Studie:Junge Chefs schaden der Motivation

Studie: Junge Chefs sollten niemals den Besserwisser geben und ihren Mitarbeitern zeigen, dass sie von deren Erfahrung profitieren. Sonst drohen Konflikte.

Junge Chefs sollten niemals den Besserwisser geben und ihren Mitarbeitern zeigen, dass sie von deren Erfahrung profitieren. Sonst drohen Konflikte.

(Foto: UnfinishedBusiness_StarStock / iStockphoto)

Fachkräftemangel und Digitalisierung katapultieren junge Mitarbeiter direkt in die Führungsetage. Das fördert aber nur ihre eigenen Leistungen.

Von Viola Schenz

Chefsein ist keine Frage des Alters, das zeigt der Blick ins Silicon Valley. Einer der prominentesten Chefs dort, Mark Zuckerberg, herrscht über eines der erfolgreichsten Unternehmen weltweit - mit 32 Jahren. Er war gerade mal 20, als er Facebook gründete. Viele seiner 17 000 Mitarbeiter sind sehr viel älter als er. Noch immer wirkt Zuckerberg wie der College-Junge von damals - daran ändert auch der Titel "Boss" nichts.

Das Wunderkind Zuckerberg ist eine Ausnahmeerscheinung, in vielerlei Hinsicht. Denn eigentlich sind junge Vorgesetzte keine gute Idee. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der WHU Otto Beisheim School of Management und der Universität Konstanz. Demnach birgt die Konstellation "Junger Chef - älterer Untergebener" einiges Konfliktpotenzial. "Ältere Mitarbeiter fühlen sich unwohl mit jüngeren Chefs, denn dieser Altersunterschied widerspricht dem Karrieremuster", erklärt Jochen Menges, Professor für Führung und Personalmanagement an der WHU und Initiator der Studie.

Ihr Unbehagen könne sich auf die Gesamtstimmung im Betrieb übertragen und dessen Leistung mindern. Das Phänomen trete branchenunabhängig auf, die Forscher haben 61 Firmen befragt, von Dienstleistern, Finanzunternehmen bis zum produzierenden Gewerbe. Menges sagt, er sei selbst überrascht von den Ergebnissen und dem weitreichenden Effekt.

Monika Irchenhauser hat ähnliche Erfahrungen gemacht. Die 39-Jährige arbeitet in der Personalabteilung eines oberfränkischen Kunststoffverarbeiters mit Niederlassungen in der ganzen Welt. Derzeit ist die Pfaffenhofenerin in der Amerika-Zentrale in Leesburg im Bundesstaat Virginia tätig, von dort aus verantwortet sie auch Kanada und Südamerika. Mit 29 Jahren war sie das erste Mal Chefin.

Alter geht nicht mehr zwingend mit Führung einher

Eigentlich ist sie, seit sie in Regensburg ihr Politik- und BWL-Studium abgeschlossen hat und nach einer kurzen Anlernphase, permanent Chefin, vor allem von Menschen, die weit älter sind als sie. Wie kommt sie damit zurecht? "Man muss das richtige Benehmen an den Tag legen, darf nicht den Besserwisser spielen", sagt sie. "Ältere Kollegen haben nun mal die größere Erfahrung, besitzen oft das nötige Detailwissen. Gerade zu Beginn sollte man das ansprechen: Hier weiß ich weniger als du, aber ich kenne das große Ganze."

51,8 Jahre

beträgt das Durchschnittsalter von Führungskräften in Deutschland. Nach Angaben der Bürgel Wirtschaftsinformationen GmbH war im Juni 2016 mehr als ein Viertel der Entscheider älter als 60 Jahre. Während sich die meisten Geschäftsführer, Inhaber, Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieder aus der Gruppe der 51- bis 60-Jährigen (32 Prozent) und der 41- bis 50-Jährigen (28 Prozent) rekrutierten, lag ihr Anteil bei den 21- bis 30-Jährigen unter drei Prozent. Beim Durchschnittsalter unterscheiden sich die Bundesländer: Mit 53,6 Jahren sind Führungskräfte in Baden-Württemberg am ältesten, mit 50,5 Jahren in Sachsen-Anhalt am jüngsten.

Dass 29-jährige Vorgesetzte keine Seltenheit sind, hat seine Gründe. Die Digital Natives bringen fast automatisch die Computer-Kompetenzen mit, nach der die Digitalisierung zunehmend verlangt, die sich langjährige, ältere Mitarbeiter aber nicht immer aneignen können oder wollen. Dazu kommen, gerade in Deutschland, Fachkräftemangel und demografischer Wandel. Es gehen mehr Mitarbeiter in Rente als Jüngere in den Betrieb kommen. Um die wenigen jungen Fachkräfte zu halten, werden sie in manchen Branchen zwangsläufig schnell befördert. Auch wenn Arbeitnehmer bis 67 oder 70 in der Firma bleiben, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie eines Tages einen jüngeren Chef vor die Nase gesetzt bekommen.

