Studium mit hohem Praxisanteil:Warum das duale Studium ein Erfolgsgarant ist

Im Betrieb die Praxis kennenlernen, an der Hochschule Theorie pauken: Das duale Studium wird für Schulabgänger immer attraktiver. In zehn Jahren hat sich die Zahl der Absolventen verdoppelt. Die Wirtschaft freut es, sie bekommt maßgeschneiderte Absolventen.

Verena Wolff

Bernhard Schreier, Vorstandsvorsitzender der Heidelberger Druckmaschinen AG, hat einen, Hans-Jürgen Büdenbender, Vorstandsmitglied der Sparkassen-Versicherung Sachsen, und Andreas Bernhardt, früherer Vorstandsvorsitzender der Alcatel SEL, auch: Sie alle haben ihren Abschluss an einer Berufsakademie gemacht - und nicht an einer ordentlichen Universität. Die drei Herren sind das beste Beispiel dafür, dass der Weg nach ganz oben nicht immer über akademische Weihen führen muss.

Denn: Nicht jeder Abiturient möchte studieren. Eine Lehre ist vielen dann aber doch zu wenig. Zahlreiche Firmen, vor allem solche aus dem Mittelstand und die Global Player, bieten daher ein duales Studium an - praktisches Lernen im Betrieb und Theorieblöcke an einer Hochschule. Bis vor wenigen Jahren nannte sich das noch "Sonderausbildungen in der Wirtschaft". Inzwischen heißen viele Berufsakademien duale Hochschulen und verleihen den Azubis nach deren erfolgreicher Lernzeit einen staatlich anerkannten Bachelor-Titel. Auch zahlreiche Fachhochschulen bilden duale Studenten in Theorieblöcken aus.

Das duale Studium ist eine klassische Win-win-Situation - sowohl für die Auszubildenden als auch für die Unternehmen. "Die Plätze bei den Unternehmen sind irre begehrt", sagt Helmut Klein vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. Innerhalb des vergangenen Jahrzehnts habe sich die Anzahl derer, die eine solche Ausbildung absolvieren, von 30.000 auf etwa 60.000 verdoppelt. "Es ist für die Firmen ein strategischer Schachzug, die Leute über ein duales Studium zu holen und sie nach ein paar Jahren auf Führungspositionen zu setzen", sagt er. Denn diese haben neben dem fundierten Hintergrundwissen und einem ordentlichen IHK-Abschluss als Geselle weitreichende Einblicke in die verschiedenen Unternehmensbereiche erhalten.

Das bestätigt eine Untersuchung des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB), nach der fast 76 Prozent der befragten Unternehmen an den Absolventen schätzen, dass sie bereits gute Kenntnisse der betrieblichen Abläufe haben. Daher, so die Studie weiter, will fast jedes zweite Unternehmen (45,6 Prozent) alle Absolventen übernehmen, etwas mehr als jedes vierte (27,6 Prozent) immerhin mehr als 75 Prozent von ihnen. Fast 64 Prozent gaben an, dass die dualen Ansolventen besonders selbständig arbeiteten sowie eine hohe Eigenmotivation hätten (55,5 Prozent). Viele loben auch das große Fachwissen (46,5 Prozent) sowie die Teamfähigkeit (45,9 Prozent). Drei Viertel der befragten Firmen (74 Prozent) halten ein duales für qualitativ besser als ein klassisches Studium.

Auch Claus Eckmann, Leiter der Douglas Holding Academy und Personalentwickler bei der Gruppe, zu der neben den Parfümerien auch die Buchhandlung Thalia, der Juwelier Christ und der Süßwarenhändler Hussel gehören, sieht nur Vorteile in dem Modell. "Wir suchen die Fach- und Führungskräfte der Zukunft - und wir bieten ihnen eine fundierte Ausbildung, damit sie dieses Ziel erreichen können." Langweilig, sagt Eckmann, sei wohl keinem der Dualos während der dreijährigen Ausbildung. "Sie müssen schon einiges leisten und auch selbst in ihre Zukunft investieren."

Zwar bekommen die Lehrlinge neben der Ausbildungsvergütung einen Zuschuss zu Studiengebühren und Lebensunterhalt, doch sie lernen auch, dass gute Bildung etwas kostet. "Wir vergeben in besonderen Fällen Stipendien", sagt der Personaler: "An mangelnden finanziellen Mitteln ist bei uns noch niemand gescheitert." Eckmann hat genaue Vorstellungen von den Bewerbern: "Wichtig ist, dass sie ins Unternehmen passen, in den Teams mitspielen können sowie service- und kundenorientiert denken."

