Studentische Unternehmensberatung:Fast so wie die Großen

Sie sind alle noch im Studium, aber beraten schon erfolgreiche Führungskräfte. Studentische Unternehmensberater bringen zwar weniger Erfahrung mit, dafür aber jede Menge Motivation.

Maria Holzmüller

Lukas Rein hat viel zu tun. Das Semester neigt sich dem Ende zu und der Student arbeitet hart. Mit seinem Wirtschaftsingenieur-Studium haben seine Projekte allerdings nur indirekt zu tun. Lukas Rein ist Berater bei der studentischen Unternehmensberatung Junior Comtec an der Technischen Universität Darmstadt. Parallel zu seinen Seminaren und Klausuren tüftelt der Student bei Deutschlands ältester studentischer Unternehmensberatung an Konzepten für Firmen.

Die bunte Socke - letztes Aufbäumen des domestizierten Mannes.

Wer bei einer studentischen Unternehmensberatung arbeitet, tauscht Jeans und T-Shirt gegen Anzug und Laptop.

(Foto: dpa)

Dabei gehen er und seine Kollegen nicht anders vor als ihre professionellen Vorbilder bei Boston Consulting oder McKinsey. Die Beratung organisiert sich über einen Verein, an den Unternehmen ihre Anfragen stellen. In Projektteams arbeiten die Studenten dann an einem Lösungskonzept und erstellen mit Hilfe eines überwachenden Kuratoriums ein Angebot. Wird dieses vom Unternehmen angenommen, tauschen die Studenten Jeans und T-Shirt gegen Anzug und Laptop.

"Die jungen Leute sind immer sehr professionell aufgetreten, sie waren oft besser angezogen als die Angestellten", sagt Adem Sürek, Referatsleiter der EDV-Organisation bei der Lufthansa. Er hat bereits mehrfach mit der studentischen Unterenhmensberatung zusammengearbeitet - und war stets zufrieden.

Dass so manche Führungskraft in der Chefetage jedoch eine gewisse Skepsis den unerfahrenen Studenten gegenüber hegen könnte, ist Lukas Rein bewusst. Derartige Sorgen versucht er umgehend zu zerstreuen: "Wir sind alle frisch, kreativ und bieten keine Schubladenlösungen an. Wir geben 120 Prozent", sagt Rein.

"Wir", das sind in Darmstadt inzwischen 75 Berater, die in unterschiedlichen Hierarchiestufen und Themenfeldern tätig sind. "Mitmachen kann eigentlich jeder ab dem zweiten Semester" eklärt Rein. Zunächst beginnen die Einsteiger als "Aspirant". Sechs bis acht Wochen müssen sie sich in verschiedenen Ressorts der Unternehmensberatung beweisen. Erst dann steigen sie zum "Interessenten" auf. Nun heißt es, Projekte an Land zu ziehen und umzusetzen - erst wer ein komplettes Projekt abgeschlossen hat, wird Mitglied bei Junior Comtec. Wer dann noch mehr Erfahrung und Erfolge sammelt, steigt irgendwann - nach Ermessen des Vorstands - zum Projektmanager auf, ganz wie in den großen Unternehmensberatungen.

Nicht nur was für BWLer

Lukas Rein ist inzwischen eineinhalb Jahre dabei und zum Ressortleiter für Externes gewählt worden. Wenn er nicht an einem konkreten Projekt bei einem Unternehmen arbeitet, erledigt er als solcher Aufgaben im Büro und kümmert sich um die Akquise neuer Aufträge. 18 verschiedene Projekte betreute Junior Comtec im vergangenen Jahr, 2008 waren es sogar 27. Zeitintensiv ist das schon - und mitunter kollidiert der Job auch mit dem eigentlichen Studium. "Manchmal arbeiten wir fünf Tage die Woche in einem Unternehmen. Im Zweifelsfall geht das Projekt vor", sagt Rein. Ein Prüfung muss dann schon mal aufs nächste Semester verschoben werden.

Studentische Unternehmensberatung Junior Comtec Lukas Rein

Lukas Rein, Berater bei der studentischen Unternehmensberatung Junior Comtec in Darmstadt kann sich vorstellen, auch nach seinem Studienabschluss als Unternehmensberater zu arbeiten.

(Foto: privat)

Das Interesse unter den Studenten an universitären Unternehmensberatungen wächst trotzdem. Der Bundesverband Deutscher Studentischer Unternehmensberatungen zählt inzwischen 30 Mitgliedsinitiativen, in denen etwa 2300 Studenten aktiv sind. Die meisten von ihnen studieren BWL, aber auch Studenten anderer Fachrichtungen sind willkommen und werden vermehrt aktiv, wie Lukas Rein sagt: "Bei uns sind etwa 50 Prozent Wirtschaftsingenieure, aber auch Informatiker und Geisteswissenschaftler".

Sie alle wollen Praxis-Erfahrung für ihr späteres Berufsleben sammeln. Nicht als Praktikanten, sondern als Berater. Sie erhalten regelmäßig Strategieschulungen oder nehmen an Workshops von großen Unternehmensberatungen teil. Dass sie als studentische Berater auch noch Geld verdienen, steigert deren Reiz der Aufgaben, auch wenn es nicht mehr als "ein Taschengeld" gibt, wie Lukas Rein sagt.

Finanziell lohnender zeigt sich das Modell für die Unternehmen. Im Vergleich zu den Honoraren professioneller Consulting-Firmen sparen sie beim Engagement studentischer Berater bis zu 70 Prozent. Dafür bekommen sie zwar ein bisschen weniger Berufserfahrung, aber dennoch "junge kompetente Mitarbeiter mit hoher Motivation", wie Adem Sürek von Lufthansa resümiert. "Man merkt, dass sie in alle Richtungen offen sind, sie versuchen nicht, ihre Gesprächspartner in eine bestimmte Richtung zu zwängen."

Für die Lufthansa hat Junior Comtec bereits eine Marktstudie erstellt, eine Datenbank für das Intranet entwickelt und diese später mit neuen Funktionalitäten ausgestattet. Dabei waren es stets neue Studenten, die bei Adem Sürek im Büro standen - denn wer sein Studium abgeschlossen hat, darf nicht mehr für die studentische Unternehmensberatung arbeiten. "Wir arbeiten inzwischen mit der dritten Generation zusammen. Am Anfang hatte ich Bedenken, dass mit den erfahrenen Beratern auch das Know-how verlorengeht. Aber die Studenten haben sich gegenseitig gut eingelernt und ihre Aufgaben geschickt übergeben", sagt er.

Lukas Rein ist inzwischen davon überzeugt, dass der Beruf des Unternehmensberaters ihm auch nach dem Studienabschluss gefallen würde. Bis es soweit ist, will er bei Junior Comtec weitere Erfahrungen sammeln - und noch mehr Studenten und Unternehmen vom Erfolgskonzept studentischer Unternehmensberatung überzeugen.

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