Studentenproteste:Schuld sind immer die anderen

Die Uni-Chefs werfen sich gegenseitig Versäumnisse vor, schieben die Schuld an den Studentenprotesten aber der Politik zu.

Tanjev Schultz u. Johann Osel

In gereizter Stimmung haben die Rektoren der deutschen Hochschulen am Dienstag über die Probleme in den neuen Bachelor-Studiengängen beraten. Unter dem Eindruck bundesweiter Studentenproteste griff die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) die Kultusminister an. Bei dem Treffen in Leipzig gab es aber auch massive Kritik am Krisenmanagement der HRK und ihrer Präsidentin Margret Wintermantel. Auf Forderungen der Studenten gingen die Rektoren nicht direkt ein.

Studentenproteste: Die demonstrierenden Studenten der Friedrich-Schiller-Universität in Jena stellen ihrer Hochschule auf ihren Transparenten ein schlechtes Zeugnis aus. Auch an etlichen anderen Universitäten sind Hörsäle weiter besetzt.

Die demonstrierenden Studenten der Friedrich-Schiller-Universität in Jena stellen ihrer Hochschule auf ihren Transparenten ein schlechtes Zeugnis aus. Auch an etlichen anderen Universitäten sind Hörsäle weiter besetzt.

(Foto: Foto: ddp)

Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung machten mehrere Teilnehmer in der nicht-öffentlichen Sitzung ihrem Ärger über die Image-Krise des Bachelor und die Reaktion der HRK Luft. Man müsse endlich aus der "pauschalen Defensive" kommen, sagte der Rektor einer großen baden-württembergischen Universität. Die Kritik am Bachelor hielten viele Rektoren für überzogen. Die Vorteile der neuen Abschlüsse und die Leistungen der Hochschulen müssten besser herausgestellt werden.

In einer offiziellen Erklärung attackierten die Rektoren die Kultusminister. Die Länder würden die Finanzierung der Unis "vernachlässigen" und durch falsche Anreize zu den "gedrängten Curricula" beitragen, heißt es in einem einstimmig gefassten Beschluss der etwa 200 in Leipzig versammelten Hochschulchefs. Die Politik belaste die Unis mit "Detailregulierungen". Den Hochschulen sei es gelungen, ohne zusätzliche Mittel nahezu alle Studiengänge "aus eigener Kraft auf eine neue, international verständliche Struktur umzustellen".

Studenten sind "furchtbar ungeduldig"

Die Einführung von Bachelor und Master sei unumkehrbar. Es gebe bereits Erfolge, etwa bei der Akzeptanz der Absolventen auf dem Arbeitsmarkt. Unter Beteiligung von Studenten würde das Studium weiterentwickelt. Die Studenten seien aber "furchtbar ungeduldig", sagte HRK-Präsidentin Wintermantel. Als "baren Unfug" bezeichnete sie den Vorwurf einer Ökonomisierung und Entdemokratisierung der Hochschulen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verteidigte auf dem Arbeitgebertag in Berlin die Übernahme der europäischen Bachelor- und Master-Abschlüsse. Man müsse aber darüber reden, ob jedes Detail richtig bedacht worden sei. Der hochschulpolitische Sprecher der Grünen, Kai Gehring, forderte ein Ende der wechselseitigen Schuldzuweisungen zwischen Bund, Ländern und Hochschulen. Nötig seien gemeinsame verbindliche Verabredungen, um die Studienreform noch zu retten.

In einer internen Vorlage räumt die HRK ein, dass es "auf mehreren Ebenen" Korrekturen bei der Studienreform geben müsse. So soll die Prüfungsbelastung und die Stoffdichte im Studium reduziert werden. Das "Qualitätsmanagement" müsse gestärkt und mehr "Transparenz durch verbesserte Kommunikation" geschaffen werden.

HRK nicht länger "Stimme der Hochschulen"

In Leipzig demonstrierten mindestens 4000 Studenten für bessere Studienbedingungen. Die im Rathaus tagenden Rektoren blieben unbehelligt. Die Demonstranten, teils aus anderen Bundesländern angereist, sprachen der HRK ab, im Interesse der Studenten zu handeln. Daher dürfe sie sich nicht länger als "Stimme der Hochschulen" bezeichnen. Kritische Stimmen seien von den Rektoren nicht gehört worden. Zwar hatte die HRK-Spitze Studenten eingeladen, die Demonstranten sprachen jedoch von "wahllosen" Anfragen an eher unkritische Studenten. Auch Rektoren kritisierten unter Beifall die Einladung von zwei Studenten als "Alibiveranstaltung".

Derweil dauerte an mehreren Hochschulen die Besetzung von Hörsälen an. In Leipzig hielten etwa 40 Studenten das Rektoratsgebäude besetzt. In Osnabrück stellte das Rektorat den Studenten ein Ultimatum. Sie sollten den großen Hörsaal der Universität bis Mittwochmittag freigeben.

Beschämend für die größte Universität des Ruhrgebiets

In Bochum ließ die Polizei am Dienstagmorgen das Audimax der Ruhr-Universität räumen. 28 Studenten seien aus dem Hörsaal getragen worden, sagte ein Sprecher der Polizei. Drei Besetzer hätten so starken Widerstand geleistet, dass sie festgenommen worden seien. Es sei beschämend für die größte Universität des Ruhrgebiets, dass das Rektorat Polizei gegen Studenten einsetzte, sagten Studentenvertreter. Die Uni-Leitung versuche, eine gerade begonnene Debatte über bessere Studienbedingungen im Keim zu ersticken.

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