Streit um gefälschte Doktorarbeiten:Wie Professoren Plagiate verhindern wollen

Festere Strukturen oder weniger Doktoranden? Die Hochschulen streiten um den besten Weg, um Plagiaten vorzubeugen. Aber auch abseits klarer Regelverstöße gibt es Auffälligkeiten: Warum werden an der Uni in München weniger als fünf Prozent der Doktorarbeiten mit "summa cum laude" bewertet, in Kiel hingegen mehr als die Hälfte?

Tanjev Schultz

Zum Stolz der deutschen Universität gehört das Promotionsprivileg. Die Professoren verteidigen es vehement, auch wenn die Plagiatsfälle der jüngsten Zeit ihren Stolz etwas gedämpft haben und nun ein Reigen von Tagungen zur Selbstkritik einlädt. So war es auch am Montagabend, als die Bayerische Akademie der Wissenschaften in München über das Thema diskutierte: "Plagiat, Fälschung und Co. - zieht die Wissenschaft Konsequenzen?"

Guttenberg soll bei Doktorarbeit abgeschrieben haben

Auslöser der Plagiatsdebatte: Die Doktorarbeit von Karl Theodor zu Guttenberg.

(Foto: dpa)

Oliver Lepsius, Rechtsprofessor in Bayreuth, warnte eindringlich davor, die Plagiatsfälle hochschulpolitisch zu instrumentalisieren. Der Skandal sei leider "Wasser auf die Mühlen" von Reformern, die den einzelnen Professor und die Fakultäten zugunsten der Hochschulleitungen weiter schwächen wollten. Und an Fachhochschulen und außeruniversitären Instituten lauerten viele nur darauf, den Universitäten das Promotionsprivileg zu entwinden.

Im Frühjahr hatte Lepsius den Plagiator Karl-Theodor zu Guttenberg scharf kritisiert, ihn einen "Betrüger" genannt und damit Aufsehen erregt. Eine Bagatellisierung des Skandals kann man dem Professor - er ist der Lehrstuhl-Nachfolger von Guttenbergs Doktorvater Peter Häberle - wahrlich nicht vorwerfen.

Umso bemerkenswerter ist Lepsius' Skepsis, ob die jetzt diskutierten Maßnahmen gegen Fehlverhalten wirklich hilfreich sind. Zum Beispiel die "Graduiertenschulen", die von Wissenschaftsfunktionären so geliebt und gefördert werden. Das Promovieren in festen Strukturen passt speziell den Juristen wenig.

Viele ihrer Doktoranden sind Externe, die in Kanzleien arbeiten, und das nicht unbedingt in der Provinz. Universitäten wie die in Bayreuth würden abgehängt, wenn die Doktoranden permanent präsent sein müssten - diese Sorge äußerte Lepsius unverhohlen. Ohnehin solle man nicht so tun, als müsste man Akademiker, die Ende 20 oder Anfang 30 seien, noch "schülerhaft behandeln" und die ganze Zeit an der Hand halten.

Lug und Trug in der Wissenschaft

Das sah der Pharmakologe Martin Lohse weniger gelassen. Die Betreuung habe man in den vergangenen Jahren nicht ernst genug genommen: "Der gefährdeteste Doktorand ist der, der irgendwo weit draußen im Orbit ist." Lohse, Vizepräsident der Universität Würzburg, warf Lepsius vor, zu wenig Phantasie bei der Konzeption von Graduiertenschulen aufzubringen.

Es sei ja nicht unbedingt nötig, dass ein Doktorand mehrmals in der Woche auf dem Campus erscheine. Man könne auch eine einwöchige Präsenzphase im Sommer ansetzen. Wer selbst das nicht schaffe, der könne ohnehin nicht glaubhaft machen, fürs Promovieren genügend Zeit zu haben.

Lepsius und Lohse gerieten nicht aneinander, markierten aber die beiden Pole in der laufenden Debatte über Prävention gegen wissenschaftliches Fehlverhalten. Die einen haben einen Horror vor neuen, mehr oder weniger technokratischen und kontrollfixierten Hochschulreformen mit ihren oft ungeahnten Nebenfolgen.

