Auf den Lastwagen deutscher Speditionen waren im vergangenen Jahr Frachten im Gesamtgewicht von 3,5 Milliarden Tonnen unterwegs. In Deutschland und Europa wächst der Straßengüterverkehr seit Jahren kontinuierlich, wegen der guten Konjunktur rechnet das Bundesamt für Güterverkehr auch für dieses Jahr mit einem Plus von 1,7 Prozent. Die Branche hat allerdings ein Problem: Es gibt viel zu wenige junge Leute, die Sattelzüge, Transporter und Tieflader steuern wollen. Etwa die Hälfte der mehr als 530 000 deutschen Berufskraftfahrer geht innerhalb der nächsten zehn Jahre in den Ruhestand. Und nicht mal 15 Prozent der Fahrer sind jünger als 35.
"Unternehmen müssen immer öfter Aufträge ablehnen, weil sie keine Fahrer haben, die die Ware ausliefern", sagt Karlheinz Schmidt, Geschäftsführer des Bundesverbands Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL). "Viele legen daher sogar Fahrzeuge still." Mehr als 80 Prozent der deutschen Speditionen haben weniger als 20 Mitarbeiter, der Mangel an Fahrern kann schnell die Existenz gefährden.
Die Arbeitsplätze sind sicher, doch die Bezahlung ist schlecht
Das Nachwuchsproblem ist nicht nur eine Folge der demografischen Entwicklung. Seit Beginn der Liberalisierung der Transportmärkte vor 40 Jahren hat der Fernfahrerberuf dramatisch an Attraktivität eingebüßt. Zwar gelten die Arbeitsplätze als sicher, doch liegt die Bezahlung in Nord- und Ostdeutschland nur knapp über dem Mindestlohn, in Süddeutschland um bis zu 40 Prozent höher. Doch auch dort sind die Gehälter nicht hoch genug, um den potenziellen Nachwuchs über die Nachteile der Schichtarbeit und der häufigen Abwesenheit von zu Hause hinwegsehen zu lassen.
Während Fahrten innerhalb Deutschlands nach wie vor nur begrenzt von ausländischen Unternehmen übernommen werden dürfen, wird der Markt für internationale Transporte von osteuropäischen Speditionen beherrscht. Deren Fahrer, die sich eine Einkehr in deutschen Rasthäusern nicht leisten können, müssen notdürftig auf den Lkw-Parkplätzen campieren. Das schade dem ohnehin schlechten Image des Berufs zusätzlich, meint Karlheinz Schmidt: "Es ist wirklich kein Vergnügen, die vorgeschriebenen Ruhepausen auf einem hoffnungslos überfüllten Parkplatz zwischen aufgespannten Wäscheleinen zu verbringen. Diese kaum erträglichen sozialen Verhältnisse wirken sehr abschreckend."
Eine vier- bis fünfmonatige Qualifizierung ist Pflicht
Der Zugang zum Fahrerberuf ist außerdem etwas schwerer geworden, seit der Lkw-Führerschein nicht mehr problemlos während des Pflichtwehrdienstes erworben werden kann. Heute ist eine vier- bis fünfmonatige Qualifizierung vorgeschrieben, die in vielen Fällen von der Arbeitsagentur finanziert wird.
Auch weil diese Kurzqualifizierung genügt, um eine Anstellung als Berufskraftfahrer zu finden, entscheiden sich nur wenige Schulabgänger für die dreijährige Ausbildung: In ganz Deutschland gibt es derzeit lediglich 7000 Auszubildende. Viele von ihnen haben sich zuvor schon erfolglos in anderen Berufen versucht, fast die Hälfte bricht die Lehre wieder ab - auch weil einige Betriebe ihre Azubis vor allem als billige Arbeitskräfte ansehen.
Imagekampagnen dürften kaum ausreichen, um diese strukturellen Probleme zu lösen. Deshalb wenden sich die Speditionen seit ein paar Jahren gezielt an Migranten. So wirbt beispielsweise die europäische Transportvereinigung Elvis seit 2014 direkt in Rumänien Fahrer an und vermittelt sie an Speditionen, die sie in Deutschland zu deutschen Bedingungen anstellen und ihnen helfen, eine Wohnung und Schulen für ihre Kinder zu finden.
An Migranten, die schon in Deutschland leben, richtet sich das Projekt "Euro-Trucker" der Straßenverkehrsgenossenschaften und der Sprachschule Berlitz. Die sechsmonatige Qualifizierung beginnt mit einem Sprachkurs, in dem auch das Fachvokabular für Lkw-Fahrer vermittelt wird. Danach folgt die praktische Ausbildung, an die sich ein Praktikum in einer Spedition oder einem Busunternehmen anschließt.
"Bisher konnten fast alle Absolventen erfolgreich vermittelt werden", sagt Rainer Ziegeler, Manager bei Berlitz Deutschland. Derzeit werden etwa hundert Teilnehmer in Hamburg, Bremen, Düsseldorf und Köln ausgebildet, in Neumünster und Koblenz sollen noch in diesem Jahr weitere Kurse starten. Auch einige anerkannte Flüchtlinge sollen daran teilnehmen. Für diese Gruppe könnte die Qualifizierung zum Fahrer eine große Chance sein, meint Ziegeler.
Sprachkenntnisse sind wichtig
Der 47-jährige Rumäne Daniel Badila, der schon vor Jahren nach Deutschland eingewandert ist, hat den Euro-Trucker-Kurs 2015 absolviert. "Das Praktikum lief super, ich habe direkt danach einen festen Vertrag gekriegt", sagt er. Für die Hamburger Firma Garbe-Transport bringt Badila in Nachttouren Container vom Hafen zu den Kunden und fährt die Produkte einer Großbäckerei aus. "Ich wollte immer gern Lastwagen fahren, mein Vater war auch Lkw-Fahrer", erzählt Badila. "Und die Nachtarbeit gefällt mir, so habe ich Zeit für meine Familie. Ich schlafe aus, dann hole ich meine Tochter von der Schule ab."
Garbe-Transport hat verschiedene Einsatzbereiche für seine rund 300 Fahrer, darunter viele Kurzstreckenfahrten in Tag- oder Nachtschicht mit regelmäßigen Arbeitszeiten. Dass Daniel Badila in der Qualifizierung sein Deutsch sehr verbessert hat, ist dem Geschäftsführer Dirk Trappel wichtig: "Unsere Fahrer sind das Aushängeschild der Firma, die müssen ordentlich auftreten und sich verständigen können. Nichts ist schlimmer, als wenn Ihnen ein Fahrer sprachlos ein Handy mit Anweisungen per SMS vor die Nase hält." Daniel Badila empfindet ähnlich: "Ich habe mit vielen Leuten Kontakt, da will ich richtig Deutsch sprechen."
Berufskraftfahrer können als Lkw- oder als Busfahrer arbeiten. Während der öffentliche Nahverkehr mit seinen geregelten Arbeitszeiten weniger große Nachwuchsprobleme hat, werden Reisebusfahrer fast ebenso dringend gesucht wie Lkw-Fahrer. "Jede Möglichkeit ist gut, um neue Beschäftigte zu finden", sagt Matthias Schröter vom Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer (BDO), Migranten seien als Bewerber sehr willkommen. Allerdings bräuchten Busfahrer natürlich besonders gute Deutschkenntnisse: Schröter: "Mit Passagieren ist es doch noch anders, als wenn man Joghurt durch die Gegend fährt."