Suche nach Ausbildungsplatz:Dranbleiben - auch wenn's weh tut

Kein Abschluss, keine Ausbildung - keine Perspektive? Nicht unbedingt: Die Initiative Joblinge unterstützt Jugendliche auf dem Weg in die Arbeitswelt - und weckt ihre Motivation auf eigene Art.

Nora Gohlke

50 Bewerbungen hat Stefanie Kerger auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz geschrieben - als Bürokauffrau, Fotomedienlaborantin, Mediengestalterin. Zweimal wurde sie zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen. Bei beiden erhielt sie eine Absage. Das war vor den Joblingen.

Joblinge Ausbildung Förderung St

Stefanie Kerger in der Werbeagentur Grunwald: Während ihrer Zeit bei den Joblingen hat sie vier verschiedene Praktika absolviert.

(Foto: Nora Gohlke)

Im Konferenzraum der Agentur Grunwald beugt sich die 18-Jährige über ihr Skizzenbuch, in dem Figuren im japanischen Comicstil zu sehen sind. Die Skizzen zeichnet Stefanie Kerger auf ihrem fast zweistündigen Weg quer durch München von Gilching nach Unterföhring, wo sie in der Werbeagentur Grunwald ein Praktikum als Bürokauffrau absolviert.

Den Praktikumsplatz hat sie über die Initiative Joblinge erhalten. Das Programm, das Jugendliche auf ihrem Weg in die Arbeitswelt unterstützt, wurde 2007 von der Eberhard-von-Kuenheim-Stiftung von BMW und der Unternehmensberatung Boston Consulting Group gegründet. Seit 2009 gibt es die Joblinge gemeinnützige AG (gAG) in München.

Nicht einmal einen Schulabschluss

Hier kümmern sich Anja Reinhard und zwei Mitarbeiter um die Jugendlichen, die in der Schule und auf ihrer Suche nach einem Ausbildungsplatz nicht erfolgreich waren. Bisher haben 86 Jugendliche an dem Porgramm in München teilgenommen, 60 davon sind jetzt in der Ausbildung. Die mittlere Reife wie Stefanie Kerger haben lange nicht alle, viele nur einen Hauptschulabschluss, manche auch gar keinen.

Drei Mal im Jahr startet eine Gruppe mit 20 bis 25 neuen Joblingen. Sechs Monate dauert das Programm für die Jugendlichen, die von der Arbeitsvermittlung ARGE an die Initiative vermittelt werden. Wer drei Tage gemeinnützige Projektarbeit durchhält, bekommt einen Vertrag. Danach beginnen Praxisprojekte, Bewerbungs- sowie Kommunikationstrainings.

Joblinge-Regeln sind Basisregeln

Dabei müssen die Joblinge ihren Willen beweisen, in die Arbeitswelt starten zu wollen. "Joblinge-Regeln sind Basisregeln: Zuverlässigkeit, Engagement, aktive Teilnahme, rechtzeitig Entschuldigen. Das sind Dinge, die für die Jugendlichen jedoch oft schwer einzuhalten zu sind", sagt Anja Reinhard.

Im Anschluss absolvieren die Joblinge zwei bis vier Praktika in verschiedenen Unternehmen, für die sie sich selbständig bewerben. Ziel ist es, bei einem dieser potentiellen Arbeitgeber einen Ausbildungsplatz zu bekommen.

Eine Medaille mit zwei Seiten

Ein ehrenamtlicher Mentor begleitet die Jugendlichen. "Gesucht: Menschen, die Mut machen", steht auf der Homepage der Initiative. Die Mentorin Susann Brenssel möchte genau das für ihren Jobling "Steffi" tun.

Joblinge

Der ehemalige Jobling Mico Jovanovic mit seinem Mentor Alexander Mende. Mit Rat, Anerkennung und Ansporn sollen die ehrenamtlichen Mentoren die Jugendlichen auf Jobsuche aktiv begleiten.

(Foto: Joblinge/Ausserhofer)

Die studierte Sonderpädagogin hat selbst vier Kinder und bewundert die Begeisterung, die Kerger für ihr Hobby, das Zeichnen, aufbringt: "Aber die Medaille hat zwei Seiten. Im Jobkontext kann es die Menschen, mit denen sie zusammenarbeitet, auch verwirren - wenn sie das Gefühl bekommen, sie verliert sich in einer Traumwelt und interessiert sich nicht für die Arbeit."

Gemeisam an Fehlern arbeiten

Während ihres zweiten Praktikums in einem Blumenladen war Kergers Chefin unzufrieden mit dem Arbeitseinsatz der 18-Jährigen, Kerger wusste nicht einmal genau warum. Zusammen mit ihrer Mentorin haben sie daraufhin Situationen, die Kerger als kritisch empfunden hat, besprochen, und manchmal auch in Rollenspielen wiederholt. Und sich gemeinsam überlegt: "Wie kannst du mehr Engagement zeigen? Wie oft von deinem Hobby erzählen?"

"Anfangs dachten wir, dass, wenn die Joblinge im Praktikum sind, sie größtenteils allein zurechtkommen. Das ist aber nicht so: Wenn es in das Unternehmen geht, kippen auch ganz viele", weiß auch Reinhard zu berichten.

Der Krise trotzen

Wichtig sei ihr, dass die Jugendlichen ihre Praktika durchhielten. Bei den Joblingen sollen sie lernen: "Ich geh' wohin, ich hab zwar eine Krise, aber ich bleib trotzdem dran - weil ich nicht alleine bin." Denn die Mitarbeiter der gAG sowie die Mentoren stärken den Jugendlichen den Rücken und stehen auch in engem Kontakt zu den Unternehmen.

Ein Problem gibt es jedoch weiterhin: Haben die meist schulisch schwachen Joblinge einen Ausbildungsplatz gefunden, kommen sie dort um die Berufsschule nicht herum. Auch Anja Reinhard gesteht: "Das ist einer der Knackpunkte: Wenn die Jugendlichen einen Ausbildungsplatz haben, sind sie zwar motiviert, trotzdem ist es wichtig, sie weiter zu unterstützen und nicht mit der Situation allein zu lassen." Deshalb will die gAG nun eine halbe Kraft für die Nachbetreuung einstellen.

Kerger wohnt mit ihrem Freund zusammen in dem Haus ihrer Eltern, dort haben sie eine kleine separate Dachwohnung. Ausziehen will sie nicht. Wenn sie einen Ausbildungplatz bekommt, soll sie im Monat einen "Hunderter" Miete beisteuern. Und Kerger will Geld sparen. Um sich ihren Traum zu verwirklichen: einmal nach Japan, der Heimat ihrer Comicfiguren, zu reisen.

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