Trainee-Programme:Freie Fahrt durch die Firma

Ständiger Wechsel oder feste Stelle: Trainee-Programme sind inzwischen so beliebt, dass Absolventen dafür sogar den Direkteinstieg verschmähen.

Miriam Hoffmeyer

Kaum hatte Florian Pohle sein Diplom in Maschinenbau gemacht, steckte er auch schon in der Zwickmühle. Er hätte sofort als Ingenieur einsteigen können, beim Siemens-Konstruktionsbüro in Mülheim, in dem er schon als Student gejobbt hatte. Aber ein so glatter Übergang war ihm doch ein bisschen zu einfach. "Ich wollte mich erst mal beruflich in der Welt umsehen, Erfahrungen sammeln", sagt der 27-Jährige.

Trainee-Programme: Von einer Station zur nächsten: Die abwechslungsreiche Trainee-Ausbildung ist für die Unternehmen recht kostspielig. Doch auf lange Sicht lohnt sich die Investition.

Von einer Station zur nächsten: Die abwechslungsreiche Trainee-Ausbildung ist für die Unternehmen recht kostspielig. Doch auf lange Sicht lohnt sich die Investition.

(Foto: Foto: dpa)

Florian Pohle überlegte, wie er Neugier und Sicherheit unter einen Hut bringen könnte, und bewarb sich als Trainee bei Siemens. Innerhalb von zwei Jahren arbeitete er in drei verschiedenen Bereichen des Konzerns: erst in der Konstruktion von Dampfturbinen-Komponenten, dann im technischen Vertrieb. Zuletzt reiste er für acht Monate nach Vietnam, um dort ein Gas- und Dampfkraftwerk zum Laufen zu bringen.

"Ich konnte nach und nach immer mehr Verantwortung übernehmen", sagt Pohle. "Die Verständigung mit den Arbeitern lief über einen Dolmetscher, teils auch mit Händen und Füßen." Durch den ständigen Wechsel habe er viel gelernt, was ihm bei einem Direkteinstieg verborgen geblieben wäre: "Man muss sich immer wieder auf neue Situationen, neue Chefs, neue Aufgaben einstellen."

Das Modell des Trainee-Programms entstand vor genau 60 Jahren: Damals kam der amerikanische Konzern Unilever auf die Idee, Nachwuchsführungskräfte durch alle Abteilungen zu schicken, bevor sie ihre erste Position antraten. In Deutschland führten Großkonzerne wie Daimler, VW und Deutsche Bank in den siebziger Jahren Trainee-Programme ein. Seitdem sind diese Programme immer zahlreicher geworden - und bei Hochschulabsolventen immer beliebter.

Siemens stellt in seinem "Graduate Program" pro Jahr nur 50 Trainees ein, die Bewerberzahlen liegen nach Konzern-Angaben "um ein Vielfaches" höher. Die Hürden im Bewerbungsverfahren sind deshalb hoch. Obwohl Florian Pohle schon das Jobangebot von Siemens hatte, musste er bei der Bewerbung um die Trainee-Stelle noch einmal ganz von vorn anfangen. Nach einem Online-Test wurde er zu einem Assessment Center eingeladen, wo er unter anderem eine Fallstudie lösen und das Ergebnis auf Englisch präsentieren musste.

Gezielt persönliche Kontakte knüpfen

Dass Trainee-Stellen so begehrt sind, hat viele Gründe: Die Absolventen können sich einen Überblick über das Unternehmen verschaffen, bevor sie sich festlegen. Oft werden sie in besonders interessanten und erfolgversprechenden Projekten eingesetzt. Dabei sind sie fest angestellt und verdienen kaum schlechter als Direkteinsteiger. Zum Programm gehören Fortbildungsseminare, die sich die Trainees zum Teil selbst aussuchen können.

Vor allem aber können sie gezielt persönliche Kontakte knüpfen - auch zu den oberen Führungsetagen des Unternehmens. Auch untereinander sind die Trainees gut vernetzt, durch gemeinsame Fortbildungen, Tagungen, Stammtische und Ausflüge. Schon wegen dieses Netzwerks haben sie besonders gute Chancen auf einen schnellen Aufstieg.

