Studiengebühren:Wie Universitäten das Geld der Studenten verheizen

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Studiengebühren sollen helfen, die Studienbedingungen zu verbessern. Manche Unis decken mit den Einnahmen jedoch lieber ihre Energiekosten - oder geben das Geld gar nicht erst aus. Die Lehre verbessert sich dadurch nicht. Das soll sich nun ändern.

Johann Osel

Ihre Gebühren sollen "verheizt" werden - da waren sich die Ulmer Studenten damals, im Winter 2007, sicher. Und sie meinten das nicht bildlich gesprochen: Zuvor waren Pläne bekanntgeworden, dass die Universität mit dem studentischen Geld, das ja zur Verbesserung der Lehre gedacht ist, Energiekosten bezahlen will. Die schmalen Etats erfordern das, sonst müssten die Studenten im Hörsaal bibbern, hieß es sinngemäß.

Wofür die Studiengebühren der Studenten verwendet werden, entscheiden die Universitäten. Nicht immer fließt das Geld in die Lehre. (Foto: lok)

Bei einer Protestaktion überreichten Studenten dann Holzscheite als "Energiespende" an die Hochschulleitung, Professoren schwangen sich auf die Pedale eines Fahrrad-Generators. Letztlich ließ man von der Zweckentfremdung ab, andere Hochschulen wie Mannheim, die derlei auch erwogen hatten, folgten.

In Zeiten chronischer Unterfinanzierung wird es für Uni-Chefs offenbar schwierig, eine klare Trennlinie zu ziehen zwischen der Grundausstattung, also der Kernaufgabe des Staates, und möglichen Zusatzleistungen durch die Gebühren.

Nun hat Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer angekündigt - trotz umgehenden Lamentos in der CSU - die "Zweckmäßigkeit" der Gebühren genauer zu prüfen. Er könne dies gerne tun, meint Florian Pranghe vom studentischen Dachverband fzs. "Seehofer wird dann feststellen müssen, dass diese oftmals in die Finanzierung des Status quo fließen oder gar nicht erst ausgegeben worden sind."

Die Debatte ist neu entfacht, obwohl Gebühren ein Auslaufmodell sind: Durch die Machtwechsel werden sie bald in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Hamburg fallen; es bleiben Bayern und Niedersachsen, die ihre Studenten mit meist 500 Euro pro Semester zur Kasse zu bitten.

Mit dem Geld sollen die Studienbedingungen verbessert werden - das lässt Raum für Interpretationen. Bundesweit wurden immer wieder problematische Fälle bekannt, teils wurde deren Umsetzung nach Protesten verhindert: Zuschüsse für den 0815-Betrieb, für Verwaltung oder Mähdrescher; in Passau wollte man gar eine Tiefgarage sanieren. Strittig ist zudem, wenn Professuren entstehen, die sich vor allem der Forschung widmen - davon hat der Student wenig.

Und es ist Studentenvertretern zufolge vielerorts üblich, bisherige Ausgaben für Seminare zu streichen und diese aus Gebühren zu bezahlen. Der Etat wird so entlastet, Studenten zahlen indirekt etwa für Strom. Für sie ist es ohnehin oft kaum durchschaubar, wohin ihr Geld fließt. Offiziell müssen sie angemessen an der Entscheidung beteiligt werden; konkret reicht das von fair besetzten Gremien bis hin zur bloßen Beratungsfunktion.

In der Kritik steht auch immer wieder, dass die Hochschulen das Geld horten. Ende 2010 war ein Brief des bayerischen Ministers Wolfgang Heubisch (FDP) an die Hochschulleitungen publik geworden, in dem er "einen zeitnahen und vollständigen Mittelabfluss" anmahnte - um "die politische Unterstützung für die Erhebung der Studienbeiträge nicht zu gefährden".

Spagat für die Unis

Von einem "Spagat" für die Unis spricht Ulrich Müller vom Centrum für Hochschulentwicklung: Einerseits müssten sie das Geld zügig ausgeben, damit die Studenten den Effekt spüren; andererseits sei es in den ersten Gebührenjahren eher um akute Probleme wie Videoprojektoren für Hörsäle gegangen, inzwischen stünden strategische Planungen mit höherem Volumen an. Müller rät den Unis daher, "die Zweckbindung von Rücklagen explizit zu erklären".

Die Hochschule Aalen hat Transparenz mal mit Aufklebern "Finanziert aus Gebühren" geschaffen, etwa auf neuen Geräten. Denn natürlich haben die Beiträge vielerorts Verbesserungen gebracht: zusätzliche Dozenten, Tutorien, Sprachkurse, Karrieretrainings, Bibliotheken können bis in die Nacht öffnen. Jedoch verweisen Gebührengegner darauf, dass eine solche bestmögliche Ausstattung eben Aufgabe des Staates sei.

In Niedersachsen verursacht die Debatte in Bayern Unruhe. Der Präsident der Universität Hannover, Erich Barke, forderte eine bundeseinheitliche Regel: "Ein Land wie die Bundesrepublik muss sich entscheiden, was beim Thema Bildung kostenlos sein soll und wofür bezahlt werden muss. So etwas darf nicht von der politischen Farbenlehre in den Ländern abhängen."

Warnung vor einem "kalten Ausstieg"

Knackpunkt einer Gebührenabschaffung ist, egal wo, die Kompensation durch den Staat. In NRW, wo die jährlichen Gebühren zuletzt 280 Millionen Euro betrugen, warnten die Unis vor einem "kalten Ausstieg", der das System "in die Steinzeit zurückkatapultieren" würde. Studentenvertreter sehen solche Aussagen freilich als "Beweis dafür, dass die Gebühren für die Unis längst zum Grundstock geworden sind".

© SZ vom 18.07.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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