Strategien gegen Lampenfieber:Nie mehr schweißnasse Hände

Perfekt vorbereitet aufs Bewerbungsgespräch oder die mündliche Prüfung, und trotzdem endet der Auftritt in der Katastrophe? Lampenfieber ist schuld daran. Wie man sich vor Unsicherheit schützt.

Julia Bönisch

Schon in der Grundschule gibt es zwei Typen von Kindern: Beim weihnachtlichen Flötenvorspiel punkten die einen bei den Lehrern, und ihre Eltern platzen vor Stolz. Die anderen dagegen sterben vor Nervosität, ihre feuchten Finger wollen die Löcher nicht richtig zudecken, und heraus kommt nur ein schiefes Gequietsche. Die gleichen Kinder vergessen beim Krippenspiel den Text, und bevor sie zum 70. Geburtstag der Oma ein Gedicht aufsagen müssen, sterben sie beinahe vor Angst.

Dieses Phänomen zieht sich durchs ganze Leben: Egal ob eine Klassenarbeit, die Abitur- oder Examensprüfung, Bewerbungsgespräch, Gehaltsverhandlung, Präsentation beim Kunden: Immer gibt es Menschen, die weitgehend souverän und überlegen ihren Alltag meistern. Und dann gibt es noch die andere, wesentlich größere Gruppe, die vor jedem größeren Ereignis mit der eigenen Nervosität, mit feuchten Händen, Kribbeln im Magen, Herzrasen und Durchfall zu kämpfen hat.

Nervosität entsteht, wenn der Nerven-Stoffwechsel des Menschen durch äußere Einflüsse gestört wird. Solche Einflüsse können Ärger, Hektik und Stress sein - und meistens sind wir ihnen schutzlos ausgeliefert. Denn selbst wenn wir an der Diplomprüfung eigentlich gar nicht teilnehmen wollen, hingehen müssen wir ja trotzdem; genauso, wie später zum Bewerbungsgespräch.

Eiskalt erwischt

Experten sind der Meinung, dass man das Lampenfieber vor solchen unangenehmen Stress-Situationen dämpfen und aktiv bekämpfen kann. Grundsätzlich sollte man sich im Vorhinein intensiv mit dem Stressauslöser beschäftigen. Für ein Bewerbungsgespräch bedeutet das etwa, sich über die Schwachstellen im eigenen Lebenslauf klarzuwerden - und sich auf fiese Fragen die passenden Antworten zurechtzulegen. So gerät man nicht aus dem Tritt und macht es dem Personaler schwer, einen eiskalt zu erwischen.

Dazu gehört auch, das persönliche Worst-Case-Szenario zu entwickeln: Was passiert, wenn der Chef nach der Präsentation sagt: "Das war ja totaler Quatsch", oder man in der Prüfung kein Wort heraus bekommt? Entwickelt man im Vorhinein Reaktionen und Entgegnungen, verlieren die Situationen ihren Schrecken.

Auf der nächsten Seite: Welche Strategien aus der Psychotherapie helfen.

Der Angst davonlaufen

Um sich vor dem entscheidenden Auftritt zu beruhigen, hilft außerdem Bewegung: Joggen am Morgen oder sogar das Auf- und Ablaufen im Gang baut Stress ab. Darüber hinaus wirkt auch eine besondere Atemtechnik, die den Körper beruhigt: Dabei sollte man beim Einatmen langsam bis drei zählen, dann die Luft anhalten und wieder bis drei zählen, und auch beim Ausatmen den Dreier-Rhythmus beibehalten. Beim nächsten Ein- und Ausatmen zählt man bis vier, danach bis fünf und sechs.

Bewerber und Prüflinge können sich auch Strategien aus der Psychotherapie zu Nutze machen, etwa das sogenannte Ankern, wofür man allerdings ein wenig Übung braucht. Dabei presst man Daumen und Zeigefinger aufeinander und denkt währenddessen intensiv an ein positives Erlebnis: den letzten Urlaub, den schönen Abend mit dem Partner, das leckere Essen. Hat man oft genug "geankert", wird das gute Gefühl irgendwann allein durch das Aufeinanderdrücken der Finger ausgelöst - und hilft schnell in Notsituationen.

Ansporn zu Höchstleistungen

Genauso gut ist es, sich immer wieder klarzumachen, dass man in der unangenehmen Situation festen Boden unter den Füßen hat: Wenn beide Beine bewusst auf der Erde stehen, gibt das Sicherheit.

Außerdem sollte man sich immer wieder klarmachen: Nervosität ist normal - und in Maßen gut. Ist ein Bewerber oder Prüfling angespannt, konzentriert er sich besser und wird zu Höchstleistungen angespornt. Und wenn gar nichts mehr hilft, kann er das Problem ganz direkt angehen, nachdem er sich verhaspelt hat: "Entschuldigen Sie, aber ich bin ein bisschen aufgeregt." Das wirkt menschlich und sympathisch - zwei Faktoren, die nicht ganz unwichtig sind, wenn es um die Note oder einen neuen Job geht.

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