Der Mensch muss passen

Das Abitur oder die Fachhochschulreife sind formelle Anforderungen, welche die Hochschule stellt - die Douglas-Gruppe etwa arbeitet mit der FH Brühl bei Köln zusammen. Ansonsten komme es auf den Menschen an: "Manchmal gibt es strubbelige Lebensläufe, die sehr interessant sind." Den Bewerbern wird zunächst mit einem Telefoninterview auf den Zahn gefühlt, dann werden sie zu einem Gespräch in die Zentrale nach Hagen eingeladen und müssen sich am Ende in einem Assessment-Center beweisen.

Die Ausbildungen sind sehr praxisorientiert und verlangen den Lehrlingen mehr ab als eine duale Ausbildung in Betrieb und Berufsschule - aber die Absolventen kommen auch schneller in die Management-Etagen. "Besonders im Mittelstand kann es mit der Karriere sehr schnell gehen", sagt Thorben Schyma, Studienleiter in der Akademie der Wirtschaft in Bremen. Dort gebe es sehr flache Hierarchien, sodass mancher Absolvent schon mit Mitte 20 in der Führungsebene mitmische. Auch Schyma hat festgestellt, dass bei den Unternehmen nicht in erster Linie die Noten der Schulabgänger die wichtigste Rolle spielen. "Die Firmen suchen offene Wesen, die sich für Menschen interessieren und vor allem kommunikationsfähig sind."

Das Studium an den verschiedenen Akademien und Fachhochschulen ist kein berufsbegleitendes, auf diesen Unterschied legen Ausbilder und Personaler größten Wert. In Bremen etwa gliedere sich das sechssemestrige Studium in Theorie und Praxisblöcke - 96 Wochen im Unternehmen sowie 72 Wochen in der Akademie kommen da über die drei Jahre zusammen. "Mit leichtem Vorteil für die Unternehmen, und das ist auch richtig so", sagt Schyma. Denn mit den Dualstudenten werden keine Forscher ausgebildet, sondern pragmatische Macher, die in den Firmen gleich eigene Aufgaben übernehmen können.

Mit der Umstellung auf den allgemein anerkannten Bachelor haben die Studenten noch einen großen Vorteil: "Wenn sie sich im Verlauf ihres Berufslebens spezialisieren und sich noch weiteres Wissen aneignen wollen, können sie einen Master aufsatteln", sagt Eckmann. Klassischerweise werden an den Hochschulen und Akademien Kaufleute, Wirtschaftsinformatiker, Industrietechnologen und eine ganze Reihe weiterer Spezialisten ausgebildet - doch der Fokus der Unternehmen liegt meist auf den betriebswirtschaftlichen Studiengängen.

Die Studenten profitieren nicht nur während der Ausbildung davon, dass sie ein Gehalt bekommen. Auch auf lange Sicht sind sie nicht schlechter gestellt als die Kollegen, die mit einem Uni-Bachelor oder Diplom in die Unternehmen einsteigen. "Nach dem Studienabschluss kann ein Bachelor von der Fachhochschule mit einem Durchschnittsgehalt von 41.000 Euro rechnen", sagt Désirée Heiden, die bei der Unternehmensberatung Kienbaum die Vergütungen der High Potentials untersucht hat.

Claus Eckmann von der Douglas-Gruppe sagt zwar, dass nach Abschluss des dualen Studiums "die Uhr wieder auf null gestellt wird" - dann gehe es für die Berufseinsteiger darum, sich durch Leistung zu profilieren. Doch er sagt auch, dass die Absolventen oft schneller befördert würden - "denn sie müssen sich ja im Unternehmen nicht mehr sozialisieren". Für Studienleiter Schyma haben die Absolventen, auch was die Vergütung betreffe, einen Vorsprung von drei Jahren - denn die allgemeinen Bachelors von den Unis müssten erst noch lernen, sich im Unternehmen zu bewegen, während die Absolventen gleich eingesetzt werden könnten. Und: "Ein Unternehmen, das sich diese Ausbildungen leisten kann, hat einen guten Stand am Markt und zahlt in der Regel gute Gehälter."

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