Investieren in Studenten:Die Menschen-Aktie

Katharina, Lea, oder Florian: Lars Stein verkauft Studenten als Aktie, ein Anteil kostet 100 Euro. Am beliebtesten sind Künstler - renditeträchtige BWLer verkaufen sich schlecht.

Alina Fichter

Wie ein Menschenhändler sieht er gar nicht aus, der junge Mann im Poloshirt, der da im Schatten der Platanen sitzt, in den Himmel guckt und sich gedankenverloren Spaghetti Bolognese um die Gabel wickelt. Sanft blicken seine grünbraunen Augen in den Himmel, langsam dreht er die Gabel auf dem Teller. Seine Stimme ist so leise, dass man sich vornüber beugen muss, sonst würde das Geschirrgeklapper der Kellnerin seine Worte verschlucken.

Investieren in Studenten: Kurze Zeit nachdem ihr Student in den Beruf gestartet ist, bekommen die Käufer der Studienaktie einen bestimmten Prozentsatz seines Jahresgehaltes. Lars Stein möchte sein Erfolgsgeschäft jetzt auch auf Deutschland ausweiten.

Kurze Zeit nachdem ihr Student in den Beruf gestartet ist, bekommen die Käufer der Studienaktie einen bestimmten Prozentsatz seines Jahresgehaltes. Lars Stein möchte sein Erfolgsgeschäft jetzt auch auf Deutschland ausweiten.

Und doch ist Lars Stein seit diesem Jahr hauptberuflicher Menschenhändler, so etwas Ähnliches zumindest. Er verkauft Menschen-Aktien: Eine Katharina hat er im Angebot, eine Lea, einen Florian, gestückelt in gleich große Teile, die jeweils 100 Euro kosten.

Die Aktien sind gefragt, sie verkaufen sich gut. So gut, dass Stein das Geschäft seines Vereins namens Studienaktie.org jetzt ausdehnen will. Von Winterthur, wo er im beschaulichen Stadtinneren ein Büro und zwei Mitarbeiter hat, hinaus in den Rest der Schweiz, nach Österreich, und Deutschland. "Was danach kommt - mal sehen", sagt er, lächelt und wickelt wieder Nudeln um die Gabel. Stein spricht langsam, sein Deutsch hat mittlerweile eine Schweizer Färbung, obwohl er ursprünglich aus dem Saarland stammt.

Seine Idee ist diese: Auf der einen Seite steht ein junger Mensch, mittellos, mit Ambitionen; auf der anderen einer, der Geld übrig hat - viele wissen ja seit der Finanzkrise nicht mehr, wie sie ihr Geld gewinnbringend und risikoarm anlegen können. "Ich biete beides", sagt Stein. Also unterschreiben Student und Investor einen Vertrag, der festlegt, wie viel Geld fließt und wann es zurückgezahlt wird - und zu welchem Zinssatz.

Genau so ein Vertrag verbindet Katharina Foth, 24, Innenarchitekturstudentin, und Mark Siebert, 35, Vertriebsleiter eines Großkonzerns. Die beiden sitzen am Holztisch eines Münchner Cafés und trinken Pfirsichsaftschorle. Fragt man Siebert, wieso er Katharina-Aktien gekauft hat, sagt er: "Ich wollte etwas Sinnvolles mit meinem Geld machen." Tatsächlich wäre Katharinas Traum ohne sein Geld zerbrochen: Innenarchitektur wollte sie studieren, unbedingt. "An einer Privatschule in München", erzählt sie. Aber sie konnte die Gebühren nicht stemmen. Und der Bankberater, bei dem sie einen Kredit beantragen wollte? "Sagte mir, ich solle eine Ausbildung machen. Ihm habe das auch nicht geschadet." Katharina schüttelt ihren Kopf so heftig, dass der locker geflochtene Zopf hin und her fliegt: "Ich will gestalten."

Mark Siebert, der Vertriebsleiter, lebt in einer anderen Welt als sie, einer voller Zahlen. "Ich wollte mich mit jemanden austauschen, der kreativ arbeitet", sagt er, deshalb habe er sich für die Katharina-Aktie entschieden. Der Kurs sei ihm gar nicht so wichtig. Und so plaudern die beiden über Katharinas Prüfungen, über Kunst und Innenarchitektur.

