Studie: Lehrer-Image:Nicht für die Schule, für das Leben reparieren wir

Mathe, Englisch? Interessieren die Deutschen eher weniger. Sie erwarten, dass ihre Kinder in der Schule Hilfsbereitschaft und soziale Kompetenz erlernen.

Gestresste Lehrer, zu große Klassen, viel zu viel Unterrichtsausfall: Das Schulsystem schneidet bei den Deutschen katastrophal ab, so das Ergebnis einer neuen Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach. "Die Bevölkerung beneidet Lehrer wirklich nicht", sagte die Geschäftsführerin des Instituts, Renate Köcher, am Donnerstag bei der Vorstellung der Untersuchung in Berlin.

Studie: Lehrer-Image: Lateinunterricht am Gymnasium: Schlechte Schulleistungen liegen nach Ansicht von zwei von drei Bürgern an zu großen Klassen.

Lateinunterricht am Gymnasium: Schlechte Schulleistungen liegen nach Ansicht von zwei von drei Bürgern an zu großen Klassen.

(Foto: Foto: dpa)

Die Forscher befragten Anfang März 1.807 Deutsche ab 16 Jahren, darunter 300 Eltern von Schulkindern. Sie beurteilen die Pädagogen durchweg besser als Befragte, die kein Kind im schulpflichtigen Alter haben. In direktem Kontakt zu Schülern und Eltern können die Lehrer also offenbar durchaus punkten.

Nach der beruflichen Belastung gefragt, bestätigt sich dieses Bild: 54 Prozent aller Befragten meinten, Lehrer klagten viel darüber. Dieser Ansicht waren aber nur 23 Prozent der Eltern.

Verantwortung für miese Noten

Außerdem sagten nur 19 Prozent der Eltern über den ihnen am besten bekannten Lehrer, er habe zu viel Freizeit. Das meinte in der Gesamtbevölkerung ein etwa doppelt so hoher Anteil, 37 Prozent. Während die Eltern ein Erfahrungsbild hätten, würden die anderen alten Stereotypen anhängen, erklärte Köcher.

Schlechte Schulleistungen liegen nach Ansicht von zwei von drei Bürgern an zu großen Klassen. Auch Eltern und Jugendlichen wird Verantwortung bei miesen Noten gegeben. Nach Ansicht von 68 Prozent gehen diese auf zu viel Fernsehen und Computerspiele zurück. "Das gräbt Zeit ab vom Engagement für die Schule", sagte Köcher.

Junge Menschen begeistern

Der Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes, Heinz-Peter Meidinger, unterstrich die unterschiedliche Beurteilung von Lehrern bei Eltern und Befragten, die keinen Kontakt zu Pädagogen haben. "Wir werden zu stark über unsere Klagen wahrgenommen. Daran sind wir nicht ganz unschuldig." In seinem Berufsstand herrsche oft "Selbstüberforderung aufgrund des Erwartungsdrucks". Die Studien-Ergebnisse zeigten aber eine gute Grundlage auf, in Zukunft positiver angesehen zu werden. Dies sei wichtig, um junge Menschen für den Lehrerberuf zu begeistern.

Er räumte auch einen Nachholbedarf beim innovativen Unterricht ein. Lehrer agierten noch zu oft als Einzelkämpfer und arbeiteten nicht fächerübergreifend zusammen. Meidinger nannte eine leistungsbezogene Bezahlung von Lehrern "richtig und notwendig".

Auf der nächsten Seite: Charakterschulung und Persönlichkeit - Lehrer sollen korrigieren, was in Elternhäusern schiefläuft.

Hohe Erwartungshaltung

Charakterschulung und Persönlichkeit

Die Erwartungen der Deutschen an Schulen und Lehrer steigen immer weiter. "Lehrer sollen kompensieren, was in Elternhäusern nicht geleistet wird", sagte IfD-Geschäftsführerin Renate Köcher. Viele Erwartungen, die Charakterschulung und Persönlichkeit betreffen, seien noch vor Fachkenntnissen genannt worden.

So finden bis zu zwei von drei Bürgern, dass die Schulen ihre Rolle für mehr Hilfsbereitschaft, Konzentrationsfähigkeit und Selbstbewusstsein der Schüler nicht erfüllen. Weniger als die Hälfte gab dagegen an, Schulen sollten naturwissenschaftliche Kenntnisse lehren, nur ein Drittel erwartet die Vermittlung von Geschichtswissen. "Schule wird in ganz umfassendem Maß mit der Erwartung konfrontiert, dass sie Kinder erzieht", sagte Köcher.

Erziehungsfehler ausbügeln

Eine derartig hohe Erwartungshaltung gegenüber der Schule gebe es in anderen europäischen Ländern nicht, erklärte Meidinger. Schule werde von vielen als ein Reparaturbetrieb gesehen. "Sie kann Erziehungsdefizite nicht ausgleichen, muss sich dem aber stellen."

Trotz des teils schlechten Images gebe es einen hohen Respekt vor dem Lehrerberuf. 59 Prozent der Deutschen finden, dass Lehrer viele Erziehungsfehler wieder ausbügeln mussten. Auch glaubt mehr als die Hälfte, Lehrer hätten einen anstrengenden Beruf.

Als weiteres Problem in den Schulen werden neben zu vollen Klassen und einem zu hohen Ausfall von Stunden auch ausländische Schüler mit Sprachproblemen wahrgenommen. Die Hälfte der Deutschen ist der Meinung, sie sollten zu Deutschkursen verpflichtet werden.

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