SZ-Management:Hier boxt der Chef

Führungskräfte in den Ring: Über Sinn und Unsinn einer neuen Management-Weiterbildung.

Von Dagmar Deckstein

Man ahnte es, irgendetwas fehlte noch in der kunterbunten Welt der Managerweiterbildung. Führungstraining mit Pferden, Teamentwicklung im Wildwasser-Kanu, Selbstfindung im Zen-Kloster, Konflikte erkennen per Unternehmenstheater - alles alte Bekannte auf dem wachsenden Markt der Workshops und der dazugehörenden Ratgeberliteratur. Umso dankbarer nimmt man dieses Buch zur Hand, das den schlichten Titel "Boxen & Managen" trägt. Immerhin etwas Neues auf dem Modemarkt, und nichts Geringeres als "Praxisanleitung für Führungskräfte und alle, die geradlinig sein wollen."

Manager, Weiterbildung, Boxen

Der Boxring als Ort der Selbstfindung: "White Collar Boxing" boomt in den USA.

(Foto: Foto: photodisc)

Dachten wir es doch: Ellenbogen reichen nicht mehr, im harten Wettbewerb heißt es Fäuste schwingen und den Konkurrenten mit der geraden Rechten ausknocken.

Zieht jetzt die neue Ehrlichkeit in die Chefetagen, spricht endlich einer aus, worum es aller Ethik- und Wertedebatten vor und hinter den Firmenmauern in Wirklichkeit geht? Nicht von ungefähr und zum Unmut wirtschaftsferner Zeitgenossen befleißigen sich Unternehmenslenker und ihre Beobachter sehr gerne und ausgiebig einer Sprache, die von Kampf- und Kriegsmetaphern nur so scheppert. Da werden feindliche Übernahmen geplant, weil die Kriegskasse gut gefüllt ist. Da muss die Kundenfront scharf ins Visier genommen werden, um die Stoßrichtung des geplanten Marketingfeldzugs zu sondieren. Die universitäre Jugend duckt sich schon vor dem Rekrutierungsschlachtruf der Personaler, die in den "Krieg um die Köpfe" ziehen.

Kein Wunder, basiert das backsteinerne Industrieunternehmen der Moderne und sein Management doch auf den Vorstellungen militärischer Führung und Hierarchie. Andererseits könnte man auch mit Fug und Recht behaupten, dass Menschen schon immer etwas zu managen hatten - Clans, Kuhherden oder Königspaläste -, lange bevor der Begriff dafür im 20. Jahrhundert in Umlauf kam. Und dass sich die Menschheit durchboxen musste, im Faustkampf Mann gegen Mann, seit der homo erectus zwei Hände dafür frei hatte.

Boxen und Managen also. Wenn man Autor Kai Hoffmann, Psychotherapeut, Philosoph, Boxer und Berater zuhört, mangelt es gerade Managern in Deutschland am rechten Durchboxwillen. In Amerika und England boomt das "White Collar Boxing" seit Jahren, findet aber auch in deutschen Führungsetagen langsam Zulauf.

So ganz uneinleuchtend klingt es nicht, wenn Hoffmann behauptet, die Erfahrungen aus dem Boxcoaching und den Wettkämpfen amerikanischer und englischer Firmen mit ihren Boxmannschaften im Ring machten klar, dass die Werte des Boxens pragmatischen Nutzen für das Management hätten: Würde, Präzision, Mut, Selbstverantwortung, Zielstrebigkeit, Siegeswille, Ehrlichkeit, Disziplin, Selbstbeherrschung, Beharrlichkeit, Selbsterkenntnis, Autonomie - der Boxring als Ort der Selbstfindung und Führungsseminar.

Gerade das Boxen stelle die Menschenwürde, so paradox es klingen mag, auf ein lebensnahes Fundament zurück. "Der Mensch im Ring, befreit vom Sachzwang unbeherrschbarer Produktionslogiken, erkämpft sich mit den Mitteln seiner Natur Freiheit und Authentizität zurück. Der Boxer hält, was ihm widerspricht, auf Distanz, er rechtfertigt das Leben, kämpft dafür und ist im Recht, weil er sich ganz auf das Leben einlässt - kämpfend und mit so viel Stil wie möglich", meint Hoffmann. Das hört sich nun ganz anders an als es das verbreitete Klischeebild des laienhaften Beobachters vom rohen Brutalo-Sport vermuten ließe.

Warum es deutschen Managern gar nicht schlecht zu Gesicht stünde, öfter mal die Fäuste zu schwingen, legt die Beobachtung nicht nur des Autors nahe: sie hängen noch stark an Werten wie Sicherheit, Konvention und Sachlichkeit. Ihre Scheu vor aktiven Veränderungen macht sich täglich im Beharrungskult vieler Unternehmen bemerkbar. Veränderungen machten Angst, aber wer einmal in den Boxring gestiegen sei, lerne sekundenschnelle Veränderung und vor allem die Angst davor zu schätzen, wie der Beamte seine Arbeitszeiten. Da verwundert es nicht, dass das Boxen in Deutschland bis 1908 öffentlich strikt verboten war, während schon Mitte des 19. Jahrhunderts in England und Amerika Boxmeisterschaften ausgetragen wurden. In deutschen Chefetagen steht das Schattenboxen wohl nach wie vor höher im Kurs.

Neulich trafen wir wieder einmal einen bekannten Berater, der von einem Krisenherd zum nächsten hechelt und sich auch mal Luft machen muss. Sein Klagelied galt den monatlichen "Management-Revues", in denen die Zahlenfriedhöfe der Vergangenheit in großer und teurer Führungsrunde durchleuchtet, Einzelne coram publico niedergemacht, undefinierbare und phantastische Prognosen über den nächsten Monat gewagt und eine Jahres-Hochrechungs-Graphik bewundert würden. "Was getan werden muss, um diese Zahlen zu erreichen, wird in den Meetings, an denen ich teilnehme, nie besprochen." Wer aber keine klaren Vorstellungen von der Zukunft habe, könne seine Kräfte nicht synchronisieren, erfahre Anstrengungen als sinnlos, da im nächsten Moment wieder eine andere Richtung eingeschlagen wird. Der enervierte Berater sagt, zum nächsten Kriseneinsatz nehme er vorsichtshalber mal Boxhandschuhe mit.

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