Stress im Beruf:Krank vor Sorge

Furcht vor Jobverlust und stetig steigenden Anforderungen - in Zeiten der Krise ist das fast normal. Doch bei manchen Arbeitnehmern wird die Angst zu versagen übermächtig.

Angst vor Arbeitslosigkeit und den stetig steigenden Anforderungen im Job - in Zeiten der Rezession ist das eigentlich schon normal.

Stress im Beruf: Versagensangst im Job: Wer plötzlich viel Verantwortung übernehmen muss, ist besonders anfällig.

Versagensangst im Job: Wer plötzlich viel Verantwortung übernehmen muss, ist besonders anfällig.

(Foto: Foto: dpa)

Manchmal geht die Angst zu versagen aber so weit, dass sie Alltag und Gedanken beherrscht. In diesem Fall steckt eine ernstzunehmende Angsterkrankung dahinter - und die Betroffenen haben professionelle Hilfe nötig.

Versagensangst trete bei verschiedenen psychiatrischen Erkrankungen auf, erklärt Professor Andreas Ströhle, leitender Oberarzt an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Charité Universitätsmedizin Berlin. Das seien typischerweise Depressionen und bestehende Angsterkrankungen wie die soziale Phobie und die generalisierte Angststörung.

Gefürchtete Bewertungen

Bei Depressionen äußert sich die Angst allgemein in einer negativen Sicht der Dinge. Erkrankte sind davon überzeugt, dass sie ohnehin nichts können. "Menschen mit sozialer Phobie fürchten sich vor Bewertungen durch andere", sagt Birgit Mauler, leitende Psychologin an der Christoph-Dornier-Klinik in Münster. Die Betroffenen haben Angst, in den Augen anderer zu versagen. Dabei kann es ganz eingegrenzt um die Angst vor Prüfungen gehen. Oder aber der Betroffene fürchtet alle Situationen, in denen er mit anderen Menschen in Kontakt tritt.

Typischerweise komme es dann zu einem Vermeidungsverhalten, erklärt Ströhle. "Das führt in einen Teufelskreis, weil der Erkrankte sich immer mehr zurückzieht." Unruhe, Schlafstörungen oder Verspannungen treten oft als körperliche Symptome auf. Manche versuchten auch, die Angst zu kompensieren, sagt Mauler - sie lernen dann etwa umso härter, um nicht zu versagen.

Für Menschen, die unter einer sozialen Phobie leiden, sei der Leidensdruck besonders groß, erklärt Professor Borwin Bandelow von der Psychiatrischen Klinik der Universität Göttingen. "Alles ist peinlich - auch der nötige Arztbesuch." Viele würden außerdem von der Umwelt nicht als Kranke wahrgenommen und merkten selbst nicht, dass sie krank sind.

Plötzlich viel Verantwortung

Bei einer generalisierten Angststörung haben Betroffene übertriebene Ängste vor vielen alltäglichen Dingen. "Das reicht von der Sorge um den Arbeitsplatz oder die eigene Gesundheit bis zur Frage, ob das Auto noch lange hält", sagt Mauler. Diese Störung trete vor allem in Lebenssituationen auf, in denen die Person plötzlich viel Verantwortung übernehmen muss - etwa beim ersten Job oder der Geburt eines Kindes.

Doch egal, welche Erkrankung zugrunde liegt - Angst sei eigentlich eine natürliche Triebkraft, sagt Bandelow. Menschen mit Angststörungen überschätzten Ängste aber massiv. "Jemand glaubt etwa fest daran, bei einer Prüfung zu scheitern, die er schon viele Male erfolgreich gemeistert hat." Eine gewisse Anspannung vor Prüfungen sei sicherlich normal und habe auch positive Effekte, so Ströhle.

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Wenn Angst anspornt

Schrillende Alarmglocken

Dabei könne man sich den Zusammenhang zwischen Angst und kognitiver Leistungsfähigkeit als umgekehrte U-Kurve vorstellen: "Bis zum Wendepunkt steigt die Leistungsfähigkeit - danach fällt sie aber rapide ab." Ängste können nützlich sein, um bestimmte Ziele zu erreichen, sagt auch Mauler. Werden die Ängste aber so stark, dass sie den Alltag des Betroffenen behindern, ist ärztliche Hilfe sinnvoll.

Bei Personen mit Angstsymptomen sollten die Alarmglocken angehen, wenn sie nicht mehr das tun, was sie eigentlich gerne möchten, rät Ströhle. "Hilfe finden Betroffene in Kliniken und bei niedergelassenen Psychologen und Psychotherapeuten." Dort würden Angsterkrankungen entweder medikamentös oder durch eine Psychotherapie behandelt. Das sei in den meisten Fällen eine kognitive Verhaltenstherapie. "Diese Therapieform hat sich durchgesetzt und liefert langfristig die größten Erfolge." Dabei sei es vor allem wichtig, dass Vermeidungsverhalten anzugehen - zum Beispiel durch Konfrontationsübungen.

Wie lange eine Psychotherapie dauert, ist unterschiedlich. Manche Patienten müssen nur über eine schwierige Lebensphase hinweg begleitet werden. Andere arbeiten ein Jahr oder länger mit ihrem Therapeuten zusammen. Manchen Patienten helfen zusätzlich auch Sport oder bestimmte Entspannungsverfahren wie die progressive Muskelrelaxation oder Yoga, sagt Ströhle. "Das muss der Betroffene aber für sich selbst herausfinden."

Austausch mit Freunden

Bei der medikamentösen Behandlung gehe es nicht um den Einsatz von verrufenen Beruhigungsmitteln, sondern von nützlichen Antidepressiva, sagt Ströhle. "Sie können im Einzelfall eine große Krücke für den Patienten sein." Medikamente seien eine gleichwertige Alternative, ergänzt Bandelow. Dadurch ergebe sich im Vergleich zur Psychotherapie kein Nachteil für den Patienten.

Ist die Angst noch nicht so stark entwickelt, hilft es auch, sich mit Freunden auszutauschen und zu fragen, wie diese mit ihren Ängsten umgehen, sagt Mauler. "Das soziale Netz kann gerade zu Beginn noch eine gute Unterstützung sein."

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