Studentische Plagiate:Verfasst von Geisterhand

Ghostwriter bieten Studenten ihre Dienste an - aber das Betrügen ist riskant: Wer Plagiate einreicht, bleibt ein Leben lang erpressbar.

Lena Brochhagen

Das Werk kostete 13,40 Euro und ersparte dem Kölner Studenten Max Wielo vier Wochen Arbeit. Er hatte sich im Internet eine Diplomarbeit zum Abschlussthema seines Betriebswirtschaft-Studiums gekauft. "Am Anfang wollte ich den Text komplett verwenden", letztlich seien aber nur wenige Teile brauchbar gewesen. Immerhin: Die Literaturliste konnte er kopieren. "Das hat sich auf jeden Fall gelohnt", sagt Wielo, der eigentlich anders heißt, sein Plagiat aber nicht unter echtem Namen bekennen möchte.

iStock, Plagiat

Verfasst von Geisterhand: Mindestens ein bis zwei Prozent aller Doktorarbeiten in Deutschland werden von Ghostwritern geschrieben.

(Foto: Foto: iStock)

Auch andere Studenten geben fremde Texte als die ihren aus; der alte Trick, fertige Textpassagen einfach aus dem Internet zusammenzustellen, funktioniert allerdings nicht mehr so leicht wie früher. Denn mittlerweile nutzen viele Hochschullehrer Programme, die Plagiate aus dem Internet aufspüren. Schreibfaule Studenten geben ihre Abhandlungen daher in Auftrag und lassen sie von professionellen Autoren schreiben.

Kein Verlass auf Qualität

Auf das akademische "Ghostwriting" haben sich bereits Dutzende kleine Unternehmen in Deutschland spezialisiert, die im Internet für sich werben. Sie nutzen geschickt eine Rechtslücke. Denn ihren Kunden ist es grundsätzlich nicht verboten, wissenschaftliche Texte in Auftrag zu geben - sie dürfen den bestellten Text später nur nicht als den eigenen ausgeben. Darauf weisen die Schreibprofis deutlich hin, allerdings mit dem Zusatz, den jeder verstehen dürfte: Sobald das Honorar gezahlt ist, erheben sie keinen Anspruch mehr auf den Text. Zumindest von den Schreibprofis müssen die Kunden also keinen Einwand erwarten, sollten sie die Arbeit als eigene deklarieren.

Wer keine Skrupel hat, beim Professor Auftragsarbeiten einzureichen, muss allerdings viel Geld ausgeben. Mindestens 20 Euro pro Seite verlangen professionelle Autoren, für anspruchsvolle Texte sogar bis zu 50 Euro. Auf die Qualität der Arbeit verlassen können sich Kunden jedoch nicht. Viele Autoren verdienen zu wenig mit ihrem heiklen Job und geben sich nicht unbedingt die größte Mühe. Und Beschwerden müssen Ghostwriter im Nachhinein auch nicht mehr fürchten, schließlich würde sich der Auftraggeber damit selbst verraten.

Überforderte und Karrieresüchtige

Geübte Ghostwriter nutzen ein arbeitssparendes System. Jochen Schmitz (Name geändert), ein erfahrener Berliner Autor, hat Hunderte Textpassagen auf seinem Rechner gespeichert, mit denen er binnen Stunden seitenweise wissenschaftliche Texte produzieren kann. "Qualität liefere ich trotzdem", behauptet er. Denn er habe die wichtigsten Bücher aller Fachrichtungen durchgearbeitet. Seine Kunden beschreibt er als zwei gegensätzliche Typen: Das sind zum einen die Überforderten, die das Schreiben ihrer Studienarbeit allein nicht bewältigen können. Zum anderen gibt es die Karrieresüchtigen, die wenig Zeit haben, sich aber mit einem Abschluss oder Doktortitel schmücken und so auch ihr Gehalt in die Höhe treiben wollen.

Fliegt der Betrug auf, gilt die Arbeit als Fälschung und als nicht bestanden. Akademische Titel können wieder entzogen werden. "Geistiger Diebstahl ist ein krimineller Akt, keine Bagatelle", betont Konstanze Jungbluth, Studiendekanin im Bereich Kulturwissenschaften der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder. An dieser Fakultät können Bachelor-Studenten nach zwei Täuschungsversuchen ihr Studium vergessen. Ghostwriting verletzt aber nicht nur die Prüfungsordnung, es verstößt auch gegen das "akademische Ehrgefühl", sagt Hellmut-Johannes Lange. Der Leiter des Rechtsamts der Freien Universität Berlin verweist auf einen Passus, den Studenten bei Abschlussarbeiten unterschreiben müssen. Darin versichern sie, dass sie die Arbeit selbständig und nur mit den angegebenen Hilfsmitteln verfasst haben.

Auf der nächsten Seite: Wer mit einem falschen Titel Karriere macht, bleibt sein Leben lang erpressbar.

Verfasst von Geisterhand

Verrat durch enttäuschte Ex-Partner

Ein entdeckter Betrug kann aber auch außerhalb des Universitätsleben weitreichende Folgen haben: Getäuschte Freunde und Verwandte reagieren empört. Schlimmstenfalls ist der Fälscher sogar seinen Job los, wenn der gekaufte Abschluss Bedingung für die Einstellung war. Trotz des hohen Risikos schätzt Manuel Theisen, Wirtschaftsprofessor an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, dass mindestens ein bis zwei Prozent aller Doktorarbeiten in Deutschland von Ghostwritern geschrieben werden. Ein mittelgroßer Anbieter von Ghostwriting gibt an, jährlich bis zu 1500 Arbeiten zu verkaufen.

Da diese Form des Betrugs zumeist nicht von Computerprogrammen aufgedeckt werden kann, fühlen Studenten sich sicher. Dabei vergessen sie allerdings, dass auch Mitwisser sie anschwärzen können. "Enttäuschte Ex-Partner sind eine häufige Quelle", sagt Hellmut-Johannes Lange. Und dann gebe es ja auch noch den Ghostwriter selbst. Wer mit einem falschen Titel Karriere mache, bleibe sein Leben lang erpressbar, warnt der Rechtsexperte aus Berlin.

Quelle: Wikipedia

Abschreckung allein hilft gegen Ghostwriting und illegale Plagiate aber nicht, davon ist Debora Weber-Wulff überzeugt. Die Professorin für Medieninformatik an der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin beschäftigt sich seit Jahren mit dem Thema. "Wir müssen den Studenten beibringen, was wissenschaftliches Arbeiten bedeutet, und dass sie sich nicht einfach im Internet bedienen können", sagt Weber-Wulff. Selbstverständlich ist das nicht: Immer wieder erwischt sie Studenten, die es normal finden, bei Wikipedia abzuschreiben. Die meisten Hochschüler seien dafür aber zu ehrgeizig oder zu ehrlich, betont sie. Das belegen auch Foren, in denen Studenten diskutieren. Einer schreibt dort einem Kommilitonen auf der Suche nach einem Ghostwriter: "Ich gönne Dir von Herzen, dass Dein Betrug auffällt . . . Das ist so was von arm!"

Ein schlechtes Gewissen plagt nun auch den BWL-Studenten Max Wielo: Die Abschlussarbeit sollte doch sein Meisterstück sein, "da wollte ich dann zeigen, was ich kann." Den Hauptteil der Arbeit, sagt er, hat er ja auch selbst geschrieben.

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