Studiengebühren:Lauter kleine Westerwelles

Die Union versucht, Studiengebühren als zumutbare Investition in die eigene Karriere darzustellen. Doch viele Studenten müssen bereits strampeln, um ihre Miete bezahlen zu können.

Tanjev Schultz

Auf diesen Tag haben die Studenten gewartet. An diesem Mittwoch will die SPD beweisen, wie ernst ihr der Widerstand gegen Studiengebühren ist. Gemeinsam mit den Grünen will sie in Hessen einen Antrag ins Parlament einbringen, der Roland Koch zwingen soll, die unpopulären Semesterbeiträge abzuschaffen. In keinem anderen Bundesland war der Protest der Studenten gegen die Gebühren so heftig wie in Hessen. Koch stellte sich taub und trieb so auch gemäßigte junge Leute nach links.

Studiengebühren, ap

Die hessische SPD vertritt ein radikales Gratismodell: Sie will die Gebühren für Erststudierende und Langzeitstudenten abschaffen.

(Foto: Foto: ap)

Seit langem versucht die Union, Studiengebühren als zumutbare Investition in die eigene Karriere darzustellen. Doch viele Studenten müssen bereits strampeln, um ihre Miete bezahlen zu können. Verglichen mit den oft horrenden Kosten für einen Kindergartenplatz wirken die 1000 Euro im Jahr, die ein Student zahlen muss, zwar eher harmlos. Aber wenn die Eltern das Geld nicht vorstrecken, und der Student ein Darlehen aufnimmt, steht er später mit hohen Schulden da. Das schreckt vor allem jene ab, die es ohnehin zu selten an eine Uni schaffen: die Kinder der Arbeiter und Arbeitslosen.

Radikales Gratismodell

Um sich als große Studenten-Partei zu profilieren, zahlt die SPD in Hessen nun aber einen hohen politischen Preis. Sie muss auf die Stimmen der Linken setzen, ohne sie gibt es keine Mehrheit. Im Vergleich zu anderen Landesverbänden vertritt die Hessen-SPD auch ein sehr radikales Gratismodell. Sie will nämlich sogar bei Langzeitstudenten auf Gebühren verzichten, obwohl diese ein sinnvolles Signal sein können, sich bitte nicht gar zu bequem im Hörsaal einzurichten.

Um bei Studenten dauerhaft zu punkten, wird es nicht ausreichen, flugs alle Gebühren zu streichen. Die Unis brauchen ja das Geld. Wenn Service und Ausstattung so verlottern, wie dies auch unter SPD-Regierungen der Fall war, wachsen die Zweifel, ob der Staat seiner Verantwortung als Finanzier der Hochschulen gewachsen ist. Die SPD muss beweisen, dass sie den Unis einen Verlust der Gebühren wirklich auf Dauer ausgleichen kann. Sonst blamiert sie sich.

Bildung als öffentliches Gut

In Hamburg reift derweil ein Modell, mit dem die Union versuchen könnte, ihr kaltherziges Kassierer-Image loszuwerden: Die Gebühren sollen erst nach Ende des Studiums fällig werden und nur dann, wenn die Absolventen genug verdienen. So entfielen Zinsen und der Griff ins Portemonnaie der Eltern. Gegen diese Akademiker-Abgabe spricht aber immer noch, dass Bildung ein öffentliches Gut ist, bei dem man nicht die individuelle Nutzung abrechnet.

Will man denn, dass es bei den Bildungskosten zugeht wie in einer WG, in der lauter kleine Westerwelles wohnen, die sich gegenseitig vorrechnen, wer wie viel Strom verbraucht hat? Die Ausbildung von Akademikern ist eine Aufgabe, die die Gesellschaft solidarisch tragen muss. Um zu verhindern, dass Krankenschwestern und Verkäufer das Studium der Ärzte und Manager finanzieren, helfen Studiengebühren nicht. Dazu braucht es ein gerechtes Steuersystem.

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