Süddeutsche Zeitung

Tech-Jobs:Wer nicht programmiert, muss putzen!

Der Frauenanteil in Tech-Jobs und unter Start-Up-Gründern ist gering. Sieht der Arbeitsmarkt bald wieder aus wie in den 50er-Jahren?

Kommentar von Andrea Rexer

Bei manchen Erfindungen fühlt man sich in die Welt des 80er-Jahre-Science-Fictions "Zurück in die Zukunft" versetzt. Nur, dass die Prototypen für fliegende Autos inzwischen in Gilching bei München gebaut werden und nicht mehr ausschließlich in Hollywood-Produktionen zu sehen sind. Doch bei einigen Entwicklungen in der Welt der Tech-Konzerne und Start-ups drängt sich der Eindruck auf, dass der technologische Fortschritt mit einem gesellschaftlichen Rückschritt einhergeht.

Um nur ein paar Beispiele zu nennen: Google wird vom US-Arbeitsministerium verklagt, weil es seine Mitarbeiterinnen systematisch schlechter bezahlt haben soll als männliche Kollegen. Berichte über Sexismus am Arbeitsplatz gehören fast schon zum Alltag, immer wieder stand der Fahrdienstvermittler Uber deswegen am Pranger.

Ausgerechnet die Zukunftsbranchen sind in Männerhand

Natürlich kommt so etwas auch in traditionellen Branchen vor. Und doch ist es bemerkenswert, dass ausgerechnet jene Unternehmer, die lauthals erklären, dass sie die Welt verbessern wollen, ja, sie gar revolutionieren wollen, mit ihren Mitarbeiterinnen in einer Weise umgehen, die so manchen verstaubten Dax-Konzern mit seinen etablierten Frauen-, Schwulen- und Lesbennetzwerken wie die Speerspitze des gesellschaftlichen Wandels aussehen lassen.

Das Phänomen ist vor allem deswegen alarmierend, weil es die Jobs der Zukunft in diesen Bereichen geben wird. Frauen spielen hier an den entscheidenden Stellen (als Gründer oder Entwickler) kaum eine Rolle. Wenn sich der geringe Frauenanteil in Tech-Jobs und vor allem bei Start-up-Gründungen fortschreibt, sieht der Arbeitsmarkt in Deutschland bald wieder aus wie in den 50er Jahren: die Männer arbeiten, die Frauen bleiben zuhause.

Deutschland wäre gut beraten, dieses Phänomen nicht einfach zu akzeptieren. Die Unternehmenskulturen würden sich verändern, wenn das Management nicht ausschließlich von weißen, heterosexuellen Männern geprägt wäre. Mehr Vielfalt an der Spitze schafft ein offeneres Arbeitsklima. Aber nicht nur das: Viele Studien zeigen, dass Unternehmen mit einer durchmischten Führungsebene wirtschaftlich erfolgreicher sind. Wer international und digital vorn mitspielen will, sollte auf die Innovationskraft der ganzen Bevölkerung setzen.

Es gibt einige Beispiele, die das illustrieren: etwa das Berliner Start-up Clue. Gründerin Ida Tin ist mit ihrem digitalen Periodenkalender nicht nur in Europa erfolgreich, Clue ist Marktführer der Frauengesundheits-Apps in den USA. Was könnte Deutschland tun, um solche Beispiele häufiger hervorzubringen?

Ein Weg führt über den Abbau von Berührungsängsten: Neben den bestehenden Initiativen, Mädchen für technische Fächer zu begeistern, sollten alle Schüler - und nicht vornehmlich die Jungen - zum Tüfteln angehalten werden. Denn die meisten Entwickler lernen Programmiersprachen nicht an Unis, sondern bringen sie sich selbst bei.

Ein anderer Weg führt über das Geld. Statistiken zeigen übereinstimmend, dass die wenigen Gründerinnen, die es gibt, überproportional häufig von Wagniskapitalgebern zurückgewiesen werden. Ganz offen geben viele der Geldgeber zu, am liebsten in Gründer zu investieren, die sie gut einschätzen können - weil sie ihnen ähnlich sind: männliche Absolventen von Eliteuniversitäten.

Beim Thema Geld sind Beziehungen wichtiger als Ideen

Die Eintrittskarte in den Club der Wagniskapitalgeber sind persönliche Empfehlungen. Was zählt, ist also das Netzwerk, die Brillanz der Geschäftsidee ist zweitrangig. Unterm Strich haben nur drei Prozent aller Start-ups, die Wagniskapital bekommen, Gründerinnen. Bessere Chancen haben Frauen bei Crowdfundingportalen im Internet. Tech-Gründerinnen sind hier sogar deutlich erfolgreicher im Geldeinsammeln als Männer.

In Deutschland ist der bedeutendste Wagniskapitalgeber die staatliche Förderbank KfW. Sie könnte der Verzerrung am Finanzmarkt entgegenwirken, indem sie Start-ups mit weiblichen Gründern einen Bonus gibt, sofern diese zuvor den üblichen Qualitätscheck bestanden haben.

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SZ vom 25.04.2017/lho
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