Studienabschluss: Studenten haben die Wahl:Comeback des Dipl.-Ing.

Wer will schon einen Bachelor oder Master? In Mecklenburg-Vorpommern sollen Studenten bald wieder wählen dürfen, welchen Studienabschluss sie bekommen. Das sorgt für Wirbel.

Tanjev Schultz

Das "Diplom" erlebt als Abschluss eine Renaissance. Zwar sind die meisten Studiengänge in Deutschland mittlerweile auf die neuen Abschlüsse Bachelor und Master umgestellt - wie es im Zuge der Bologna-Reform vorgesehen ist. In Mecklenburg-Vorpommern soll den Studenten aber nun im neuen Hochschulgesetz eine Wahl eingeräumt werden. Sie könnten sich dann zwischen Master und Diplom entscheiden. Das Gesetz wird kommende Woche im Landtag zur Abstimmung gebracht - und löst bereits jetzt heftige Reaktionen aus.

Gruppenbild vor Brandenburger Tor zum Studienabschluss

Von wegen Bachelor oder Master! In Mecklenburg-Vorpommern soll es bald wieder den Diplom-Ingenieur geben.

(Foto: ddp)

Vor einem "erheblichen hochschulpolitischen Schaden", neuen Mobilitätshürden und einer Isolation des Bundeslands warnen die Spitzenverbände der Wirtschaft gemeinsam mit der IG Metall und dem Stifterverband. Niemand könne sich einen "Flickenteppich der Qualifikationen" wünschen. Die Organisationen appellieren an die Abgeordneten, einen Sonderweg abzulehnen.

Beifall kommt dagegen vom Verband der neun größten Technischen Universitäten in Deutschland (TU9). Er gratuliere zu einem mutigen Gesetzentwurf, sagte der Rektor der Technischen Hochschule Aachen, Ernst Schmachtenberg. Mecklenburg-Vorpommern nehme damit eine Vorreiterrolle im Ringen um den Erhalt einer weltweit anerkannten Marke ein: des Diploms. Das Bundesland verschaffe sich einen beneidenswerten Wettbewerbsvorteil.

Vor allem viele Ingenieure würden gern am Diplom festhalten. An der Technischen Universität Dresden können sich Studenten deshalb weiterhin für ein Diplom einschreiben. In Mecklenburg-Vorpommern ist derzeit an der Universität Greifswald außerdem noch ein wirtschaftswissenschaftliches Diplom-Studium möglich. Der Gesetzentwurf bezieht sich zunächst nur auf die Bezeichnung des Abschlusses und geht auch bei der Wahl des Diploms von einem "modularisierten" Studium aus. Die neuen Bachelor- und Master-Angebote sind in solche fachlichen Module unterteilt. Das Vordiplom entfällt, stattdessen gibt es laufend Modulprüfungen, die in den Abschluss und damit die Endnote einfließen.

In Greifswald beharren die Wirtschaftswissenschaftler bisher ganz auf dem traditionellen Studienmodell und wehren sich gegen die sogenannte Modularisierung. Die Wiedereinführung des Diploms in der Gesetzesnovelle sei teilweise ein "Etikettenschwindel", sagt deshalb der Greifswalder Ökonomie-Professor Roland Rollberg. Ein Rechtsgutachten des Greifswalder Juristen Claus Dieter Classen sieht keine rechtliche Verpflichtung für ein Bundesland, herkömmliche Diplom-Studiengänge abzuschaffen. Sonderregeln gelten ohnehin für Fächer wie Medizin, Jura und die Lehrämter, die meist weiterhin mit einem Staatsexamen abgeschlossen werden und bisher nur zum Teil an die neue gestufte Studienstruktur angepasst worden sind.

Viele Ingenieure wären schon zufrieden, wenn sie einfach beim Diplom als bloße Bezeichnung bleiben könnten. Die TU9 verweist auf Länder wie Finnland und Frankreich, in denen es trotz Reform weiterhin den Abschluss des Diplom-Ingenieurs gebe. In Österreich erlaube sogar ein Bundesgesetz ausdrücklich, diesen Titel beizubehalten. Der Verein Deutscher Ingenieure stellt sich dagegen hinter Bachelor und Master - und hat die Warnung vor dem neuen Gesetz in Mecklenburg-Vorpommern mitunterzeichnet.

Nach Angaben der Hochschulrektorenkonferenz führen bereits 82 Prozent aller Studiengänge in Deutschland zu den Abschlüssen Bachelor oder Master. Ausnahmen finden sich überwiegend bei Fächern mit Staatsexamen. Sollten andere dem Beispiel Mecklenburg-Vorpommern folgen, könnten künftig wieder mehr Studenten mit "Diplom" die Uni verlassen.

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