Süddeutsche Zeitung

Job:Kinderbetreuung ist Sache der Mutter

  • Fast jede dritte weibliche Fachkraft würde gern Vollzeit arbeiten, wenn sich die Kinderbetreuung besser organisieren ließe, besagt eine Studie.
  • In Deutschland glauben 80 Prozent der Frauen, dass Kinder ihrer Karriere schaden.
  • Frauen und Männern sind Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie offenbar unterschiedlich wichtig.

Von Alexander Hagelüken

In Deutschland wandelt sich Grundsätzliches: Immer mehr Frauen wollen arbeiten. Sie streifen das langjährige Rollenbild der Nachkriegszeit ab, wonach das weibliche Geschlecht vornehmlich Haus und Kinder hüten sollte. Waren im Jahr 2000 erst 59 Prozent der Mütter berufstätig, stieg der Anteil bis 2012 auf 66 Prozent. Doch die Frauen fühlen sich noch immer eingeschränkt. Fast jede dritte weibliche Fachkraft würde gern Vollzeit arbeiten, wenn sich die Kinderbetreuung besser organisieren ließe. Das ergibt eine Befragung der Jobbörse Stepstone, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt.

Betroffen sind allein unter den Fachkräften eine Million Deutsche. "Gelänge es, dieses Potenzial für den Arbeitsmarkt zu nutzen, wäre das ein Meilenstein im Kampf gegen den Fachkräftemangel", so Sebastian Dettmers von Stepstone. Wunsch und Möglichkeiten klaffen bei deutschen Frauen immer noch stark auseinander. Viele arbeiten - wenn überhaupt - Teilzeit, obwohl sie anderes möchten. Die Bundesrepublik schneidet im internationalen Vergleich schlecht ab. In den G-20-Industriestaaten denkt im Durchschnitt nur jede zweite Frau, dass Kinder ihrer Karriere schaden. In Deutschland dagegen glauben es 80 Prozent.

Bemerkenswert ist, dass Frauen und Männern Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie offenbar unterschiedlich wichtig sind. Das geht aus einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) hervor, die die SZ vorab auswertet. Demnach leisten Firmen immer mehr für die Kinderbetreuung. Die Zahl der Betriebskindergärten verdoppelte sich im vergangenen Jahrzehnt auf knapp 700. Firmen helfen bei der Suche nach einem Kitaplatz, zahlen etwas dazu oder halten für den Nachwuchs ihrer Beschäftigten Plätze in öffentlichen Kitas vor.

Unterstellt man ein partnerschaftliches Modell, in dem der Arbeitswunsch von Mutter und Vater gleich viel zählt, müssten sich Frauen und Männer gleich stark freuen, wenn ihre Firma bei der Kinderbetreuung hilft. Nach der DIW-Studie ist das Gegenteil der Fall. Die Zufriedenheit der Frauen mit ihrer Arbeit und mit ihrem Leben allgemein steigt signifikant, wenn der Arbeitgeber Maßnahmen zur Betreuung ergreift. Die Reaktion der Väter darauf ist gleich null. "Möglich ist, dass Väter von dem Problem der Vereinbarkeit weniger belastet sind", schreiben die Forscherinnen Johanna Storck und Verena Lauber höflich. Weniger höflich ausgedrückt könnte ihr Befund bedeuten, dass Väter es nach wie vor als Sache der Mutter betrachten, sich um Kinder und ihre Betreuung zu kümmern.

Dazu passt eine jüngste Studie des DIW, wonach die Belastungen entgegen vielen Beteuerungen der Männer nach wie vor ungleich verteilt sind: Selbst wenn Frauen wie ihr Mann Vollzeit arbeiten, kümmern sie sich täglich drei Stunden mehr um Hausarbeit und Kinder als der Gatte.

Die Forscherinnen Storck und Lauber wollen die Männer nicht richten, sie haben eine andere Anregung. "Möglich ist, dass für Väter eher Maßnahmen wichtig wären, die ihnen erlauben, mehr Zeit mit Familie und Kindern zu verbringen." Dazu gibt es etwa den Vorschlag der Familienarbeitszeit, die Müttern und Vätern mit kleinen Kindern gleichermaßen ermöglichen soll, ihre beruflichen Wochenstunden vorübergehend zum Beispiel auf 30 zu reduzieren.

Der temporäre Charakter eines Modells ist wichtig, weil Eltern, die länger Teilzeit arbeiten, das oft als Karrierehemmer erleben. Firmen erlauben Müttern oder Vätern oft nach gewisser Zeit nicht mehr, ihre Stelle zur Vollzeit aufzustocken.

Nach der Stepstone-Befragung unter 15 000 Fach- und Führungskräften hatte jede zweite Teilzeitarbeitende schon mal das Gefühl, gegenüber Vollzeitkollegen benachteiligt zu werden. Fast jede zweite denkt auch, dass die Elternzeit ihrer Karriere geschadet hat. Männer sehen das nicht so. Aber es gehen nach der Befragung ja auch 80 Prozent der Mütter und nur 30 Prozent der Väter in Elternzeit. Und während Erstere im Schnitt mehr als ein Jahr aussetzen, sind es bei Männern gerade mal zwei Monate.

Aus Sicht der Frauen gibt es drei große Karriereblocker: Die Doppelbelastung aus Beruf und Familie, die Angst der Arbeitgeber, dass sie durch Mutterschaft ausfallen, und den Punkt, den sie noch am ehesten beeinflussen können: ihre eigene Zurückhaltung beim Anstreben von Führungspositionen.

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Quelle:
SZ vom 07.03.2016/mkoh
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