Studie zur Schulbildung:Neuer Test, das alte Lied

Um nationale Bildungsstandards tatsächlich zu erreichen, müssen endlich die Schulen unterstützt werden. Vom Testen alleine werden die Schüler nicht schlau.

Tanjev Schultz

Vom Wiegen wird die Sau nicht fett und ein Schüler allein vom Testen noch nicht schlau. Im neuen Bundesländer-Vergleich ist vieles so, wie man es im Jahre 10 n.P., zehn Jahre nach der ersten Pisa-Studie, mittlerweile kennt: Die Länder im Süden schneiden recht gut ab. In Bremen, Berlin und Brandenburg scheitern dagegen viele Jugendliche bereits an einfachen Aufgaben. Ernüchternd ist, dass es im Lesen bundesweit wenig Fortschritte gibt. Die Förderung der schwachen Schüler, der Kinder von Migranten und von Alleinerziehenden, die wenig Zeit und Geld für private Nachhilfe haben, ist noch immer der große Schwachpunkt im deutschen Bildungssystem.

Laender wollen schwache Schueler foerdern und Lehrer besser ausbilden

Schulen dürfen mit ihren Problemen nicht allein gelassen werden.

(Foto: ddp)

Viel Energie ist mittlerweile in aufwendige Studien und in die Konstruktion der neuen Bildungsstandards geflossen. Das alles war durchaus notwendig, denn der bildungspolitische Blindflug, den man sich früher erlaubt hatte, führte das Land in eben jene Misere, die in den Studien zu beklagen war. Die Bildungsstandards bilden nun zumindest eine lose Klammer im föderal zersplitterten Schulsystem. Zu wenig ist jedoch bisher dafür getan worden, dass die Lehrer fortgebildet werden und die Standards wirklich im Unterricht greifen. Vor allem aber müssten Schulen, in denen es besonders viele leistungsschwache Schüler gibt, endlich die Mittel und die Hilfe bekommen, die sie brauchen, um besser zu werden. Es fehlen Förderstunden und zusätzliche Pädagogen, Sprachlehrer und Psychologen, die sich intensiv um einzelne Jugendliche kümmern. Lässt man die Schulen mit ihren Problemen allein, haben die Tests nur einen Effekt: Dass in Ländern wie Bremen Frust und Resignation überhandnehmen.

Es kann ja niemanden überraschen, wenn in den Stadtstaaten, in denen die sozialen Probleme besonders drückend sind, die Lehrer vor größeren Herausforderungen stehen als etwa im idyllischen Starnberg. Das Ranking der Bundesländer darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es auch innerhalb jedes Landes erhebliche Unterschiede zwischen den Regionen und zwischen einzelnen Schulen gibt. Bremen müsste sich so gesehen eher mit Nürnberg oder Frankfurt messen als mit Bayern und Hessen.

In Deutschland befeuert jede Studie die leidige, aber dennoch immer wieder leidenschaftlich geführte Debatte über die richtige Schulstruktur. Die Daten sind in dieser Frage jedoch nicht eindeutig und die Gründe für erfolgreichen Unterricht so komplex, dass kein Patentrezept existiert. Kanada und Finnland haben ein integratives Schulsystem, in dem es gelingt, gute Leistungen und sozialen Ausgleich miteinander zu verbinden. Länder wie die USA schaffen das nicht. Und in Deutschland stehen Bayern und Baden-Württemberg mit ihrem gegliederten Schulangebot regelmäßig an der Spitze der Tests.

Kinder und Eltern zahlen einen hohen Preis

Allerdings zahlen viele Eltern und ihre Kinder dafür einen Preis: Der Druck, ob gefühlt oder real, ist bereits in der Grundschule hoch. Ohne massive Nachhilfe würden die Jugendlichen in Bayerns Schulen reihenweise scheitern. Und noch immer ist das Gymnasium im Süden eine Bastion der Privilegierten. Viele Kinder von Arbeitern, die in anderen Bundesländern aufs Gymnasium gehen würden, müssen sich hier mit der Haupt- oder Realschule begnügen. Das liegt allerdings auch daran, dass Eltern, die selbst kein Abitur haben, oft vor dem Gymnasium zurückschrecken, und die Realschulen in Bayern eine leistungsstarke Alternative sind.

Wie derzeit in Hamburg und Nordrhein-Westfalen ist auch in Bayern der frühe Übertritt nach der vierten Klasse immer wieder ein heikles Thema. Einerseits würden sich viele Eltern wünschen, dass ihr Kind länger an der Grundschule bleiben kann und nicht schon nach der vierten Klasse in eine Leistungsschublade gesteckt wird, aus der es so leicht nicht mehr herauskommt. Andererseits besteht die Sorge, starke Schüler könnten unterfordert sein, wenn sie nicht so früh wie möglich auf ein Gymnasium kommen. Schulreformer wie in Hamburg erhoffen sich von einer längeren gemeinsamen Grundschulzeit, dass die Schwächeren nicht einfach abgehängt werden.

Die neue Studie bietet dazu allerdings einen ernüchternden Befund: Ausgerechnet in Berlin, wo die Grundschule seit jeher für die meisten Schüler sechs Jahre dauert, hängen die Deutsch- und Englisch-Leistungen der Neuntklässler besonders stark von der sozialen Herkunft ab. So sympathisch eine Schule ist, die integrieren will und nicht sortieren: Eine Garantie für sozialen Ausgleich und Chancengleichheit ist sie nicht.

Auch in der Schulpolitik reicht es nicht, wenn etwas gut gemeint ist, in der Praxis aber schlecht funktioniert. Die Kultusminister müssen mehr dafür tun, die Aus- und Fortbildung der Lehrer zu stärken. Sie müssen ihnen helfen, die Mühen des Alltags zu meistern, ihren Unterricht kontinuierlich zu verbessern und sich gezielt um schwierige Schüler zu kümmern. Mittlerweile gibt es Dutzende verschiedene Sprachtests, die schon vor der Grundschule Defizite der Kinder feststellen sollen - hier fehlen bundesweite Standards und ausreichend Förderstunden, die es erlauben würden, die Kinder in den ersten Schuljahren weiter zu unterstützen. Die Tester kommen und gehen. Zurück bleiben die Kinder.

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