Das Senioritätsprinzip bröckelt nämlich. Statt der über viele Jahre erworbenen Verdienste spielt die Leistungsfähigkeit eine immer größere Rolle bei Beförderungen. Und so finden sich Leute unter 40 als Vorgesetzter von Kollegen wieder, die ihre Mütter oder Väter sein könnten. "Die letzten 2000 Jahre war es so, dass Ältere mehr Verantwortung trugen, weil sie mehr Erfahrung haben und mehr wissen. Ihnen ist natürlicherweise die Führungsrolle zugefallen", so Menges. "Jetzt haben wir immer öfter eine Sandwich-Situation. Sie ist schwierig, weil sie den sozialen Normen widerspricht, andererseits ist sie sinnvoll, weil sie zu den Gegebenheiten besser passt."

Ältere Mitarbeiter fühlen sich benachteiligt und abgehängt

Jungen Menschen sagt man Dynamik und Ideenreichtum nach, auch eine größere Belastbarkeit, ältere Beschäftigte zeichnen sich durch ihre Erfahrung aus, durch ein über Jahre angesammeltes Wissen, oft auch durch Gelassenheit. Ältere Chefs werden daher naturgemäß für kompetenter gehalten. "Wenn jüngere auf der Karriereleiter überholen, weil sie jung, clever und stark sind, verbessert das zwar deren individuelle Leistungen, aber nicht die kollektiven", sagt Menges. Denn die Älteren fühlen sich ungerecht behandelt und abgehängt.

Den demografischen Wandel und die Folgen spüren viele Personalchefs längst. Bei Fahrion, einer Fabrikplanungsfirma in Kornwestheim bei Stuttgart beschäftigt Firmen-Junior Jens Fahrion bevorzugt ältere Projektleiter, solche ab 55 Jahren. "Sie bringen generalistisches Wissen mit und können in ihrem Bereich die Projekte selbständig abwickeln", sagt der 46-Jährige. "Vor allem können sie mit der Geschäftsleitung der Kunden auf Augenhöhe reden. Sie sind eloquent, mobil, haben meist keine schulpflichtigen Kinder mehr, die sie an einen Ort binden." Diese Beschäftigungspolitik hat Fahrion Engineering zu einer Vorzeige-Firma in Sachen älterer Mitarbeiter gemacht. Denn altersgemischte Teams werden immer wichtiger, sind neben Geschlecht oder Herkunft längst ein Baustein bei der viel diskutierten Diversität im Job.

Das Alter spielt auch deswegen eine immer größere Rolle, weil qua Gesetz niemand deswegen diskriminiert werden darf. "Es sollte eigentlich keine Rolle spielen, sondern die entsprechenden Kompetenzen", sagt Menges. "Aber wir vergleichen uns eben nach Alter, fragen uns: Wo stehe ich im Leben und auf der Karriereleiter. Ein jüngerer Chef bringt die Einsicht: Hm, ich hab's wohl nicht so weit geschafft." Entscheidend ist dabei nicht das absolute Alter, sondern der Altersunterschied. Je größer der ist, desto größer der Effekt. Ist jemand ein Jahr jünger, wird das akzeptiert, ein Unterschied von 20 Jahren jedoch empfindet man als Karriereschlappe.

Bei Fahrion ist so viel zu tun, kommen so viele Aufträge rein, da hat man gar keine Zeit, sich groß Gedanken zu machen über solch abstrakte Dinge wie Mitarbeiterdiversität. Werner Winger, 64 und Maschinenbauingenieur, arbeitet seit sieben Jahren als Projektleiter bei Fahrion, sein Chef ist Fahrion junior. Winger hatte immer wieder jüngere Vorgesetzte, männliche wie weibliche. Stört das?

Faire Bezahlung hilft gegen Unmut

"Mir macht das gar nichts aus, die Chemie muss stimmen, und das hat mit Jung oder Alt nichts zu tun; die Leute brauchen uns ja und unsere Fachkompetenz, für uns ist der Kunde maßgeblich." Einer seiner Chefs war halb so jung wie er und "heilfroh, dass er jemanden wie mich aus der Werkzeugmaschinenbranche hatte. Er hat mir das Feld überlassen, das war ein großer Vertrauensbonus, den ich dankbar angenommen habe." Oft hilft auch einfach eine faire Bezahlung, etwaigen Unmut gar nicht erst aufkommen zu lassen. "Solange ich angemessen verdiene, ist es mir egal, ob ein Jüngerer mehr verdient, nur weil er über mir steht", sagt Winger.

Was kann man tun, damit Jung-Alt-Konflikte gar nicht erst aufkommen? Das Leistungsprinzip sollte gelten, da sind sich alle einig, aber jüngere Chefs sollten in Sachen Sensibilität geschult werden. "Sie machen oft den Fehler, die Leistungen der Mitarbeiter nicht herauszustellen, sie im Gegenteil sogar als eigene Leistungen zu verkaufen", sagt Monika Irchenhauser. "Wichtig ist es, keine Chefallüren an den Tag zu legen und besonders die Bedürfnisse Älterer zu berücksichtigen", ergänzt Jens Fahrion.

Und was meint der Forscher? "Man sollte bei allen Entscheidungen bedenken, wie sich Menschen fühlen", sagt Jochen Menges. "Man kann rational auf intellektuelle Argumente setzen, aber am Ende des Tages zählen die Gefühle der Mitarbeiter." Und die haben nun mal Einfluss auf die Gesamtleistung des Unternehmens.

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