Die anderen fühlen sich gezwungen, auf die Häufung von Lug und Trug in der Wissenschaft zu reagieren. "Nicht nur die Betreuer, die Fakultäten müssen Spielregeln festlegen", forderte Lohse. Man dürfe die Doktorväter und -mütter nicht so einfach davonkommen lassen.

Problem "Ghostwriting"

Das Kontrollversagen und die Intransparenz bei den Qualitätsstandards waren nicht nur im Fall Guttenberg eklatant. In Würzburg wurden offenbar über Jahre hinweg absurd dünne Dissertationen von einem Medizinhistoriker durchgewunken - und man fragt sich, warum seine Kollegen nicht viel früher etwas bemerkten und einschritten.

Internet-Aktivisten haben in den vergangenen Monaten zudem ein gutes Dutzend weiterer Plagiatsfälle aufgerollt; Universitäten in der ganzen Republik sind betroffen, überwiegend laufen die internen Ermittlungen noch. Es ist für die Hochschulen peinlich, dass sogar Fälle neu untersucht werden müssen, die man nach ersten Vorwürfen eigentlich schon zu den Akten gelegt hatte. Offenbar sind die Hinweise nicht gewissenhaft und gründlich genug geprüft worden.

Der Plagiatsexperte Volker Rieble konfrontierte das Podium am Montagabend dann auch noch mit dem völlig ungelösten Problem des "Ghostwriting". Dagegen haben die Universitäten bisher überhaupt kein Mittel gefunden - obwohl es gravierender ist als die vergleichsweise leicht zu entdeckenden Plagiate.

Jenseits klarer Regelverstöße birgt der Promotionsbetrieb weitere Sonderbarkeiten, die nun endlich zur Sprache kommen. Auf einer Konferenz der Friedrich-Ebert-Stiftung präsentierte Stefan Hornbostel, Leiter des Instituts für Forschungsinformation und Qualitätssicherung, eine bemerkenswerte Statistik zur Notengebung.

In den vergangenen Jahren hat mehr als die Hälfte der wirtschaftswissenschaftlichen Doktorarbeiten an der Universität Kiel die Bestnote "summa cum laude" erhalten. An der Ludwig-Maximilians-Universität in München waren es dagegen weniger als fünf Prozent. Dass sich alle Genies in Kiel versammeln würden, sei jedoch eher unwahrscheinlich, sagte Hornbostel.

Hochschullehrer sorgen sich um ihre Autonomie

Die Frage ist nun, ob sich die Gemeinde der Wissenschaftler über die Grenzen der Hochschulen, Fakultäten, Fächer und Lehrstühle hinweg auf Schritte für mehr Qualität und Transparenz einigen kann.

Die Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), die Psychologin Margret Wintermantel, konnte dazu bereits ein bezeichnendes Erlebnis schildern: Ihrer Ansicht nach schaffe man es als Professor allenfalls, vier Doktoranden gleichzeitig gut und gewissenhaft zu betreuen. Auf dem Juristischen Fakultätentag habe sie mit dieser Aussage jedoch "größtes Erstaunen" ausgelöst. Manch ein Jurist sammelt Doktoranden wie ein Guru seine Jünger.

Professoren wie Oliver Lepsius sähen es nicht gerne, wenn nun die HRK, der Gesetzgeber oder Uni-Präsidenten in die Doktorandenbetreuung hineinregierte. Schon jetzt fühlen sich viele gegängelt: "Wo ist die Autonomie des Hochschullehrers geblieben?", fragte Lepsius.

Der Klage über unterfinanzierte Universitäten und einen ins Gefährliche gesteigerten Konkurrenzdruck konnte sich auch Martin Lohse anschließen. Die Wissenschaft werde mittlerweile wie ein Sport inszeniert, mit Wettkämpfen, Ranglisten und Medaillen: "Und so wie wir die Wissenschaft als Sport betreiben, kriegen wir auch Doping." Es klang fast ein wenig resignativ.

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