Streit unter Kollegen:Kampfzone Büro

Wenn Kollegen sich streiten, kann das für Unternehmen teuer werden. Bevor sie wichtige Mitarbeiter wegen interner Konflikte verlieren, holen sie Mediatoren ins Haus. Die arbeiten an einer Versöhnung - mit ihren eigenen Mitteln.

Miriam Hoffmeyer

"Die Situation war unerträglich. Ich konnte kaum noch an etwas anderes denken, auch abends und am Wochenende nicht", sagt die 39 Jahre alte Kulturwissenschaftlerin. Durch ihr Team in einer kleinen, städtischen Kultureinrichtung ging seit drei Jahren ein tiefer Riss: auf der einen Seite sie und ein Kollege, auf der anderen die beiden anderen Angestellten.

Boxkampf Mario Veit - Jürgen Brähmer

Einen Kampf auszufechten, der festen Regeln folgt, ist im Zweifel konstruktiver als verbissenes Schweigen. Selbst wenn man am Ende den Kürzeren zieht. (Im Bild: die deutschen Boxer Mario Veit und Jürgen Brähmer)

(Foto: dpa)

Angefangen hatte es damit, dass ein älterer Mitarbeiter jeden Vorschlag blockierte, den sie, "die Neue", machte. Nach einiger Zeit gingen sich beide Seiten nur noch aus dem Weg. "Jede Besprechung, bei der alle anwesend sein mussten, war so schrecklich, dass ich vorher schon Bauchschmerzen hatte. Ich war nahe daran zu kündigen", sagt die Frau. Ein Vorgesetzter bat schließlich einen Psychotherapeuten um Hilfe: Eine Mediation sollte das gespaltene Team wieder zusammenschweißen.

Konflikte, die derartig eskalieren, sind nicht nur ein Albtraum für die Beteiligten, sie kosten auch viel Geld. Wer in einen kraftraubenden Bürokrieg verwickelt ist, verliert Energie und Motivation - und wechselt vielleicht am Ende den Arbeitgeber. Daher sind viele Firmen dazu bereit, externe Mediatoren zu engagieren. Im Unterschied zu Richtern geht es diesen ausschließlich um einen Ausgleich der Interessen aller Beteiligten.

Die Psychologin Annette Krenovsky hat sich mit ihrer Firma KK-Business-Solutions in Höhenkirchen-Siegertsbrunn bei München auf die Mediation betriebsinterner Konflikte spezialisiert. Unter ihren Auftraggebern sind die Stadt München und die Unternehmen Wacker und Linde. Eine Mediation wirke oft schon dadurch deeskalierend, sagt sie, weil sie ein Signal sei, dass die Firma ihre Mitarbeiter nicht allein lasse.

Ganz gleich, ob Kollege gegen Kollege, Mitarbeiter gegen Chef, zwei Abteilungen gegeneinander: Zu Beginn einer Mediation führt Krenovsky gemeinsam mit einem Kollegen Einzelgespräche mit allen Beteiligten. Bei Teamkonflikten arbeitet sie zudem mit einem ganz besonderen Instrument, dem Beziehungsbrett, auf dem Klötzchen Personen und Aufgaben symbolisieren. "Wenn ein Klötzchen außerhalb des Bretts aufgestellt wird, weiß ich schon, der Konflikt ist stark eskaliert - dann geht es oft nur noch um ein gutes Auseinandergehen", sagt Krenovsky. "Viele vergessen übrigens, das Klötzchen für die Arbeitsaufgabe aufzustellen, obwohl es darum im Beruf ja eigentlich geht!"

Der Druck auf die Mitarbeiter steigt

Nachdem die Mediatoren alle Informationen gesammelt haben, machen sie den Vorgesetzten der Streithähne Vorschläge, wie eine Lösung aussehen könnte. Nur wenn alle Beteiligten ihr zustimmen, war die Mediation erfolgreich.

