbringen müssen. "Und es stellt sich ja auch die Frage, was machen wir eigentlich mit den Kollegen, die danebenstehen und das Ganze beobachten? Wie sieht es danach aus mit der Motivation?" Schließlich merkten sich die Verbleibenden genau, wie die anderen behandelt worden seien.

"Die Trennung muss auf respektvolle Weise geschehen"

Glahe holte sich für die Umstrukturierung Rat beim bekanntesten deutschen Experten für Trennungsmanagement, Laurenz Andrzejewski, dessen Handbuch zum Thema gerade in vierter Auflage erschienen ist. In Workshops übt Andrzejewski mit Führungskräften und Personalern, Kündigungsgespräche richtig zu führen. "Auch die Chefs nehmen Schaden, wenn sie so ein Gespräch versemmeln", sagt er. "Manchen geht das noch nach Jahren nach." Ein häufiger Fehler sei es, zu lange um die Sache drumherum zu reden. Oder die Verantwortung nach oben abzuschieben. Oder alte Rechnungen zu begleichen und den Mitarbeiter mit abfälligen Bemerkungen noch zusätzlich zu kränken. "Die Trennung muss auf respektvolle Weise geschehen, auch wenn es an schlechten Leistungen lag. Sonst werden Menschen in ihrem Selbstwertgefühl beschädigt."

Andrzejewski rät, innerhalb von fünf Sätzen auf den Punkt zu kommen und dem Gegenüber Raum für eine Reaktion zu geben: "Wenn die Botschaft durch ist, muss man eine Pause machen und das Schweigen aushalten." In Rollenspielen versetzen sich die Teilnehmer seiner Workshops in die Situation der Gekündigten und bereiten sich auf mögliche Reaktionen vor: auf Mitarbeiter, die stumm vor sich hin starren, leise zu weinen beginnen oder aggressiv werden. "Wir üben, wie man wieder ins Gespräch kommt", sagt Andrzejewski. Grundsätzlich sollten nicht schon im Kündigungsgespräch Unterschriften verlangt werden. Besser sei es, Folgetermine zu vereinbaren, um in Ruhe über die Details zu sprechen.

Nach einer aktuellen Studie der Unternehmensberatung Kienbaum werden 70 Prozent der Führungskräfte in Deutschland nicht auf das schwierigste aller Mitarbeitergespräche vorbereitet - obwohl die Mehrheit der befragten Unternehmen Trennungsmanagement durchaus als wichtige Aufgabe wahrnimmt. "Dieses schwierige und traurige Thema gehört zur Unternehmenskultur einfach dazu", meint Andreas Dotzauer, der sich als Trainer und Coach seit 14 Jahren damit beschäftigt. Auch er hält das Trennungsmanagement der meisten Unternehmen für "wenig professionell". Wer seine Führungskräfte schult, tut das möglichst diskret - das Thema ist einfach zu negativ besetzt.

Missratene Kündigungen können nicht nur zu teuren Prozessen vor dem Arbeitsgericht führen und die Motivation der verbliebenen Mitarbeiter ruinieren, sondern auch die Beziehungen zu Lieferanten und Kunden beschädigen. Und das manchmal ganz direkt: Laut Kienbaum-Studie glauben 55 Prozent der Befragten, dass entlassene Führungskräfte künftig noch als Kunden für sie wichtig sein könnten. Ein Viertel sah die Gekündigten sogar als potenzielle Kandidaten für eine Neueinstellung.

Dass man sich auch beruflich oft zwei Mal sieht, hat Manfred Glahe von SKF erlebt: "Durch einen unerwarteten Produktionsauftrag mussten wir nach nicht einmal einem Jahr 25 Entlassene zurückholen", sagt er. "Da war uns wirklich nicht wohl dabei. Wie sollten wir das kommunizieren? Interessanterweise haben die Leute nur gesagt: Das hättet ihr uns und euch ersparen können - aber ihr wart wenigstens fair."

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