Theater in der Schule:Fürs Abi auf die Bühne

GERMERING: Schultheater 'Yellow Submarine' / Max-Born-Gymnasium

Tanz rund ums U-Boot, so etwas gibt es nur auf der Bühne: Darstellendes Spiel (DS) als Schulfach hat Musik und Kunst vielerorts den Rang abgelaufen.

(Foto: Johannes Simon)
  • In vielen Bundesländern gibt es das Schulfach "Theater".
  • Besonders aktiv ist Hamburg, wo alle Grundschüler von der ersten bis zur vierten Klasse eine Wochenstunde Theater spielen sollen.
  • In Bremen wird "Darstellendes Spiel" neben Musik als Grundkurs an Gymnasien angeboten. Es läuft den Fächern Kunst und Musik oft den Rang ab.

Von Joachim Göres

Schüler machen Theater - das ist nichts Neues, kaum eine Schule ohne Theater-Arbeitsgemeinschaft. Doch standen früher meist nur wenige künstlerisch engagierte junge Leute in der Freizeit auf der Bühne, so gibt es heute in vielen Bundesländern ein richtiges Fach Theater. Besonders aktiv ist Hamburg, das einzige Bundesland, in dem alle Grundschüler von der ersten bis zur vierten Klasse eine Wochenstunde Theater spielen sollen. "In jeder unserer Klassen wird am Ende des Schuljahres ein Stück öffentlich aufgeführt", sagt Katja Krach-Grimm, Fachleiterin Theater an der Louise-Schroeder-Grundschule im Stadtteil Altona. Sie schilderte ihre Erfahrungen kürzlich auf der Veranstaltung "Welches Theater braucht die Schule?" im Rahmen des Schultheaterfestivals Hannover.

Die vierten Klassen der Altonaer Grundschule schreiben ihr eigenes Stück. Tom und Jerry, ein Märchen auf dem Friedhof, Mobbing - einige Beispiele für die von den Mädchen und Jungen ausgewählten Themen. "Ich gebe für die Umsetzung auf der Bühne Tipps. Beim Stück über Mobbing haben die Schüler zum Beispiel selbstgedrehte Filmsequenzen eingesetzt, weil so die Darstellung einfacher wird", sagt Krach-Grimm. Sie hält nichts davon, Vorlagen nur nachspielen zu lassen. "Oft werden Schülern von Lehrern einfach fertige Texte übergestülpt. Das wollen wir nicht. Wenn die Schüler versuchen, selber etwas zu entwickeln, kann auch mal was nicht klappen. Doch genau das ist ja das Interessante, die Gründe dafür zu suchen und darüber zu sprechen", sagt Krach-Grimm. Theater soll Kommunikation und Reflexion fördern - die Viertklässler schauen sich ihre Stücke an und geben sich gegenseitig Feedback. Krach-Grimm: "Das Lob und die Kritik im Anschluss ist noch wichtiger als die Aufführung."

Als Lehrer fungieren Profi-Schauspieler

In Bremen werben Schulen mit ihren Angeboten im Bereich Theater gezielt um neue Schüler. So weist die Oberschule am Leibnizplatz auf ihre Kooperation mit professionellen Schauspielern hin. Als Wahlpflichtfach kann man dort in der fünften Klasse ein halbes Jahr zwei Stunden in der Woche Theater spielen, zudem gibt es mehrere Theater-AGs. In der gymnasialen Oberstufe der Oberschule gibt es den ersten Leistungskurs Darstellendes Spiel (DS) in Deutschland. An allen Oberstufen an den gymnasialen Oberstufen und beruflichen Gymnasien in Bremen wird Darstellendes Spiel neben Musik und Kunst als Grundkurs angeboten.

Dabei hat DS inzwischen den Fächern Musik und Kunst oft den Rang abgelaufen. So berichtet der Kasseler Gymnasiallehrer Ede Müller, dass das Fach Darstellendes Spiel an den ihm bekannten Schulen in Nordhessen in der Oberstufe von der Hälfte eines Jahrgangs gewählt werde, gefolgt von Kunst und Musik. Allein an seiner Schule habe 2014 keiner in Musik die praktische Abiturprüfung abgelegt, dafür 15 Schüler in Darstellendem Spiel, sagt Müller in der Zeitschrift für Theaterpädagogik .

Ute Handwerg, Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft Spiel & Theater (BAG), weiß um den Vorwurf, wonach Darstellendes Spiel bei Schülern so beliebt ist, weil die Anforderungen geringer seien als in Kunst und Musik. Bisher fehle eine Untersuchung zu diesem Thema, um diese Behauptung zu belegen oder zu widerlegen. "Es gibt eine Konkurrenzsituation zwischen diesen drei Fächern, die alle unter Streichungen leiden. Das immer wieder zu Diskussion stehende Fach ästhetische Bildung, in dem Kunst, Musik und Darstellendes Spiel zusammen unterrichtet werden soll, ist aber keine Lösung, das lehnen wir ab", sagt Handwerg.

Selbstbewusstere Schüler, gestärkter Zusammenhalt in den Klassen

Am Georg-Büchner-Gymnasium in Seelze bei Hannover gibt es zwei Theater-AGs, zudem wird Theater als vierstündiges Wahlpflichtfach in den Klassen acht und neun angeboten. "Es kommen mehr Mädchen, doch die Zahl der interessierten Jungs wächst. Die Schüler achten darauf, dass auch die ruhigeren Charaktere zum Zuge kommen", sagt Lehrerin Silke Gutzeit. Sie lobt das große Engagement der Jugendlichen, die vor Aufführungen viele Stunden ihrer Freizeit für Proben opferten, und ergänzt: "Viele Kollegen sind neidisch auf die gute Stimmung in den Theaterklassen. Die Schüler lernen sich durch das Spielen viel besser kennen und akzeptieren sich mehr."

Der Zusammenhalt ist wesentlich größer als in anderen Klassen - eine Beobachtung, die Romi Domkowsky bestätigt. Die Professorin am Studiengang Kindheitspädagogik an der Evangelischen Hochschule Berlin hat untersucht, welche Wirkungen Theaterspielen auf junge Menschen hat. Dafür hat sie an einer Berliner Gesamtschule und an einem Oberstufenzentrum Schüler miteinander verglichen - die Hälfte wirkte an Aufführungen mit, die andere nicht. Bei den sozialen Kompetenzen gab es keine Unterschiede. Nach einem Jahr Theaterspiel waren die DS-Schüler gegenüber der Vergleichsgruppe angesichts neuer Situationen und Menschen offener, sie waren mit sich zufriedener und traten anderen gegenüber sicherer auf.

Laut BAG bestehen in den meisten Bundesländern Lehrpläne, nach denen Darstellendes Spiel unterrichtet wird, vor allem in der Oberstufe der Gymnasien und an Gesamtschulen. Als Abiturfach wird es unter anderem in Niedersachsen, Hessen, Bremen, Rheinland-Pfalz, Berlin und Baden-Württemberg (hier heißt es Literatur und Theater) angeboten. Die Praxis sieht allerdings nicht selten anders aus, denn Lehrer sind Mangelware - meist gibt es für interessierte Pädagogen nur Weiterbildungen, eine universitäre Ausbildung zum Lehrer für Darstellendes Spiel fehlt an vielen Hochschulen. Ute Handwerg ist dennoch guter Dinge: "In den letzten Jahren hat die Bedeutung des Theaterspielens in den Schulen deutlich zugenommen."

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