Was drin steht, ist Verhandlungssache

Mit den Studenten in eine fremde Welt eintauchen, das wollen die meisten Investoren. Viele sind Unternehmensberater. Angehende Betriebswirte seien daher am schwersten zu vermitteln, sagt Stein: "Eine Kunststudentin in Südafrika dagegen, das klappte sofort."

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Der Kurs der Studienaktie ist vielen Anlegern gar nicht so wichtig - ihnen geht es um den Austausch mit den Studenten.

(Foto: iStockphoto/Harald Richter)

Erstaunlich eigentlich, ist doch der Kniff der Studienaktie, dass Investoren kurze Zeit, nachdem ihr Student in den Beruf gestartet ist, einen bestimmten Prozentsatz seines Jahresgehaltes bekommen. Je glänzender die Karriere, desto höher der Gewinn, klar. Betriebswirte dürften deutlich mehr abwerfen als die Künstlerin in Südafrika. Das ist dem Investorenpaar egal. Ihre Rendite: Bilder. Und Tipps auf der nächsten Afrikareise.

Ganz klar: Was in den Aktienverträgen steht, ist Verhandlungssache. Auszahlungszeitpunkt, Höhe des Betrags, Zinsen. Manche Aspiranten schließen Risikolebensversicherungen ab, andere nicht. Nur eines ist Pflicht: Jeder Student rechnet aus, wie viel er einnimmt und ausgibt. Und er erklärt, was er in ein paar Jahren erreicht haben will. Das schreckt viele ab: "Ich hätte mich als junger Mann nicht beworben", sagt einer der Investoren, "mir wäre das zu aufwendig gewesen." Wohl deshalb gab es bisher 200 Anfragen, aber nur 20 haben den Bewerbungsprozess bis zum Schluss durchgehalten, weitere 20 stehen kurz vor Vertragsabschluss. Aber Stein bleibt dabei. Das sei die einzige Sicherheit, die Investoren hätten.

Angefangen hat alles mit der Lars-Stein-Privataktie, im Jahr 2001. Stein gab sie damals aus, weil er nicht wusste, woher er das Geld für sein BWL-Studium in St. Gallen nehmen sollte. Zuerst waren die Menschen perplex, als sie von seiner Idee hörten. Aber die Aktie wurde schnell zum Renner. Immer mehr Leute wurden aufmerksam, irgendwann riefen Wildfremde an, Journalisten wollten ihn interviewen. Stein wurde so berühmt, dass sogar die Schweizer Bankenaufsicht Finma nachfragte, ob auch alles mit rechten Dingen zugehe. Als die Beamten hörten, dass Stein nur eine begrenzte Zahl Investoren habe - nämlich 15 - und dass die auch keine Stimmrechte besäßen, waren sie zufrieden. Außerdem wurde die Lars-Stein-Aktie natürlich nicht an der Börse gehandelt. In Wahrheit ist das Wertpapier also ein Darlehen mit Erfolgsbeteiligung. Aber Aktie hört sich besser an.

Ganz neu ist die Idee nicht, vor 20 Jahren sammelte der Vater von Tennisprofi Tommy Haas auf ähnliche Art Geld für die Ausbildung seiner Kinder. 15 Investoren zahlten rund 750.000 Mark für Tommy und seine Schwester. Renditeversprechen: 15 Prozent aller Einnahmen. Aber als Haas zu den Weltbesten aufstieg, verweigerte der Vater zunächst die Zahlung.

Diese Gefahr bestehe bei der Studienaktie nicht, sagt Stein: "Mindestens das investierte Geld bekommt der Investor wieder." Das einzige Risiko sei die Privatinsolvenz des Studenten. Das kam aber bisher nicht vor.

Der Gründer hat vor kurzem begonnen, den eigenen Lars-Stein-Investoren ihr Geld zurückzuzahlen. Sein Kurs - also Gehalt - könnte höher stehen, denn statt Unternehmen zu beraten, kümmert er sich lieber um die Studienaktie. In diesem Jahr haben sich die Mitgliederzahlen auf 112 verdoppelt. "Ein Riesenerfolg", sagt Stein, aber er ist noch längst nicht am Ziel. Er möchte möglichst schnell in Deutschland Fuß fassen. In drei Jahren will Stein mindestens 1000 Mitglieder haben. Irgendwann soll die Idee vielleicht in Entwicklungsländer weiter getragen werden.

Aber eins nach dem anderen. Einer wie Stein betreibt selbst den Menschenhandel ganz sanft.

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