Tabuthema Arbeitslosigkeit:Wenn Manager auf Jobsuche müssen

Wenn Manager ihren Job verlieren, wird ihre Arbeitslosigkeit selten registriert.

Wenn Manager ihren Job verlieren, wird ihre Arbeitslosigkeit selten registriert. Die Jobsuche gestaltet sich oft schwierig.

(Foto: Chase Lewis/Unsplash)

Kaum einer spricht darüber - doch Arbeitslosigkeit trifft auch Geschäftsführer, leitende Angestellte und andere Spitzenkräfte hart. In Manager-Biografien ist ein solcher Einschnitt nicht vorgesehen.

Von Anne-Ev Ustorf

Peter Schrader ist ein Mann, der seiner Frau das Mittagessen vorkocht, damit sie in ihrer Praxis zwischendurch etwas Ordentliches isst. Er hilft seiner kleinen Tochter bei den Hausaufgaben, kümmert sich um seine alten Eltern und sogar um die ihm feindselig gesonnene Hauskatze. Im Moment hat der Bremer viel Zeit für seine Familie, seit einem halben Jahr ist er arbeitssuchend. "Ein Teil von mir genießt das, weil ich so unendlich viel verpasst habe mit meiner Familie", sagt der 54-Jährige. "Aber trotzdem bin ich nur halb entspannt. Ich möchte nicht die nächsten 15 Jahre Golf spielen oder meiner Frau das Mittagessen machen."

Ein Vierteljahrhundert arbeitete der Betriebswirt, der in Wirklichkeit einen anderen Namen trägt, im Marketing für internationale Medienkonzerne, baute als Geschäftsführer eine große Vermarktungsfirma auf und pendelte jahrelang zwischen Düsseldorf und Bremen. Er gründete in dieser Zeit zusätzlich einen erfolgreichen Branchenverband, der bis heute besteht.

Doch irgendwann war Schluss: Der Bremer entschied sich, die Firma zu verlassen. Nun sucht er schon eine ganze Weile einen neuen Job. Und er spürt: Mit Mitte fünfzig sieht der Arbeitsmarkt in Deutschland nicht allzu rosig aus, auch nicht mit einer erfolgreichen Karriere und viel Managementerfahrung im Rücken.

Tatsächlich ist es für arbeitslose Top-Managerinnen und -Manager in Deutschland nicht leicht, eine neue Position zu finden. Führungskräfte, die über das Mittelmanagement hinaus gekommen sind, suchen oft mehr als ein Jahr nach einer neuen Aufgabe - und nicht wenige haben Probleme, überhaupt eine neue Stelle zu finden, selbst dann, wenn sie ihre Ansprüche kräftig herunterschrauben.

Junge Führungskräfte gelten als besser lenkbar

Das Problem: Für potenzielle Arbeitgeber sind jobsuchende Top-Manager oft überqualifiziert, zu alt und damit zu teuer. Weil eine Neueinstellung stets mit Risiken verbunden ist, nehmen sie lieber jüngere Führungskräfte, die - so die Annahme - leichter lenkbar, günstiger und besser kündbar sind. Nur die wenigsten Ex-Führungskräfte finden eine Stelle, die nahtlos anknüpft an die vorherige Position.

Ein spezifisch deutsches Problem, findet Markus Gangl. Der Soziologieprofessor an der Goethe-Universität Frankfurt schreibt in einer internationalen Vergleichsstudie zum Thema Arbeitslosigkeit: "Gerade höher Qualifizierte müssen in Deutschland relativ große Kompromisse beim Wiedereinstieg eingehen - was Position, Gehalt und Mobilität angeht." In Skandinavien oder Südeuropa sei das anders, dort würden Manager, die kurzzeitig arbeitslos seien, bei der Stellensuche kaum benachteiligt.

Der Chefsessel wird schnell zum Schleudersitz - und dann?

