Studie zum Fachkräftemangel:Facharbeiter verzweifelt gesucht

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Facharbeiter bei Siemens (Foto: dpa)

Zu wenige Abiturienten entschieden sich für naturwissenschaftliche und technische Studiengänge, hieß es vor nicht allzu langer Zeit. Mittlerweile sieht die Entwicklung bei den Akademikern positiv aus, doch nun brennt es an anderer Stelle: Es könnten in wenigen Jahren 1,4 Millionen Facharbeiter fehlen.

Von Thomas Öchsner

Lange hat die Wirtschaft gerufen, jetzt werden die Rufe zunehmend erhört: Immer mehr Abiturienten studieren ein Fach in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT). Im Jahr 2000 nahmen noch knapp 112.000 junge Leute ein solches Studium auf. 2012 waren es bereits mehr als 190.000, bedingt auch durch den Wegfall der Wehrpflicht und die zum Teil doppelten Abitur-Jahrgänge. Dies geht aus dem MINT-Frühjahrsreport hervor, den das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Berlin vorstellte.

Thomas Sattelberger, früher Personalvorstand bei der Deutschen Telekom, jetzt Chef der Wirtschaftsinitiative "MINT - Zukunft schaffen", spricht deshalb von einer "Kehrtwende". Die Lage bei den Hochschulanfängern habe sich "deutlich entspannt", sagt er. Das ändert jedoch nichts daran, dass in Zukunft vor allem bei den technischen und naturwissenschaftlichen Ausbildungsberufen viele Fachkräfte fehlen könnten. Dies werde "die Wachstumschancen der Volkswirtschaft einschränken und zu Wohlstandsverlusten führen", heißt es in dem Gutachten des IW.

Das Kölner Institut erhebt halbjährlich die Zahl der fehlenden Arbeitskräfte in den sogenannten MINT-Berufen. Auftraggeber ist der Arbeitgeberverband Gesamtmetall, Spitzenverbände der Wirtschaft wie der BDI und die BDA sowie die MINT-Initiative.

Was ist zu tun?

Wichtigstes Ergebnis der neuen Untersuchung: Läuft es an den Universitäten weiter so, können die Unternehmen die Personallücke bei den Akademikern bis 2020 einigermaßen füllen. Die mögliche Lücke beziffert das IW hier mit 156.000, die sich aber zum Teil ausgleichen lassen, wenn diese Personengruppe länger bis zur Rente arbeite. Düsterer sieht es bei den entsprechenden Facharbeitern aus: Bis zu 1,4 Millionen dürften fehlen, wenn nichts dagegen unternommen wird.

Derzeit stehen den Unternehmen laut der Studie etwa 123.000 Arbeitskräfte im naturwissenschaftlich-technischen Bereich zu wenig zur Verfügung, davon jeweils die Hälfte mit akademischen und beruflichen Abschluss. Vor einem Jahr sprach das Institut, bedingt durch den Wirtschaftsboom, noch von mehr als 200.000 fehlenden Fachkräften.

Der prognostizierte Mangel in der Zukunft ergibt sich, weil deutlich mehr Fachkräfte in Rente gehen, als nachrücken. Zusätzlich entstehen neue Arbeitsplätze durch Innovationen und Wachstum. Was also ist zu tun?

Der ehemalige Top-Manager Sattelberger denkt vor allem daran, die Anzahl der An- und Ungelernten in Deutschland zu verringern. 1,45 Millionen der 20- bis 29-Jährigen haben keine abgeschlossene Berufsausbildung. Viele von ihnen seien nicht völlig ohne Qualifikation. "Jeder Einzelne hat Talente und Stärken, die er auf dem Arbeitsmarkt einbringen kann", sagt er. Modellversuche hätten ergeben, dass etwa zwei Drittel dieser jungen Leute eine Berufsausbildung abschließen könnten. Doch dafür werde noch zu wenig getan.

Ältere Arbeitnehmer, Frauen, Zuwanderer

Sattelberger setzt außerdem - neben der verstärkten Beschäftigung von älteren Arbeitnehmern und Frauen - auf mehr qualifizierte Zuwanderer. Hier gebe es durch gelockerte rechtliche Vorschriften Fortschritte. In der Studie wird allerdings angemerkt: Ausländische Fachkräfte kämen nur zögerlich hierher, "da Deutschland noch immer als schwer zugänglich wahrgenommen wird". Hinzu kommt: Nach Angaben der Wirtschaftsinitiative verlassen die meisten Hochschulabsolventen aus dem Ausland Deutschland wieder, um in einwanderungsfreundlichen Ländern wie Neuseeland oder Kanada zu arbeiten. "Dies ist eine Verschwendung von Talenten, die wir uns nicht leisten können", kritisiert Sattelberger.

Mindestens genauso ärgert sich der ehemalige Telekom-Manager über die zum Teil nach wie vor hohen Abbrecherquoten an den Hochschulen in Fächern wie Maschinenbau oder Elektrotechnik. Trotz der seit 2006 rückläufigen Abbrecherzahlen gibt es nach seinen Angaben noch Studiengänge, in denen mehr als die Hälfte der Studenten vorzeitig aufhöre, auch weil an den Universitäten "eine sozialdarwinistische und elitäre Selektion" stattfinde. Sattelberger hält dies schlichtweg für "eine Schande für unser Land".

© SZ vom 07.05.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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