Studienabschluss wird 111 Jahre alt:Lang lebe der Dipl.-Ing.!

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Jahrzehntelang galt er als deutsches Qualitätsprodukt, dann sollte er im Rahmen der Bologna-Reform dem "Master of Science" weichen. Jetzt feiert der Diplom-Ingenieur Geburtstag. Und seine Verteidiger machen mobil.

Maria Holzmüller

Wo Dipl.-Ing. draufsteht, ist deutsche Qualität drin. Das war lange Zeit die übereinstimmende Meinung weltweit, wenn es um den deutschen Studienabschluss ging. Verständlich also, dass sich Ingenieure und Hochschule mit Händen und Füßen dagegen wehrten, im Zuge der Bologna-Reform ihres ureigenen Titels beraubt zu werden. Im Rahmen der Angleichung der Studiengänge sollte aus dem Diplom-Ingenieur ein global anerkannter "Master of Science" werden. Und wurde es auch - zumindest vorübergehend.

Darf er bleiben oder muss er gehen? Jetzt feiert der Diplom Ingenieur erst einmal Geburtstag. (Foto: Nestor Bachmann/dpa)

Man hatte die Rechung ohne die Technischen Universitäten gemacht. Der Widerstand gegen die Reformpläne war von Anfang an groß, zehn Jahre nach der Einführung der Bachelor- und Masterstudiengänge verkündete der designierte Rektor der TU Dresden, Hans Müller-Steinhagen: "Es besteht Einigkeit darüber, dass jeder, der ein entsprechendes fünfjähriges Studium absolviert hat, den Titel Diplom-Ingenieur führen darf." Da war er wieder, der Dipl.-Ing. Noch gar nicht richtig weg, und schon wieder da - jedenfalls wenn es nach dem Verband der neun größten Technischen Universitäten in Deutschland, den TU9, geht. Politische Entscheidungen lassen noch auf sich warten.

Derweil machen die TU9 mobil. Aufmerksamkeit für den bedrohten Studienabschluss muss her. Da kommt der heutige Montag gerade recht. Der Dipl.-Ing. feiert Geburtstag. Eine Schnapszahl ist es: 111 Jahre ist der Abschluss alt.

Dem Anlass gebührend gratulieren die TU9 mit einer eigenen Publikation: "Glückwunsch Dipl.-Ing.! Ein Gütesiegel made in Germany wird 111 Jahre alt" - im Handel erhältlich für 24,80 Euro. Darin holen sich die Honoratioren der Technischen Unis Verstärkung von einem, der sonst eher den schönen Worten zugewandt ist. Sprachkritiker Wolf Schneider schreibt zur "Strahlkraft der Marke Dipl.-Ing." und vergleicht ihn mit Namen wie Gucci, Armani oder Coca-Cola, die sich auch nicht einfach in Schmit oder Schulze umbenennen lassen.

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Vor allem sei die Umbenennung des Dip.-Ing. völlig unnötig, betont Schneider: "Die Reform ist ja durchaus vernünftig, alle akademischen Abschlüsse soll sie international vergleichbar machen, und alle deutschen Universitäten ziehen mit. Nur: Dass zusammen mit der Einführung des Master of Science der deutsche Titel Dipl.-Ing. verschwinden soll, das wurde in Bologna gar nicht verlangt."

Pompöse Festschrift zu Ehren des Dipl. Ing.: Ein Studienabschluss feiert seinen 111. Geburtstag und die technischen Universitäten gratulieren. (Foto: dpa)

Und Wolf Schneider bleibt nicht der einzige Gratulant, der mit einem Plädoyer die Existenzberechtiung des Dipl.-Ing. untermauert . Dieter Zetsche, Vorsitzender des Vorstands der Daimler AG, selbst Dr. Ing. vergleicht den Dipl.-Ing. vor dem Namen mit dem Stern auf der Haube, Dr. Ing. Wolfgang Reitzle, Vorsitzender des Vorstands der Linde AG nenn den Dipl.-Ing. seinen ersten und wichtigsten akademischen Grad.

Die geschlossene Front gegen die Abschaffung des Titels "Dipl.-Ing." wächst , an prominenter Unterstützung mangelt es den TU9 nicht. Deren Präsident Prof. Dr. Ing. Ernst Schmachtenberg führt den Protest dann auch auf der eigenen Webseite weiter: "111 Jahre Diplom-Ingenieur sind noch lange nicht genug", heißt es da.

Bei so viel Lob kann ja eigentlich nichts mehr schiefgehen - zumindest bis die ersten "Master of Science"-Absolventen an der Spitze der großen Unternehmen stehen. Ob sie ihrem Titel zum Geburtstag ebenfalls eine Laudatio halten werden, wird sich zeigen. Ein Generationenkonflikt auf akademischer Ebene ist nicht auszuschließen.

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