Stress im Studium:Fix und fleißig

"Sie haben mehr Druck und sie machen sich mehr Druck": Jeder zweite Student hat Angst, sein Studium nicht zu schaffen. Für viele ist der neue Prüfungsrythmus "unerträglich" - aber sie machen sich das Leben auch selbst schwer.

Tanjev Schultz

Der Leistungsstress, den Studierende spüren, ist in den Bachelor-Studiengängen gestiegen. Jeder zweite Student macht sich Sorgen, ob er sein Studium schaffen und erfolgreich abschließen kann. Das geht aus dem neuen "Studierendensurvey" der Universität Konstanz hervor, den das Bundesbildungsministerium in Auftrag gegeben hat.

Immer mehr junge Leute können studieren

Missstände anprangern: So lautet die uralte journalistische Regel. So war das auch beim BILD-Titel "Super-Panne beim Mathe-Abitur" vor drei Jahren. 

(Foto: dpa)

Vor allem die hohe Zahl von Prüfungen und die Menge des in kurzer Zeit zu bewältigenden Stoffs erleben viele als Problem - darüber hatten Studenten auch bei ihren Protesten in vergangenen Semestern geklagt. Der straffe Prüfungsrhythmus sei für viele "unerträglich", sagt Tino Bargel, einer der Autoren der Studie.

Allerdings setzen sich die Studenten heute offenbar auch stärker selbst unter Stress, verglichen mit früheren Zeiten. "Sie haben mehr Druck - und sie machen sich mehr Druck", sagt Bargel, der entsprechende Umfragen seit langem betreut. Zwar verwenden die Bachelor-Studenten im Durchschnitt nicht mehr Zeit für ihr Studium als ihre Kommilitonen in den traditionellen Magister- und Diplom-Studiengängen; und weiterhin gibt es dabei große Unterschiede zwischen den Disziplinen. Aber weil die Prüfungen nun studienbegleitend abgenommen werden und viele verunsichert sind, ob ihre Noten reichen werden, um später ein Master-Studium anzuschließen, ist vom lässigen Studentenleben nicht mehr viel übrig.

Viele Abiturienten bringen außerdem schon eine andere Mentalität mit an die Hochschule, sagt Bargel: "Sie wollen fleißig sein." Gut ein Viertel der Uni-Studenten geben an, mehr Lehrveranstaltungen zu besuchen, als laut Studienordnung nötig sind. Ein beachtlicher Teil der Studierenden gerate trotz strikter Vorgaben zum Studienverlauf in Verzug, was die Studienzeiten wieder verlängere.

Widerstand gegen "Billigstudienplätze"

Während 2001 nur 39 Prozent der Studierenden die Leistungsanforderungen als zu hoch empfanden, waren dies bei der neuen Umfrage 51 Prozent. An den Fachhochschulen sind die Werte allerdings im Durchschnitt geringer (heute 39 Prozent, früher 32 Prozent).

Befragt wurden im Wintersemester 2009/10 bundesweit rund 8000 Studenten verschiedener Universitäten und Fachhochschulen. Vertreter der Hochschulen sagen, es sei nur eine "Momentaufnahme"; seit der Umfrage habe sich bereits wieder viel verändert. Denn nach den Studentenprotesten würden sich viele Fakultäten darum bemühen, die Lage zu entspannen. Tatsächlich sind in manchen Studiengängen bereits Prüfungen reduziert oder in unbenotete Leistungsnachweise umgewandelt worden.

Inhaltlich zufrieden

"Ich bin sicher, dass es gelingen wird, den hohen Druck abzumildern", sagt die Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Margret Wintermantel. Und sie verweist auf die vergleichsweise erfreulichen Ergebnisse der Studie: So würden 96 Prozent der Befragten sagen, dass sie sich fachlich gefördert fühlen.

Auch das Bundesbildungsministerium betont das Positive. Die Befragung zeige, dass die Mehrheit der Studierenden insgesamt mit der inhaltlichen Qualität ihres Studiums zufrieden sei. Der Gesamtaufbau der Studiengänge und die Art der Lehrveranstaltungen würden überwiegend als gut bezeichnet. Außerdem würden sich die meisten mit ihrem Fach identifizieren.

Die inhaltliche Qualität der Lehre bewerten die meisten Studenten in der Umfrage als gut. In den neuen Bachelorstudiengängen werden allerdings Abstriche beim Aufbau der Studiengänge und bei der Betreuungs- und Beratungsqualität gemacht. Die Betreuungs- und Beratungsleistung wird vor allem in Jura und Medizin sowie in den Wirtschaftswissenschaften schlechter bewertet als in anderen Fächern.

Überfüllung und Anonymität

Überfüllung und Anonymität an der Hochschule würden viele Studierende weiterhin beeinträchtigen; offenbar haben die neuen Studiengänge die Situation zumindest in den Massenfächern bisher nicht, wie oft versprochen, verbessern können. Mit dem bevorstehenden Andrang an den Hochschulen durch die letzten geburtenstarken Kohorten und durch doppelte Abiturienten-Jahrgänge dürfte die Lage an vielen Fachbereichen auch in den kommenden Semestern nicht gerade einfacher werden.

Sie habe "volles Verständnis" dafür, sagt HRK-Präsidentin Wintermantel, wenn sich die Studierenden über ständig überfüllte Lehrveranstaltungen beklagen und sich eine bessere Betreuung und Beratung wünschen. Der hochschulpolitische Sprecher der Grünen, Kai Gehring, appelliert an Bund und Länder, die Rahmenbedingungen für das Studium deutlich zu verbessern: "Es muss endlich Schluss damit sein, dass Betreuung und Beratung für viele Studierende Seltenheitswert haben." Der bisherige Ausbau der Hochschulen, mit dem Platz für weitere Studienanfänger geschaffen werden soll, sei lediglich ein Programm für "Billigstudienplätze".

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