Insgesamt würden Konflikte in der Berufswelt häufiger, meint Krenovsky. Sie führt die Zunahme auf die Arbeitsverdichtung und knappere Ressourcen zurück: "Wenn jemand nicht so viel Leistung bringt wie ein anderer, fällt das stärker auf als früher, und es gibt auch weniger Verständnis dafür. Je mehr Stress, desto mehr Konflikte." Führungskräfte schauen nach ihrer Erfahrung oft zu lange weg - so lange, bis es in ihrem Team längst nicht mehr um Sachfragen geht, sondern nur noch um verletzte Gefühle.

Nach einem bekannten Modell des Wirtschaftswissenschaftlers Friedrich Glasl durchlaufen Konflikte neun Stufen der Eskalation, wobei die letzte Stufe praktisch Krieg heißt. Auf den ersten drei Stufen könnten kompetente Führungskräfte oft eine Lösung erreichen, meint Krenovsky, doch diese Chance werde noch zu oft verpasst.

Einige große deutsche Konzerne haben in den vergangenen Jahren damit begonnen, ein systematisches internes Konfliktmanagement aufzubauen. 2008 wurde der "Round Table Mediation und Konfliktmanagement der deutschen Wirtschaft" gegründet, an dem heute mehr als 20 Unternehmen Erfahrungen austauschen - darunter Siemens, die Deutsche Telekom, Lufthansa, die Deutsche Bank, Bayer und Audi.

Wenn zwei Projektleiter einen Mitarbeiter wollen

Der Runde Tisch wird vom Institut für Konfliktmanagement der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder wissenschaftlich begleitet, seine Gründung geht auf eine gemeinsame Initiative von SAP und Eon zurück. "Weil die Unternehmen bei diesem Thema nicht im Wettbewerb stehen, wird ganz offen miteinander gesprochen", sagt Jürgen Briem, der bei SAP für das Konfliktmanagementsystem verantwortlich ist.

Der Software-Konzern begann vor fünf Jahren, alle bestehenden Angebote zur Konfliktlösung zu vernetzen: die Personalabteilung, den Betriebsrat und die Abteilung für Gesundheitsmanagement. Zugleich wurde ein interner Mediatorenpool geschaffen, der laufend vergrößert wird. Heute gibt es bei SAP etwa 30 geschulte Mitarbeiter, die bei Bedarf im Nebenberuf als Mediatoren tätig werden. Auch externe Mediatoren werden eingesetzt.

Eine Ombudsstelle ist die höchste Instanz: Sie kommt ins Spiel, wenn andere Lösungsversuche gescheitert sind oder wenn sich ein Konflikt auf einer sehr hohen Hierarchiestufe abspielt. Um die neuen Angebote bekanntzumachen, bildete SAP Mitarbeiter aller Geschäftsbereiche und Hierarchieebenen als Ansprechpartner aus, bei denen Betroffene sich informieren können.

Jeder Konflikt bietet eine Chance auf Verbesserung, denn es stecken auch positive Energien darin", erklärt Jürgen Briem. "Aber wenn er eskaliert, wird er zerstörerisch." Ein typisches Problem sei der Streit zweier Projektleiter um denselben Mitarbeiter. In der Mediation könne sich zum Beispiel herausstellen, dass ein anderer ebenso geeignet ist - oder dass der begehrte Mitarbeiter für beide Projekte arbeiten kann, wenn er von anderen Aufgaben entlastet wird. "Fast immer lässt sich eine Lösung finden, mit der alle zufrieden sind. Entscheidend ist, dass man hinter die Kulissen schaut, um an die eigentlichen Interessen zu kommen." Das vernetzte System mache es möglich, frühzeitig einzugreifen.

Wenn ein Konflikt dagegen lange geschmort hat, kann oft auch ein Mediator nichts mehr ausrichten. Die vier Angestellten der städtischen Kultureinrichtung, die es nicht mehr miteinander aushielten, blieben auf Dauer verfeindet. Die Kulturwissenschaftlerin geht heute trotzdem wieder gern zur Arbeit: Ihr Hauptgegner entschied sich unerwartet für den Vorruhestand. "Wir haben das schriftlich erfahren", sagt sie. "Geredet hat er nicht mit uns."

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