Studentenproteste in den USA:Sit-in gegen Sparkurs

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Während Studenten in Deutschland gegen die Hochschulpolitik demonstrieren, kommt es an amerikanischen Unis zum Aufruhr. Über die deutschen Forderungen können die Studenten dort nur staunen.

Tanjev Schultz

Die Proteste an den Hochschulen werden auch in dieser Woche weitergehen. Am Dienstag wollen Studenten in Leipzig eine Sitzung der Hochschulrektoren stören, zu der Uni-Chefs aus der ganzen Republik erwartet werden. Die Rektoren wollen über die Reform der Bachelor-Studiengänge beraten. Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) verlangte am Sonntagabend in der ARD einen Abbau der Stoff- und Prüfungsfülle. Alle seien jetzt in der Pflicht; die Hochschulen legten viel Wert auf Autonomie, "dann ist jetzt auch zu erwarten, dass sie es gut umsetzen", sagte Schavan.

Studenten der Universität Berkeley im Handgemenge mit Polizisten. 40 Protestierende wurden Ende voriger Woche festgenommen. (Foto: Foto: AP)

An mehreren Unis hielten Studenten weiterhin Hörsäle besetzt. Zwar repräsentieren sie nicht unbedingt die Masse der Studenten, der Kreis der Aktivisten ist aber hartnäckig. Sie sehen sich als Teil einer internationalen Bewegung. Seit Wochen protestieren in Österreich die Studenten, und mittlerweile regt sich auch in den USA Widerstand gegen die Hochschulpolitik. In Kalifornien demonstrierten Ende voriger Woche mehrere Tausend Studenten gegen die hohen Studiengebühren, gegen Etat-Kürzungen und Entlassungen von Mitarbeitern. Die Organisation des Studiums oder gar der Stellenwert des Bachelor-Abschlusses spielen dort hingegen keine Rolle.

Betroffen von den Protesten ist vor allem die University of California. Auf dem Campus in Berkeley kam es am Freitagabend zum Tumult, nachdem Studenten ein Seminargebäude, die Wheeler Hall, besetzt hatten. Polizisten räumten das Gebäude und nahmen 40 Demonstranten fest. Nach Angaben der Uni-Leitung sind 3800 Studenten durch die Besetzung im Studium behindert worden; trotz der großen Tradition freier Meinungsäußerung könne man illegale Besetzungen nicht dulden, sagte Uni-Kanzler Robert Birgeneau. Die Studenten griffen aber auch noch zu einem anderen Störmittel, das ihre deutschen Kommilitonen bisher nicht entdeckt haben: Sie lösten immer wieder falschen Feueralarm aus.

Berkeley hatte in den sechziger Jahren zu den großen Zentren der Studentenbewegung gehört. Die akademischen Programme haben weltweit einen exzellenten Ruf, Berkeley gilt als eine der besten staatlichen Hochschulen der Welt. Auch viele Professoren dort sind nun besorgt, die aktuellen Kürzungen könnten den Ruf und die Substanz ihrer Alma Mater nachhaltig beschädigen.

Der Bundesstaat Kalifornien ist finanziell schwer angeschlagen und hat seinen Schulen und Hochschulen ein striktes Sparprogramm auferlegt. An den Unis werden Stellen gestrichen, die Studiengebühren sollen um etwa 30 Prozent steigen und dann bei mehr als 10000 Dollar im Jahr liegen. In Deutschland betragen sie in Bundesländern wie Bayern oder Baden-Württemberg 500 Euro im Semester. Deutsche Gebührengegner sehen jedoch die Gefahr, dass dies erst der Anfang ist.

Sit-ins gegen den Sparkurs

In Santa Cruz, wo es ebenfalls einen Campus der University of California gibt, veranstalten Studenten seit Wochen immer wieder Sit-ins, um gegen den Sparkurs zu demonstrieren. In Los Angeles und Davis gab es Demonstrationen. Da auch an anderen amerikanischen Hochschulen das Geld knapper wird, könnte der Protest demnächst auf andere Bundesstaaten der USA übergreifen.

Viele US-Hochschulen verzichten mittlerweile immer öfter auf teure, festangestellte Professoren und heuern stattdessen schlecht bezahlte, befristet beschäftigte Dozenten an. In Deutschland träumen viele Professoren zwar von amerikanischen Verhältnissen, aber dabei haben sie nur wenige Spitzenunis vor Augen. Und selbst diese werden oft verklärt. Denn sogar in Berkeley oder Los Angeles gibt es Seminare und Vorlesungen, in denen Studenten kaum einen Platz finden oder die sie wegen zu großer Nachfrage nicht belegen können.

Höhere Gebühren, schlechteres Angebot

Viele sind frustriert, weil sie zwar immer höhere Studiengebühren zahlen sollen, die Angebote der Hochschulen aber schlechter werden. In der weltweiten Finanzkrise haben sogar reiche Privatunis wie Harvard und Yale große Summen verloren, überall herrscht nun Spardruck.

In Deutschland versuchen die Rektoren derweil, mit den protestierenden Studenten in einen konstruktiven Dialog zu treten. Bei der Rektoren-Tagung in Leipzig sollen Studentenvertreter gehört werden, in Potsdam trafen Besetzer Ende voriger Woche auch die brandenburgische Wissenschaftsministerin Martina Münch (SPD). Die Atmosphäre sei "angenehm" gewesen, berichtete der Student Max Groß anschließend. Konkrete Ergebnisse habe es aber leider noch nicht gegeben.

Staunen über die deutschen Forderungen

Die Studentenvertreter dringen unter anderem darauf, dass die Bachelor-Absolventen einen Rechtsanspruch für Master-Studienplätze erhalten. Derzeit fragen sich viele verunsichert, ob sie nach dem Bachelor eigentlich weiterstudieren können, denn teilweise gibt es für den Master Quoten und Notenvorgaben.

In vielen Fächern gilt ein Bachelor nicht als ausreichend, um später im Beruf voranzukommen. Ein Rechtsanspruch allerdings würde an den Grundfesten der Reform rütteln, und amerikanische Studenten können über solche Forderungen ihrer deutschen Kommilitonen nur staunen. In den USA begnügen sich die meisten Studenten mit einem Bachelor. Wer einen Master erwerben will, nimmt dafür ein neues, aufwendiges Bewerbungsverfahren auf sich.

© SZ vom 23.11.2009/holz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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