Stipendien von Stiftungen:Geldsegen für ein buntes Themen-Spektrum

Statuen antiker Gelehrter vor der Bayerischen Staatsbibliothek in München, 2013

Wer über ein nur kleines Budget verfügt und gute Noten schreibt, erhöht seine Chancen auf ein Stipendium. Das Foto zeigt Statuen, die Gelehrte der griechischen Antike verkörpern, am Eingang der Bayerischen Staatsbibliothek in München.

(Foto: Johannes Simon)

2500 kleine und große Stiftungen gibt es in Deutschland, die Studenten unterstützen. Die meisten Hochschüler bemühen sich jedoch gar nicht erst um eine solche Förderung.

Von Christiane Bertelsmann

Jüdischen Glaubens, weiblich und Gesangsstudentin in Mainz - das sind die Hauptkriterien für die Vergabe eines Studienstipendiums der Anni-Eisler-Lehmann-Stiftung. Doch weil sich nicht jedes Jahr eine jüdische Gesangstudentin findet, die auf der Suche nach einer Förderung ist, hat die kleine Stiftung ihren Kriterienkatalog etwas ausgeweitet: Auch Männer dürfen sich bewerben, so lange sie Juden sind und in Mainz Musik studieren. So wie André Tsirlin, jüdischen Glaubens und Saxophon-Student im Master-Studium an der Hochschule für Musik in Mainz. Er ist der einzige Stipendiat der Anni-Eisler-Lehmann-Stiftung. "Mehr als einen Studenten pro Jahr können wir nicht fördern", sagt Stiftungs-Vorsitzende Camilla Benziri. Denn so viel wirft die Stiftung nicht ab; ihr Kapital speist sich aus den Mieteinnahmen eines Wohnhauses in Mainz, das erst kürzlich renoviert werden musste. Tsirlin kann vom Stipendium die Miete für seine Wohnung und einen Teil der Lebenshaltungskosten zahlen. Als Gegenleistung gibt er ein Gratis-Konzert in der Mainzer Synagoge. Dazu hat er sich verpflichtet, es steht in der Stiftungssatzung.

Häufig sind es kinderlose Paare, die ihr Vermögen in einer Studienstiftung anlegen

In ganz Deutschland zählt man nach Angaben des Bundesverbands Deutscher Stiftungen momentan etwa 2500 Stiftungen, die Studierende sowie wissenschaftlichen und künstlerischen Nachwuchs fördern. "Der Großteil davon sind kleinere Stiftungen", sagt Mira Maier. Die promovierte Volkswirtin hat die Stipendienplattform Mystipendium.de gegründet, auf der Studenten oder Doktoranden mit Hilfe von detaillierten Suchkriterien die für sie passende Förderung finden können. "In Deutschland herrscht der Irrglaube, dass Stipendien nur für die Besten der Besten zu kriegen seien", sagt sie. "Doch das sind gerade mal fünf Prozent unserer Gesellschaft. Die anderen 95 Prozent brauchen auch Unterstützung. Vielleicht werden die Noten ja besser, wenn man sich nicht zu sehr aufs Geldverdienen zur Studienfinanzierung konzentrieren muss. Da kann ein Stipendium enorm helfen."

Etwa 610 Millionen Euro Jahreswert umfassen die Stipendien, die in der Datenbank gelistet sind, sagt Mira Maier. "Gute Noten, gesellschaftliches Engagement und nichtwohlhabende Eltern - wenn diese Kriterien beim Bewerber zutreffen, steigen die Chancen, ein Stipendium zu bekommen", ist ihre Erfahrung.