Von diesen Schwierigkeiten bekommt die Allgemeinheit in der Regel allerdings wenig mit. Denn das Thema Arbeitslosigkeit ist unter Führungskräften tabu, kaum ein Betroffener spricht darüber. Auch in der Arbeitslosenstatistik tauchen ehemalige Geschäftsführer, Managementkräfte oder leitende Angestellte selten auf - meist sind die Abfindungen und Privatvermögen zu hoch, um Leistungen beziehen zu können. Sogar die Bundesagentur kann darüber kaum Auskunft geben, existiert doch keine spezielle Chiffre für Top-Führungskräfte in der Statistik.

Dabei sind Geschichten wie die von Peter Schrader keine Einzelschicksale. Auch in den obersten Etagen deutscher Unternehmen wird der Chefsessel schnell zum Schleudersitz, wenn die Märkte stagnieren oder Fusionen und Outsourcing drohen. Häufig sorgen auch persönliche Konflikte für Kündigungen. Zuweilen kann sich das Personalkarussell sogar dann schnell drehen, wenn Unternehmen satte Gewinne einfahren - siehe Siemens.

Die Arbeitsagenturen kennen das Problem und bieten stellensuchenden Führungskräften inzwischen spezielle Coaching-Programme an, die ihnen beim Aufbau eines eigenen Arbeitsplatzes helfen sollen - etwa durch einen Wechsel in die Selbständigkeit, die Übernahme eines Unternehmens oder den Schritt in ein Franchise-System.

Seit Peter Schrader seine Stelle kündigte, hat er einiges auf die Beine gestellt. Er gründete ein hochwertiges Special-Interest-Magazin, das zwar gut aufgenommen wurde, sich langfristig aber nicht rechnete. Er akzeptierte einen Posten als Führungskraft bei einem Start-up in Berlin, in dem Wissen, dass es sich um ein befristetes Projekt handelte. Seither sucht er eine neue Position. Bei Branche, Standort und Gehalt ist er flexibel, Hauptsache, er kann seine Managementerfahrung einbringen und die Arbeit erfüllt ihn.

Gründung, Teilhaberschaft, Beratertätigkeit oder Lehre können Alternativen sein

Doch der Bremer stellt fest, dass viele Firmen sehr passgenau suchen. "Die Leute trauen sich einfach nicht, mich einzustellen", sagt er, "sie haben Angst, dass ich unterfordert bin oder in einer neuen Branche nicht zurechtkomme. Aber letztlich sind meine Management-Erfahrungen übertragbar, natürlich kann ich auch in der Automobilbranche, im Sportbereich oder in der Gesundheitsbranche arbeiten."

Die Managementberaterin und Bloggerin Svenja Hofert kennt diese Situationen gut. Sie hat viel mit Top-Führungskräften zu tun, die einen Wiedereinstieg suchen - und muss ihnen doch immer wieder sagen, dass es vermutlich schwer wird. Während sich untere Führungskräfte noch zurück in Senior-Positionen bewerben könnten, gehe das ab einer gewissen Führungsspanne kaum noch. Hofert rät arbeitssuchenden Top-Führungskräften deshalb, irgendwann loszulassen von der konventionellen Jobsuche und neu in andere Richtungen zu denken. "Hören Sie in sich hinein", schreibt sie in ihrem Blog. "Wohin treibt es Sie - nur Sie? Was ist das, was in Ihnen wirklich gut funktioniert? Worauf können Sie mehr bauen?"

Hofert empfiehlt ihren Klienten Teilhaberschaften, Beratertätigkeiten und manchmal sogar eine späte Promotion mit anschließender Professur. Eine Idee, die Peter Schrader durchaus reizvoll findet, schließlich hat er schon früher gern geforscht und kann sich auch die Lehre gut vorstellen. Ein bisschen Zeit will sich der Ex-Geschäftsführer aber noch geben. "Doch irgendwann", sagt er, "muss ich einen Punkt machen und die Entscheidung fällen: Ich stelle jetzt die Jobsuche ein."

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