Studentenproteste:Dürftige Parolen

Fundamentalkritik ist zwecklos: Eine Abschaffung von Bachelor- und Masterstudiengängen ist illusorisch, es geht darum, sie besser zu machen.

Johann Osel

"Uni brennt" steht auf den Bannern - natürlich, bei Protesten müssen die Parolen zugespitzt sein, spektakuläre Aktionen wie Hörsaalbesetzungen gehören dazu.

Studentenproteste: Protestierende Studenten im Hörsaal: Das irrige Bild, schlechte Bildung sei gewollt

Protestierende Studenten im Hörsaal: Das irrige Bild, schlechte Bildung sei gewollt

(Foto: Foto: dpa)

Doch verfolgt man das Geschehen an den Hochschulen, spricht man mit den Leuten, prüft die Losungen, die kampfeslustige Studentenvertreter mit Berufspolitiker-Pathos in die Mikros sagen oder durchs Internet jagen, mutet das an wie ein absurdes Gedankenspiel: Als ob es irgendwo, vielleicht bei Bildungsministerin Schavan oder bei Margret Wintermantel in der Hochschulrektorenkonferenz, einen geheimen Knopf gäbe mit der Aufschrift "Bessere Bildung". Und Schavan und Wintermantel schlichen drumherum wie die Katzen und trauten sich nicht, ihn zu drücken. Oder, horribile dictu, verweigerten dies absichtlich.

Die Studenten vermitteln das irrige Bild, schlechte Bildung sei gewollt. Zwar ist die zweite große Protestaktion binnen sechs Monaten ein gutes Signal, um an die Baustelle Bildungspolitik zu erinnern. Und tatsächlich haben die Studenten schon jetzt mehr erreicht als die üblichen Lippenbekenntnisse: Ministerin Schavan plant einen Gipfel, Bildungsfunktionäre stimmen plötzlich in das Bologna-Klagelied ein. Doch alle wissen: Bildung per Knopfdruck gibt es nicht.

Zwei Hauptanliegen treiben die Studenten an - die Gebührenfreiheit und die Bologna-Reform. Bei den Gebühren sind die Proteste vergebliche Mühe. Dort, wo es sie gibt, ist dies von konservativen Regierungen politisch gewollt. Die Studenten könnten über Monate hinweg Hörsäle besetzen - erpressen ließe sich damit niemand.

Unumkehrbarer Bologna-Prozess

Und für die Bologna-Reform gibt es eben keine schnellen Rezepte. Zu starr die Stundenpläne, zu groß der Druck, lautet zu Recht der Vorwurf. Die Strukturen des Bachelor-Studiums und der Prüfungs-Fetischismus stehen der wissenschaftlichen Freiheit im Weg.

Ein Germanist wird es sich überlegen, ob er sich in das Werk von Arno Schmidt einarbeitet oder Manns "Zauberberg" ganz liest, wenn ständig Klausuren lauern, deren Noten maßgeblich für den Abschluss sein werden. Ein Naturwissenschaftler hadert mit seinem Fach, wenn er betonierte Stundenpläne zu erfüllen hat, die eher an einen Abitur-Leistungskurs erinnern. Ein solches Bachelor-Studium bildet lediglich ökonomisch schnell nutzbaren Durchschnitt aus.

Doch der Bologna-Prozess ist nicht umkehrbar, Fundamentalkritik unnütz. Nur die Unis selbst können die Reform reformieren: Sie müssen für jeden Studiengang feststellen, welche Inhalte sinnvoll sind, und zugleich die nötigen Freiheiten bieten. Sie müssen das kleinteilige Prüfungssystem hinterfragen und teils flexible Studienzeiten, etwa den Bachelor in sieben oder acht Semestern, erproben.

Kurz: Sie müssen ihre neuen Angebote studierbar machen. Die Studenten kennen die Probleme am besten. Sie sollten nun in die Labore, Bibliotheken und Seminare zurückkehren und dann ihren Uni-Leitungen konkrete Vorschläge unterbreiten - statt dürftiger Parolen.

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