Studieren in der Arbeit:Bildung für bessere Bilanzen

"Corporate Universities" bilden praxisnah aus. Forschung betreiben sie nur, sofern sie dem Firmenwohl dient.

Chris Löwer

(SZ vom 21.6.2003) Schnelles Studium, blendender Abschluss, doch bei der Stellensuche nichts als Absagen. Oder: Viele Jahre in der Firma, regelmäßig Weiterbildungen, trotzdem nicht up to date - und abgesägt. Weder ein Studium noch der Wille zur Weiterbildung garantieren Erfolg im Beruf. Ob an der Uni oder in kostspieligen Wochenendseminaren - in den Augen vieler Personalleiter wird allzu oft am Bedarf vorbei ausgebildet. Viele Unternehmen gründen daher eigene Bildungseinrichtungen, so genannte Corporate Universities. Diese Firmen-Unis bieten weit mehr als nur interne Qualifikation.

Was machbar ist

Besonders für Berufseinsteiger ist eine firmennahe Ausbildung ein sicheres Aufstiegsticket. So verfolgt der Frankfurter Anlagenbau- und Chemiekonzern MG Technologies das Ziel, langfristig 70 Prozent seiner freien Führungskräftestellen intern zu besetzen. Ermöglichen soll das die MG Academy, an der das Unternehmen seine künftigen Manager ausbildet.

Anders der Ansatz des Hasso-Plattner-Instituts, eine Lehreinrichtung für Softwaresystemtechnik. Hier werden in erster Linie Fachkräfte ausgebildet, als Kür folgen die Führungskräfte. Vor drei Jahren startete die An-Gründung der Universität Potsdam, weil sich SAP-Gründer Hasso Plattner über die Programme von Informatik-Absolventen ärgerte, die ihm oft so übersichtlich erschienen wie Spaghetti Carbonara. Die verquere Logik der diplomierten Entwickler führte dazu, dass im Hause SAP hoffnungsvolle Hochschulabsolventen kaum Chancen hatten. "Jahrelang haben wir keine Informatiker eingestellt", sagt Plattner, "die waren alle zu theoretisch, hatten keine Vorstellung davon, was machbar ist und was nicht".

Alte Kurse unter neuem Label

Plattner stiftete 100 Millionen Mark für die Firmen-Uni mit 80 Studienplätzen. Nach sieben Semestern schließen die Software-Experten mit dem Bachelor-Grad ab, nach drei weiteren Semestern können sie den Master erwerben, ein Titel, der sie zur Führungskraft qualifizieren soll. Die Ausbildung ist praxisnah, denn das Institut verzichtet weitgehend auf Lehrkräfte, die allein im Elfenbeinturm Universität gereift sind, und beruft lieber Fachleute aus der Industrie.

Im Bundesbildungsministerium hegt man Bedenken gegenüber reinen Firmen-Unis, obgleich die Nähe von Theorie und Praxis grundsätzlich begrüßt wird. "Berufsakademien und Kooperationen zwischen Universitäten und Unternehmen, wie etwa zwischen der Fachhochschule Osnabrück und der Karmann GmbH, machen Sinn", sagt Ministeriumssprecher Peter Ziegler. "Fraglich ist jedoch, ob Universitäten von Unternehmen mehr leisten können als sonstige Bildungseinrichtungen. Das muss sich noch erweisen, dafür sind die Einrichtungen noch zu jung."

1998 gründeten DaimlerChrysler und Lufthansa die ersten Firmen-Universitäten in Deutschland. Die Deutsche Bank, Merck, Schering und Siemens zogen nach. VW plant eine Auto-Uni, die staatlich anerkannte Abschlüsse verleiht. Der 250 Millionen Euro teure Campus in Wolfsburg soll im nächsten Jahr für 3000 Studierende eröffnen und zur Kaderschmiede für den Führungsnachwuchs im Fahrzeugbau werden.

Die Eschborner Personalberatung Consensus Consulting hat nachgezählt: Während es in den USA 1600 Corporate Universities gibt, bieten in Deutschland 47 Firmen-Unis ihre Dienste an. Wobei einige nur ihr steinaltes Seminarangebot unter dem schicken Label gebündelt haben. Das fürchtet auch Ministeriumssprecher Ziegler: "Zu fragen ist immer, ob es nicht bloß um eine betriebseigene Weiterbildungseinrichtung handelt. Das wäre dann Etikettenschwindel."

Am Bedarf orientiert

Bei Unternehmen wie Daimler Chrysler ist das nicht der Fall: Hier wird in enger Kooperation mit der Harvard Business School oder dem International Institute for Management Development in Lausanne gelernt. Solche Kooperationen führen zu anerkannten Abschlüssen, was gerade für Ein- und Aufsteiger wichtig ist, die sich nicht ein Leben lang an eine Firma ketten wollen. Der Darmstädter Pharma-Konzern Merck bietet zum Beispiel berufsbegleitende MBA-Studiengänge für den Führungsnachwuchs an.

Für die Absolventen ist es oft von Vorteil, dass sie nicht abstrakt, sondern anhand firmenrelevanter Fragen lernen. Ihr Wissen und ihre Ideen finden unmittelbar Eingang in den Unternehmensalltag. "Die arbeitsplatznahe Ausbildung und der große Praxisbezug sind auch aus Mitarbeitersicht förderlich", sagt Birgit Giesen, Geschäftsführerin des Kölner Staufenbiel-Instituts. Daraus kann aber auch ein Nachteil erwachsen. "Bei einem Wechsel kann das für Schwierigkeiten sorgen", gibt Giesen zu bedenken. "Man muss sich im Klaren darüber sein, dass nach dem speziellen Bedarf eines Unternehmens ausgebildet wird, was die Wahlfächer deutlich reduziert, und Forschung kaum stattfindet." Wenig hilfreich ist es auch, wenn ein Bildungsinstitut nur aus Prestige-Gründen unterhalten wird und sich die Marketingabteilung mit der vermeintlichen Uni im Namen des Vorstandes schmückt.

Bildung im Namen des Burger

16.000 Mitarbeiter bilden sich jährlich in Deutschland an der McDonald's Hamburger University weiter. Sicher, die meisten haben weder einen Hochschulabschluss, noch können sie einen solchen erwerben. Doch es gehört zur Firmen-Philosophie, sich vom Bulettenbrater zum Big Boss hochzuarbeiten. So wie das bei Adriaan Hendrikx, Managing Director für Deutschland, der Fall war.

Die Fastfood-Firma legt großen Wert darauf, dass ambitionierte Mitarbeiter gewissermaßen im eigenen Saft schmoren, BWL und Personalführung zwischen Friteuse und Campuskantine lernen. "Wir bilden nun mal so spezifisch aus, wie es sonst niemand tun würde", begründet Unternehmenssprecher Frank Bleker den Bildungsauftrag im Namen des Burgers. Auch wenn dabei kein "Master of McDonald's" zu erreichen ist.

Sogar der Mittelstand hat inzwischen die nicht ganz billige hauseigene Qualifizierung entdeckt. So werden demnächst zehn Firmen des bayerischen "Unternehmerverbund mittelständischer Unternehmen in der Region Oberpfalz" ihre Führungskräfte, und solche, die es werden wollen, in einer gemeinsamen Firmen-Uni ausbilden.

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