Topmanager auf der Reservebank:Sandwich-Position? Nein danke!

Manager in der zweiten Führungsebene haben es nicht leicht: Sie müssen ihren Mitarbeitern Entscheidungen von oben verkaufen und gleichzeitig ihren Chefs ein erfolgreiches Team präsentieren. Wenn das allerdings zu lange dauert, werden sie ungeduldig und spielen nicht mehr mit.

Christine Demmer

Vorgestanzte Antworten auf Bewerberfragen sind dem Frankfurter Personalberater Stefan Fijacki ein Gräuel. Doch es gibt eine Gruppe von Ratsuchenden, bei denen auch ihm nicht viel einfällt. Wenn zum Beispiel ein Abteilungsleiter seit Jahren in Sichtweite der Geschäftsleitung festhängt und sich nun fragt, wie er seine Karriere endlich vorantreiben könne. Dann schüttelt Fijacki den Kopf. Es soll bedeuten: Da ist nichts zu machen. "Die Fragestellung ist falsch", sagt der 43-Jährige. "Wer sich in seinem Aufstieg blockiert fühlt, kann nur noch selbstkritisch darüber nachdenken, was er bisher falsch oder nicht gut genug gemacht hat. Wirklich gute Führungskräfte kommen von ganz allein nach oben."

Sandwich

Die Sandwich-Position ist undankbar: Manager mit Personalverantwortung stehen in der Unternehmenshierarchie zwischen dem Vorgesetzten und den Mitarbeitern.

(Foto: iStockphoto)

Aber stimmt das wirklich? Fijackis Faustregel mag für Konzernmanager zutreffen, kaum jedoch für diejenigen, die in einem mittelständischen Unternehmen unmittelbar an die Geschäftsführung berichten. Nach Angaben des Firmendatensammlers Hoppenstedt sind das in Deutschland 125.000 Betriebe mit etwa 380.000 Entscheidern der ersten und zweiten Führungsebene, kurz F1 und F2. Viele Abteilungsleiter reden täglich mit ihrem Chef, ohne jemals eine echte Chance zu bekommen, selbst Chef werden zu dürfen. Denn wenn ein Posten in der ersten Reihe neu zu besetzen ist, müssen Personalberater neben Kandidaten aus dem eigenen Haus stets auch solche von außen präsentieren.

Bei Unternehmen, die gern aus den eigenen Reihen nachbesetzen, kommt es durchaus vor, dass in der zweiten Ebene für die erste gesucht wird", sagt Fijacki, "aber normalerweise will das Entscheidungsgremium eine breite Auswahl. Und auch bei internen Bewerbern muss der Personalberater stichhaltig begründen, warum man ihn oder sie vorschlägt."

Für Topmanager der Reserve lauert hier die Falle: Wenn nämlich alles für den externen Bewerber spricht, dann wird der eigene Anwärter nur mehr zum Zählkandidaten degradiert. Laufen die Argumente aber zwingend auf ihn zu, dann müssten die Entscheider zumindest sich selbst gegenüber eingestehen, warum sie einen offensichtlich starken Kandidaten so lange übersehen haben. Das ist peinlich. Wer nicht über seinen Schatten springen kann, kramt gerne Rechtfertigungsgründe hervor, die den potentiellen Aufsteiger am Ende doch wieder ins Mittelfeld zurückfallen lassen. Sorry, es hat nicht gereicht.

Das ist hochgradig gefährlich", warnt Gudrun Happich, Executive Coach und Buchautorin aus Köln. Wegen der absehbaren Verknappung des Führungspersonals und der dadurch genährten Ansprüche des Nachwuchses stünden die Unternehmen vor einem dramatischen Kurswechsel. "Sie können ihre Führungsebenen nicht mehr so einfach nachfüttern", sagt Happich, "zumal Manager um die dreißig nicht mehr jahrelang auf eine Beförderung warten wollen. Die sagen: Ich weiß, dass ich gut bin, und wenn ihr mir nicht gebt, was ich will, dann gehe ich."

