Studie der Harvard Business School:Woran Sie "toxic workers" erkennen

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Ist der Kollege ein "toxic worker"? Eine Studie gibt Hinweise darauf, woran man potenziell unternehmensschädigende Mitarbeiter erkennt.

(Foto: imago/Westend61)
  • Eine Studie hat anhand Tausender Daten untersucht, was Mitarbeiter kennzeichnet, die durch Fehlverhalten Schaden in Unternehmen anrichten.
  • Den Ergebnissen zufolge ist der Schaden, den ein "giftiger Mitarbeiter" verursacht, größer als der Zusatzgewinn, den ein besonders guter Mitarbeiter erarbeitet.

Von Sarah Schmidt

Sie nannten ihn "Wal von London": Investmentbanker Bruno Iksil bescherte seinem Arbeitgeber, der US-Bank JP Morgan, riesige Gewinne. Umso größer waren dann allerdings auch die Verluste, als Iksil sich bei seinen hochriskanten Derivate-Geschäften verzockte. 6,2 Milliarden Dollar betrug der Schaden, als ans Licht kam, dass der vermeintliche Super-Banker Risiken ignoriert, Anleger getäuscht und die Regulierungsbehörden umgangen hatte. Die Millionen-Strafzahlungen, die JP Morgan nach dem Skandal leisten musste, und der enorme Imageverlust für das renommierte Geldinstitut sind in dieser Zahl noch gar nicht berücksichtigt.

Und auch bei VW hat man in diesem Sommer die bittere Lektion gelernt: Wenn einzelne Mitarbeiter Mist bauen, kann das teuer werden für ein Unternehmen. Richtig teuer.

Doch nicht nur in globalen Großkonzernen können Einzelne durch kriminelles oder unmoralisches Verhalten großen Schaden anrichten; das Phänomen kann überall auftreten, in der kleinen Eventagentur genauso wie im Planungsbüro für einen neuen Flughafen.

Harvard-Wissenschaftler legen Studie zu "toxic workers" vor

Eine Studie unterlegt nun, wie wichtig es ist, dass Unternehmen gute Bewerber anstellen - und vor allem die Finger von ungeeigneten Kandidaten lassen. "Toxic Workers", also "giftige Mitarbeiter", lautet der Titel des Arbeitspapiers, das die Forscher Michael Housman und Dylan Minor von der Harvard Business School vorgelegt haben (hier finden Sie das Dokument als Pdf).

Die Wissenschaftler haben die Daten von 50 000 Mitarbeitern ausgewertet, die bei insgesamt elf verschiedenen US-Unternehmen angestellt waren. Ihnen lagen sowohl die Ergebnisse eines psychologischen Einstellungstests vor, als auch Daten zur Dauer des Arbeitsverhältnisses, Leistungsdaten und - falls die Mitarbeiter gekündigt wurden - zu den Gründen für die Entlassung.

Diese breite Datenbasis erlaubt interessante Rückschlüsse darüber, welchen Schaden ein "toxic worker" anrichtet. Vor allem aber gibt die Arbeit von Housman und Minor auch Hinweise darauf, woran man einen potenziell unternehmensschädigenden Mitarbeiter erkennen kann. Eine Frage, die Führungskräfte und Personaler umtreibt. Doch auch Mitarbeiter dürften sich dafür interessieren, während sie still daran verzweifeln, dass augenscheinlich niemand erkennt, dass die Abteilungsleiterin die großen Erfolge nur mit Schummelei erzielt oder dass der Kollege bereits die dritte kompetente Frau mit Macho-Sprüchen aus der Firma gemobbt hat.

Produktive Egoisten - woran man "giftige Mitarbeiter" erkennt

Vier Kriterien führt die Studie an, die Hinweis auf ein toxisches Mitarbeiterprofil geben können - einige von diesen sind durchaus überraschend:

