Teures Schulessen:Das Tagesgericht mit extra viel Steuern, bitte!

Paradoxe Politik: Die Bundesregierung predigt gesunde Ernährung - und besteuert gleichzeitig das Essen an Schulen höher als Fastfood vom Kiosk nebenan.

Bernd Dörries

Politiker aller Parteien reden seit Jahren gerne darüber, wie wichtig doch ein ausgewogenes Mittagessen für die Schüler ist. Und während sie das sagen, haben die Beamten im Bundesfinanzministerium das Essen in den Schulen fast unbemerkt teurer gemacht. Sie berechnen für das Kantinenessen den vollen Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent - während auf den Hamburger vom Imbiss nur sieben Prozent Steuern anfallen.

Schon Ende 2008 hat sich das Bundesfinanzministerium Gedanken über eine neue "Abgrenzung von Lieferungen und sonstigen Leistungen bei der Abgabe von Speisen und Getränken" gemacht. Davor mussten die Schulkantinen für die Zubereitung des Essens den Satz von sieben Prozent zahlen und 19 Prozent auf die Ausgabe - jetzt will der Staat den vollen Satz auf alles.

Protestbrief an Schäuble

Die Folgen bekommen viele Städte aber erst jetzt zu spüren. Tübingen zum Beispiel schließt derzeit wieder neue Verträge mit den Zulieferern der Schulkantinen und rechnet damit, dass das Schulessen um zehn Prozent teurer wird.

"Ein gesundes Schulessen sollte nicht 19 Prozent Mehrwertsteuer tragen müssen, wenn der Fast-Food-Burger neben der Schule nur mit sieben Prozent belastet ist", schreibt Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) deshalb in einem Protestbrief an Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU).

Pommes mit Apfelmus

Die Beamten im Finanzministerium haben wohl schon geahnt, dass der Durchschnittsbürger Probleme haben könnte mit ihren Ausführungen. Sie haben sich daher um Beispiele bemüht: Der verbilligte Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent werde dann fällig, wenn sich der "Durchschnittsverbraucher" an einem Imbissstand etwa eine Portion Pommes bestellt, die mit "Abgabe von Senf, Ketchup, Mayonnaise oder Apfelmus" verbunden ist und sich danach vom Stand sofort entfernt. Eine Serviette darf er mitnehmen, Stehtische aber sollte er meiden.

Anders sieht es in einer Schule aus, in der beispielsweise Biokost an die Schüler ausgegeben wird. Das beauftragte Unternehmen serviert richtige Teller, die es danach auch spült - und muss dafür den vollen Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent zahlen, weil es Leistungen erbringe, die "nicht notwendig mit der Vermarktung der Speisen verbunden sind".

Nicht im Sinne einer gesunden Ernährung

Letztlich wird also das Schulessen teurer, nicht aber der Hamburger im Imbiss. Dies sei nicht im Sinne einer gesunden Ernährung, sagt der Tübinger Oberbürgermeister Palmer. Es sei auch völlig unverständlich, dass die Bundesregierung Hotels bei der Mehrwertsteuer entlaste, während das Schulessen teurer werde. "Die Milliarde, die dem Fiskus dank der Senkung der Mehrwertsteuer für Hotelübernachtungen auf sieben Prozent entgeht, wird zum Ausbau der Bildungs- und Betreuungsangebote in den Kommunen dringend benötigt."

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