Studium:Im Schatten der Elite

Verhätschelte Edel-Institute, verlotterte Massenfächer: In Deutschland entsteht ein neues Bildungsgefälle. Pech für alle, die nicht mithalten können.

Tanjev Schultz

Willkommen an unserer Spitzen-Universität: Bei uns werden freie Professuren jahrelang nicht besetzt, in Seminaren hocken Sie zusammen mit hundert Kommilitonen und dösen während endloser Gruppenreferate vor sich hin. Nach einem Prüfer für Ihre Abschlussarbeit müssen Sie händeringend suchen.

Überfüllter Hörsaal

Ein Prof auf 100 Studenten: überfüllter Hörsaal an der Uni Karlsruhe.

(Foto: Foto: dpa)

So sieht es aus, wenn eine Uni ihre Mängel verwaltet. Zum Beispiel in Berlin-Lankwitz: Wer sich in diese triste Dependance der Freien Universität (FU) wagt, gewinnt den Eindruck, hier breche eine Hochschule bald zusammen. Baulich, mental, finanziell. Rund 2500 Publizistik-Studenten werden auf dem abgelegenen Gelände unterrichtet, fernab vom Haupt-Campus. Seit Monaten fehlen Professoren, fehlen Perspektiven.

In Lankwitz lässt sich die sieche deutsche Massen-Universität besichtigen. Sie steht abseits, wenn Rektoren, Studenten und Wissenschaftler vom Aufstieg in die erste akademische Weltliga träumen. Sie steht im Schatten der Leuchttürme, die Politik und Uni-Leitungen derzeit errichten.

Die FU ist eine von zehn Hochschulen, die sich Hoffnungen auf den Titel "Elite-Uni" machen. In der ersten Staffel des Exzellenz-Wettbewerbs, den Bund und Länder mit fast zwei Milliarden Euro ausgestattet haben, ist sie in die Endrunde vorgerückt; im Herbst sollen die ersten deutschen Spitzen-Hochschulen gekürt werden. Außer der FU sind die beiden Münchner Unis, Aachen, Bremen, Heidelberg, Freiburg, Karlsruhe, Tübingen und Würzburg weiter im Rennen. Andere Hochschulen haben zumindest noch Chancen auf Geld für Forschungsverbünde ("Exzellenz-Cluster") und für Graduiertenschulen zur Ausbildung ihrer Doktoranden.

Der Wettbewerb hat viele Wissenschaftler beflügelt. Er verheißt Ruhm und Geld und hat neuen Schwung in die Universitäten gebracht. Aber nicht alle - vor allem: nicht alle, die es verdient hätten - können am Ende davon profitieren. Was nicht ist, kann ja noch werden. Aber dann werden auch Standorte wie Berlin-Lankwitz eine faire Chance bekommen müssen. Je stärker einzelne Institute in Zukunft strahlen, desto sichtbarer werden die Problemzonen. Mit dem schärferen wissenschaftlichen Wettbewerb wird das Gefälle immer größer: innerhalb einer Uni, in der manche Disziplinen und Mitarbeiter plötzlich über sehr viel mehr Mittel und Ansehen verfügen als andere; zwischen den Hochschulen, von denen kleinere wie Bamberg oder Greifswald weniger Möglichkeiten haben, schlagkräftige Forscherteams zu bilden; und zwischen den Ländern, von denen die finanz- und forschungsstarken im Süden immer stärker werden, während vor allem der Osten darbt.

Die lange vernachlässigte Förderung einer akademischen Spitze wird fragwürdig und kann leicht scheitern, wenn die Hochschulen in der Breite verlottern. Das derzeitige Finanzierungssystem für Studienplätze und Hochschulbauten benachteiligt die finanzschwachen Bundesländer. Baden-Württemberg dagegen reüssiert in der Forschung und wird dafür belohnt; für Studenten stellt das Land jedoch weniger Studienplätze bereit als es seinem Anteil an Studieninteressenten entspricht. Die Hochschulen in Rheinland-Pfalz oder Hamburg nehmen viele Studenten aus anderen Regionen auf - die Kosten dafür werden jedoch nicht ausgeglichen.

Der Ausbau der Studienplätze ist eine Aufgabe für alle Bundesländer und für alle Fächer. Sonst wird es am Ende ein paar Edel-Unis im Süden geben, an denen vor allem Naturwissenschaftler und Ingenieure teure Labors und eine individuelle Betreuung vorfinden - und viele überlaufene Institute im Rest der Republik, wo sich genügsame Juristen, Geistes- und Sozialwissenschaftler in den Hörsälen drängeln.

In Massenfächern ist ein Professor heute für mehrere hundert Studenten zuständig. Er wird viel darum geben, sich für längere Zeit in ein reines Forschungsinstitut zurückziehen zu dürfen, wie es jetzt etliche Universitäten mit Mitteln aus dem Exzellenz-Wettbewerb gründen wollen. Damit die Lehre nicht unter dem bevorstehenden Andrang der letzten geburtenstarken Jahrgänge kollabiert, brauchen die Hochschulen so rasch wie möglich mehr Professoren und Dozenten. Und sie brauchen mehr Anreize, eine hervorragende Lehre und Betreuung der Studenten anzubieten.

Es gibt Länder, die Studiengebühren einführen wollen, die den Hochschulen zugute kommen sollen. So entsteht auch hier ein neues Gefälle: zwischen den Bundesländern, von denen die einen mit Gebührenfreiheit und die anderen mit einer besseren Betreuung werben. Und zwischen einigen wohlhabenden Studenten, denen die Eltern ohne Murren 500 Euro im Semester zusätzlich zahlen - und der Masse der Studenten, die noch mehr jobben oder ein Darlehen aufnehmen müssen, dessen Rückzahlung sie später zu einer Zeit belasten wird, in der sie für ihre Kinder die Krippenplätze bezahlen und privat für ihre Rente vorsorgen sollen.

Studenten werden dann noch mehr darauf achten, was ihnen eine Hochschule bietet. Sie werden sich an den Leuchttürmen orientieren, die nicht nur erstklassige Forscher haben, sondern auch Wert auf gute Lehre legen. Die heute etablierten Rankings waren nur Vorboten - in den kommenden Monaten und Jahren werden die deutschen Hochschulen heftig wie nie um Reputation und Ausstattung ringen. Wer im kühlen Schatten steht, muss sich warm anziehen.

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