Die Trainee-Programme sind für die Unternehmen recht kostspielig, nicht nur wegen der Fortbildungs- und Reisekosten, sondern vor allem deshalb, weil hochbezahlte Führungskräfte Teile ihrer Arbeitszeit für die Betreuung von Trainees verwenden. "Trainees sind nicht billig, das Geld ist aber gut investiert", meint Professor Norbert Thom, Direktor des Instituts für Organisation und Personal an der Universität Bern. "Auf diese Weise können Unternehmen ihren Nachwuchs aus den eigenen Reihen rekrutieren - und das rechnet sich langfristig."

Trainee-Programme und die Finanzkrise

Thom beschäftigt sich seit 30 Jahren mit Trainee-Programmen. Nach seiner jüngsten Studie erwarten 60 Prozent der befragten deutschen Unternehmen, dass die Bedeutung der Programme weiter wachsen wird. Allerdings hält Thom es für möglich, dass die Krise sich bald auch in diesem Bereich auswirken könnte. "Aus früheren Krisenzeiten wissen wir, dass Firmen dazu neigen, an der Aus- und Weiterbildung zu sparen. Einige haben dies später allerdings bereut."

Besetzt werden Trainee-Stellen fast immer mit Wirtschaftswissenschaftlern, Ingenieuren und Naturwissenschaftlern. Juristen als Trainees sind eher selten, Geisteswissenschaftler schon fast exotisch. Der Anglistin Caroline Bandulet, die heute die Marktforschung bei der Stuttgarter Klett-Gruppe leitet, gelang der Einstieg ins verlagseigene Trainee-Programm vor allem deshalb, weil sie vorher schon bei einem Marktforschungsinstitut gearbeitet hatte und deshalb Bilanzen lesen konnte. "Mein geisteswissenschaftlicher Hintergrund war dem Verlag allerdings auch wichtig", sagt sie.

Für ein Unternehmen, das Trainees ausbildet, ist die Klett-Gruppe eher klein. Die meisten Stellen gibt es bei großen Konzernen, vor allem Industriebetrieben und Banken, aber auch im Handel, bei Versicherungen und IT-Firmen. Die Programme dauern meist zwischen einem und zwei Jahren und sind unterschiedlich aufgebaut.

Von der Börse bis zur "Blaumannphase"

Oft können die Trainees gemeinsam mit einem Mentor die Bereiche und Projekte auswählen, in denen sie arbeiten wollen. Neben dem klassischen ressortübergreifenden Modell gibt es auch Programme, in denen die Trainees in nur einem Ressort arbeiten - etwa IT oder Finanzen - und darin verschiedene Abteilungen durchlaufen. Oder der Trainee lernt zwar mehrere Ressorts kennen, hat aber einen klaren Schwerpunkt in einem Bereich.

Der 27-jährige Wirtschaftsingenieur Christian Grapatin hat in seiner Traineezeit beim Energiekonzern EnBW ganz klassisch "die ganze Wertschöpfungskette" kennengelernt: Stromerzeugung, Handel an der Strombörse, Vertrieb. Zuerst arbeitete Grapatin in einem Kraftwerk, wo er auch einmal Gelegenheit hatte, einen Kessel, der gewartet wurde, von innen zu sehen.

Sogenannte "Blaumannphasen" sind bei EnBW fester Bestandteil des einjährigen Konzern-Trainee-Programms. Das ist nicht ungewöhnlich - auch zum Beispiel bei Daimler müssen alle Trainees einige Tage am Fließband stehen.

Nach Ablauf seiner Traineezeit entschied sich Grapatin für eine Stelle im Handel, wo er sich jetzt mit mittelfristiger Energieplanung beschäftigt. Die Position konnte er sich aussuchen - ihm und den anderen Trainees seines Jahrgangs wurden die freien Jobs bei EnBW auf dem Silbertablett serviert: "Wir waren 17 Trainees und konnten aus 75 Stellenangeboten auswählen."

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