  • Egoismus: Diese Erkenntnis liegt auf der Hand: Wer sich im Unternehmen richtig mies daneben benimmt, denkt vor allem an sich und wenig an andere.
  • Selbstüberschätzung: Zudem hat ein potenziell toxischer Mitarbeiter eine hohe Meinung von sich. Er überschätzt seine Kompetenzen - das führt Housman und Minor zufolge dazu, dass ein solcher Mitarbeiter gar nicht mit der Möglichkeit rechnet, dass etwas schiefgeht. Das dient durchaus als Erklärung, um das geradezu anmaßende Verhalten zu verstehen, das prominente Beispiele wie Banken-Wal Bruno Iksil an den Tag legen.
  • Regel-Konformität: Wer im Einstellungstest angab, dass ihm das Befolgen von Regeln besonders wichtig ist, wurde später mit höherer Wahrscheinlichkeit wegen des Brechens einer Regel gefeuert. Dieses Ergebnis der Datenanalyse scheint zunächst widersprüchlich. Doch Housman und Minor haben eine Erklärung für das paradoxe Ergebnis. Ihrer Einschätzung nach setzen toxische Mitarbeiter so lange auf Regeln, wie diese ihnen für ihre Zwecke nützen. Auch sei es bei diesem Personen-Typ wahrscheinlicher, dass im Fragebogen gezielt so geantwortet wird, wie es am erfolgversprechendsten scheine.
  • Produktivität: Das vierte Erkennungsmerkmal ist gleichzeitig das überraschendste und aufschlussreichste. Mitarbeiter, die dem Unternehmen schaden, sind besonders produktiv. Tatsächlich konnten die beiden Forscher feststellen, dass die entsprechenden Mitarbeiter zunächst überdurchschnittlich viel schaffen. Das, so die Forscher, sei auch der Grund, warum toxische Mitarbeiter sich so lange in Unternehmen halten können. Obwohl die Kollegen schon längst mitbekommen haben, dass da ein arroganter Kotzbrocken im Nebenzimmer sitzt, freut sich der Chef noch über die hervorragenden Leistungen seines "Highperformers".

Der "toxic worker" kostet mehr als der beste Mitarbeiter einbringt

Doch - und dies ist ein weiterer Knackpunkt des vorgelegten Arbeitspapiers - trotz der zunächst vielversprechenden Ergebnisse lohnt es sich für Unternehmen nicht, toxische Arbeiter zu beschäftigen. Der Schaden, den das unternehmensschädigende Verhalten am Ende verursacht, ist im Schnitt sehr viel größer als die vorangegangenen Gewinne.

Tatsächlich, so die Berechnung von Housman und Minor, sind die Kosten, die toxische Mitarbeiter verursachen, sogar höher als der Nutzen, den die allerbesten Mitarbeiter bringen. Das Verhältnis liegt Housman und Minor zufolge beinahe bei 2 zu 1.

Ihren Berechnungen zufolge verursacht ein toxischer Mitarbeiter im Schnitt einen Schaden von knapp 12 500 US-Dollar, die ein Prozent der besten Arbeitnehmer erwirtschaften hingegen nur ein zusätzliches Plus von gut 5 000 US-Dollar.

Der beste Banker könnte also mit moralisch-einwandfreien Methoden nicht wieder das an Geld reinholen, das Walfisch Iksil mit seinen riskanten Spekulationen versenkt hat. Die loyalsten, fleißigsten VW-Verkäufer können sich noch so sehr ins Zeug legen, den dramatischen Imageverlust, den einige wenige Manager mit ihrer Schummelsoftware zu verantworten haben, werden sie nicht wettmachen.

Konsequenzen für die Bewerberauswahl

Noch gibt es keine Auswahlverfahren, mit denen verlässlich geprüft werden kann, welch zerstörerisches Potenzial in einem Stellenbewerber schlummert. Doch die vorgelegten Ergebnisse dürften nicht nur bei VW und JP Morgan die Recruiting-Abteilungen nachdenklich stimmen. Wird bei der Mitarbeiterauswahl schließlich in vielen Unternehmen noch immer der Fokus auf pure Leistung gelegt - und weniger auf Teamgeist, Wertvorstellungen und Verantwortungsbewusstsein, das über einen fixen Regelkatalog hinaus geht.

Das Fazit der Forscher: "Wenn man neben der Dimension Produktivität auch die Toxizität heranzieht, macht es keinen Sinn mehr, bestimmte Personen anzustellen - aus ethischen Bedenken heraus, aber auch wenn man allein auf Profitmaximierung setzt."

Damit wurde nun wissenschaftlich untermauert, was in den niederen Rangebenen der Unternehmenshierarchie längst erkannt wurde: Der kollegiale Typ mit Rückgrat, der im Zweifel auch mal Fünfe gerade sein lässt, ist eine bessere Wahl als der überhebliche Schaumschläger mit den super Ergebnissen, der so lange auf Vorschriften pocht, wie der Chef gerade hinschaut.

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