Laut einer Allensbach-Studie von 2014 bewirbt sich jeder fünfte Studierende um ein Stipendium; 21 Prozent im Westen Deutschlands, 16 Prozent in Ostdeutschland. Die Studie zeigt aber auch, dass sich 80 Prozent aller Studenten noch nie um ein Stipendium bemüht haben. Dabei würde es sich lohnen - auch oder gerade weil einige der Stiftungsstipendien an ungewöhnlichen Vergabekriterien gebunden sind. Zum Beispiel das Danneil-Stipendium für Promotionsstudenten, die sich mit archäologischen Funden des Landes Sachsen-Anhalt auseinandersetzen. Oder die August-von-Platen-Stiftung der Universität Gießen. Sie bezuschusst wissenschaftliche Arbeiten, die im Zusammenhang mit Homosexualität und Literatur stehen. Die Hartmannbund-Stiftung fördert Kinder von Ärzten, Tier- und Zahnärzten in wirtschaftlichen Notlagen. Und es gibt noch mehr zielgruppenspezifische Stiftungsstipendien: Etwa die Fritz- und Eugenie-Übelhör-Stiftung der Stadt Nürnberg - nur für Männer aus alteingesessenen Nürnberger Familien, die bestimmten Religionsgemeinschaften oder Freidenker-Kreisen angehören. Ferner die Carl-Müller-Studienstiftung, bei der sich ausschließlich katholische Studierende aus Osnabrück bewerben können. Oder, besonders skurril, die Dr. Ruder'sche Stipendienstiftung im oberpfälzischen Oberbibrach. Hier dürfen nur gebürtige Oberbibracher, die ein humanistisches Studium betreiben, auf ein Stipendium hoffen. Menschen mit dem Familiennamen Ruder werden dabei übrigens bevorzugt.

Ende 19. bis Anfang 20. Jahrhundert sei es zu einem Boom an wissenschaftsfördernden Stiftungen gekommen, sagt Katrin Kowak vom Bundesverband Deutscher Stiftungen, "daher die Einschränkungen. Neuere Stiftungen versuchen, mehr Flexiblität zu lassen."

Mit 447 Stipendien pro Jahr zu den größten Stiftungs-Stipendiengebern zählt der Kölner Gymnasial- und Stiftungsfonds, der unterschiedliche Fachrichtungen fördert. Seit etwa 15 Jahren wächst die Summe, mit der junge Leute während der Ausbildung unterstützt werden können, Jahr um Jahr. Es sind nach Angaben des Fonds vor allem kinderlose Paare, die ihr Vermögen in einer Studienstiftung anlegen. Die Vergabekritierien sind eher moderat: Die Stiftung fordert einen Abi-Schnitt von 2,0 und einen Studienleistungsschnitt von 2,5.

In jedem Fall muss der potenzielle Stipendiat seine Bedürftigkeit nachweisen. Wer wohlhabende Eltern hat, kann nicht auf ein Stipendium hoffen. Außerdem erwartet die Stiftung ein gesellschaftlich-soziales Engagement von ihren Stipendiaten, alte Stiftungsunterlagen sprechen von Würdigkeit. Als würdig kann man sich erweisen, wenn man sich um eine größere Anzahl jüngerer Geschwister kümmert oder sich ehrenamtlich engagiert, sei es als Deutschnachhilfelehrer im Flüchtlingsheim, als Trainer im Sportverein oder als Schülersprecher. Das alles wird - wenn die schriftliche Bewerbung erfolgreich war - in einem Vorgespräch genau abgeklopft. Da die Stiftung auch umgekehrt etwas von ihren Stipendiaten haben möchte, begrüßt sie es, wenn die zum Beispiel bei hauseigenen Veranstaltungen als Helfer dabei sind.

Auch Universitäten haben nicht selten eine große Anzahl an Stipendienstiftungen, die sie verwalten und vermitteln. Etwa die Albert-Ludwigs-Universität Freiburg mit 51 Stiftungen und einem Gesamtvolumen von 17 Millionen Euro. Vermittelt werden die Stiftungsstipendien über die Fakultäten der Unis.

"Unserer Erfahrung nach werden längst nicht alle Stipendien abgerufen. Etwa jeder fünfte Stipendiengeber kann sein Geld nicht vollständig vergeben, weil er nicht ausreichend Bewerber erhält", sagt Mystipendium.de-Gründerin Mira Maier, "Wir wollen Studierenden Mut machen, es zumindest zu versuchen."

Weiterführende Informationen: www.mystipendium.de - umfassende Datenbank mit individuellen Suchkriterien; www.european-funding-guide.eu - auf Europa bezogene Datenbank für die Stipendiensuche; www.stipendienlotse.de - Stipendiendatenbank des Bundesministeriums für Forschung und Bildung

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