Die ersten Aufsteiger der Generation Y seien schon in der zweiten Führungsebene angekommen und schöben vielfach Frust. "Sie streben nach Leistung und sind ebenso stark am Vorankommen des Unternehmens wie an der eigenen Karriere interessiert. Aber sie fühlen sich häufig von der ersten Ebene abgehängt, und dann fackeln sie nicht lange, sondern gehen. Es wird brenzlig für die Entscheider darüber", sagt Happich.

Außer Geld nicht viel zu bieten

Deren Problem lässt sich so beschreiben: Natürlich wollen sie ihre Leistungsträger behalten - aber außer Geld können sie ihnen kaum etwas bieten. Und Geld allein motiviert den Nachwuchs nicht mehr. "Für immer mehr Menschen wird die Vereinbarkeit von privaten Werten und Zielen mit den Unternehmensanforderungen entscheidend", heißt es in der Studie "Leadership 2030" der internationalen Beratungsfirma Hay Group. "Persönliche Loyalität wird wichtiger werden als die zu einem Unternehmen." Gerade denen, die schon fast an die Spitze gerückt seien, müsse man verstärkt den Sinn ihrer Arbeit aufzeigen, um sie zur Mitarbeit zu motivieren, meint Happich.

Hay hingegen rät: Angesichts rasch sinkender Loyalität zum Unternehmen sollten Topmanager ihre wichtigen Mitarbeiter persönlich an sich binden. Ausgeprägte Alphatiere dürften damit Schwierigkeiten haben, denn die in den Startlöchern stehende Manager-Generation pfeift auf Befehl und Gehorsam. Und denkt gar nicht daran, sich in der heiklen Sandwich-Position zwischen Politik und Repräsentation im Stockwerk darüber und dem drängendem Tagesgeschäft in den Etagen darunter aufreiben zu lassen.

Hinzu kommt: "Der Druck auf die zweite Ebene ist enorm gestiegen", sagt Michael Güttes, Vice President der Personalberatung Mercuri Urval in Düsseldorf. "Von den Leuten wird viel mehr als früher verlangt, was mit dem anhaltenden Lean Management zu tun hat, und deshalb gibt es hier die meisten Burn-out-Fälle. Wenn die Unternehmen ihre Mitarbeiter auf der zweiten Führungsebene weiter so belasten, wie sie es derzeit tun, dann brennen die aus."

Oder sie suchen vorher das Weite, wie Gudrun Happich aus vielen Gesprächen herausgehört hat. "Für gute Leute sind die Headhunter extrem offen", sagt die Beraterin. Sie erzählt die Geschichte vom zweiten Mann, der trotz erkennbaren Scharrens mit den Hufen übersehen wurde, nach einem Jahr die Geduld verlor und mitsamt 40 Kollegen zur Konkurrenz wechselte. Erst dann dämmerte es der Geschäftsleitung, dass da wohl etwas versäumt worden sei.

"Natürlich wollen nicht alle weiterkommen", sagt Happich, "aber alle in der zweiten Ebene stehen vor dem Dilemma: Von oben bekommen sie Marschorder und von unten die trotzige Erwiderung: 'Du weißt doch, was hier los ist. Setz dich erst mal für uns ein.' Das würden sie auch tun, aber oben hört ihnen niemand zu. Die Leute der zweiten Führungsebene fühlen sich oft im Regen stehengelassen."

Lösungsmöglichkeiten für das Problem gibt es so viele, wie es frustrierte F2er gibt. "Vorstände und Geschäftsführer müssen genauer hinschauen", schlägt Happich vor. "Die haben viele Ideen und kennen das Unternehmen gut. Also kann man zum Beispiel Positionen neu entwickeln, die den Kernkompetenzen dieser Leute besser entsprechen." Stanzvorlagen dafür gibt es aber leider nicht.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: