Technische Universität München:Headhunter machen Jagd auf Professoren

Der Präsident der TU München rüstet seine Hochschule für den internationalen Wettbewerb. Dazu gehört auch die Rekrutierung von erfolgreichen Wissenschaftlern und Studenten.

D. Sürig

Als der damalige Rektor der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität (LMU), Andreas Heldrich, im Juni 1999 öffentlich darüber nachdachte, zumindest einige Fakultäten von LMU und benachbarter Technischer Universität (TU) zu einer University of Munich zu fusionieren, da zuckte TU-Präsident Wolfgang Herrmann zurück. Nein, sagte er damals, die TU habe genau die richtige Größe. "Mit einer Fusion hätten wir keinen Gewinn an Effizienz." Vielmehr sei ein "Koloss von Universität, der sich gar nicht mehr bewegt", zu befürchten. Herrmann hatte gut reden: Zwei Wochen zuvor hatte das bayerische Kabinett der TU die Forstfakultät der LMU zugeschlagen und damit die Beziehungen zwischen den beiden Münchner Hochschulen auf einen neuen Tiefpunkt gebracht.

Wolfgang Herrmann, 2010
(Foto: Hess)

Dass der LMU-Wirtschaftswissenschaftler Hans-Werner Sinn, Präsident des Wirtschaftsforschungsinstituts Ifo, Herrmann nun in die Reihe "Münchner Seminare" eingeladen hat, ist ein Zeichen dafür, dass sich die Wogen geglättet haben. Auch wenn der TU-Chef 2004 auf einmal doch "eine große Chance" darin sah, "wenn beide Universitäten zusammengehen". Und als Herrmann jetzt im Ludwig-Erhard-Saal des Ifo-Instituts über das "Unternehmen Universität" dozierte, konnte der Zuhörer nachempfinden, was den Lehrstuhlinhaber für Anorganische Chemie zu der Kehrtwende bewogen haben könnte.

Seit seinem Amtsantritt im Jahre 1995 hat Herrmann seine Universität sukzessive umgebaut, um sie für den internationalen Wissenschaftswettbewerb fit zu machen. Hat - ganz angelsächsisch - aus Fakultäten Departments gemacht, das Fächerspektrum erweitert, die Agrarwissenschaften in ein Life-Sciences-Center gewandelt, der TU eine einheitliche Corporate Identity verschafft. Er hat Stiftungslehrstühle eingeworben, Auswahlverfahren für bestimmte Studiengänge eingeführt und selbst die Berufungspolitik umgeworfen.

Wenn es darum gehe, Professorenstellen zu besetzen, "sind wir sehr stark zum Headhunting übergegangen", sagte Herrmann. Es reiche nicht mehr, auf gute Leute zu warten, man müsse sie gezielt ansprechen. Selbst für die Suche nach herausragenden Studierenden und Nachwuchswissenschaftlern hat die TU Büros in Neu-Delhi und Peking, um dort eine Vorauswahl unter den Bewerbern treffen zu können. Brain Gain statt Brain Drain ist die Devise.

Freiheit der Lehre muss sein

Letztlich hat auch der Hochschulrat, den die TU 1999 als erste Universität eingeführt hat, unternehmerischen Charakter. Dem Aufsichtsgremium gehören beispielsweise Unternehmerin Susanne Klatten, Siemens-Chef Peter Löscher und BMW-Chef Norbert Reithofer an. Dass Herrmann mit seinem Umbau nicht immer auf Gegenliebe bei den Professoren gestoßen ist, zeigt seine Anmerkung, dass man dieses Gremium bewusst als Hochschulrat bezeichnet habe. Dies sei den Professoren weniger verdächtig.

Studenten und Professoren erleben Merkwürdiges: O2 setzt aggressives Marketing an Universitäten ein, um die Zielgruppe zu erreichen.

Studenten und Professoren erleben Merkwürdiges: O2 setzt aggressives Marketing an Universitäten ein, um die Zielgruppe zu erreichen.

(Foto: ag.ap)

Auch wenn die TU mittlerweile in vielen Bereichen wie ein Unternehmen aufgebaut ist und sich als "unternehmerische Universität" bezeichnet, legt Herrmann Wert darauf, dass er darunter kein Wirtschaftsunternehmen im landläufigen Sinne meint. Eher eine "Universität, die ähnlich tickt wie ein wettbewerblich aufgestelltes Unternehmen" - ohne die Freiheit von Forschung und Lehre zu vernachlässigen. Unternehmertum sei in diesem Zusammenhang "eine Erwartungshaltung an die intellektuell Besten der Universität, einen Gemeinsinn für das Ganze zu entwickeln". Dazu soll auch die UnternehmerTUM GmbH beitragen, um Studierenden und Wissenschaftlern frühzeitig unternehmerisches Denken und Handeln zu vermitteln.

Herrmann musste viel Kritik beim Umbau der Fachbereiche einstecken, auch weil Professoren um die Ausstattung ihrer Lehrstühle und andere Pfründen fürchteten. Doch sein Konzept scheint aufzugehen. Der Wissenschaftsrat und die Deutsche Forschungsgemeinschaft haben die TU 2006 neben der LMU und der Uni Karlsruhe als Exzellenzuniversität ausgezeichnet und 150 Millionen Euro für den Ausbau bereitgestellt. Nicht zu unterschätzen bei einem Jahresbudget von 950 Millionen Euro, darunter 219Millionen Euro aus Drittmitteln.

Auch international ist Herrmann vorne dabei. Als erste Universität Deutschlands gründete die TU 2002 in Singapur eine eigenständige Tochter im Ausland. Dass man dort oft "am Rande der Liquidität" gewesen sei, gehöre zu den unternehmerischen Risiken, die man eingehen müsse. Gerade habe die TU mit der Universität Peking ein Institut für Elektromobilität gegründet. Außerdem kooperiere man als einzige deutsche Hochschule mit der King Abdullah University of Science and Technology in Saudi-Arabien. "Wir müssen sehen, dass wir für Deutschland bei wichtigen Zukunftsentwicklungen dabei sind", sagte Herrmann.

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