Stipendien:Studenten als Bittsteller

An deutschen Unis studieren zu wenig Kinder von Arbeitern und Arbeitslosen. Wer eine von Geldsorgen geprägte Kindheit hatte, schreckt davor zurück, mit Schulden ins Berufsleben zu starten.

Tanjev Schultz

An den Universitäten haben die Semesterferien begonnen, für viele Studenten bedeutet dies verschärftes Arbeiten. Servieren im Straßencafé, am Hafen Kisten schleppen, im Call-Center Anrufer besänftigen - die meisten Studenten kommen ohne Jobben nicht über die Runden.

Stipendien: Die meisten Studenten müssen sich neben dem Studium auch auf einen oder mehrere Nebenjobs konzentrieren.

Die meisten Studenten müssen sich neben dem Studium auch auf einen oder mehrere Nebenjobs konzentrieren.

(Foto: Foto: ap)

Die Alma Mater, die nährende Mutter, versorgt sie nur mit geistiger Nahrung. Das Geld für Lebensmittel und die Miete, für Bücher und Studiengebühren müssen sich Studenten bei ihren Eltern, dem Bafög-Amt und allerlei Lebensabschnitts-Arbeitgebern zusammensammeln.

Studium wird zur Nebensache

Leider wird das Studium dabei oft zur Nebensache, lange Studienzeiten und hohe Abbrecherquoten sind die Folge. Es gibt in Deutschland zu wenige Stipendien, die es erlauben, sich wirklich aufs Studium zu konzentrieren.

Eine Arbeitsgruppe des Bundes und der Länder will nun endlich über einen Ausbau des Stipendienwesens beraten. Ob dabei etwas herauskommen wird, ist noch ungewiss. Nordrhein-Westfalens Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart konnte seine Amtskollegen nur mit Mühe dazu bewegen, das Thema überhaupt zu behandeln.

Er würde gerne zehn Prozent aller Studenten 300 Euro im Monat geben, finanziert durch ein nationales Programm unter Mithilfe der Wirtschaft. Die Vorbehalte dagegen sind jedoch immens. Denn der FDP-Politiker Pinkwart will nur die besten Studenten fördern, und dies unabhängig vom Einkommen der Eltern.

Außerdem hat Pinkwart mit der schwarz-gelben Koalition in Düsseldorf Studiengebühren eingeführt. Was SPD-Politiker zu seinen Stipendienplänen sagen, ist wenig überraschend: Ein ungerechtes Eliteprogramm sei das, Pinkwart wolle nur die unsäglichen Gebühren abfedern.

Tatsächlich könnte Pinkwart die Studenten (und deren Eltern) recht einfach entlasten, indem er die Studiengebühren zurücknähme. Union und FDP müssen sich außerdem vorwerfen lassen, es entgegen ihrem Versprechen versäumt zu haben, parallel zur Einführung der Gebühren deutlich mehr Stipendien anzubieten.

Lohnendes Ziel

Wer aber allein mit diesen Einwänden Pinkwarts Pläne blockiert, vereitelt aus politischer Rechthaberei eine gute Möglichkeit, Tausenden Studenten zu helfen. Mehr Stipendien sind ein lohnendes Ziel, unabhängig vom Streitthema Studiengebühren.

Studenten als Bittsteller

Nur zwei Prozent der Studenten erhalten Stipendium

Derzeit erhalten nur etwa zwei Prozent der Studenten in Deutschland ein Stipendium. Auch wenn die Bundesregierung den Begabtenförderwerken - der Studienstiftung des deutschen Volkes, den Stiftungen der Parteien, Gewerkschaften und Kirchen - bereits mehr Geld gibt als in früheren Jahren, ist die Zahl der Stipendiaten noch immer klein.

Und wie beim Bafög, das immerhin jeder vierte Student erhält, richtet sich die Höhe der Stipendien nach dem Einkommen der Eltern. Zwar ist es sehr wichtig, jene zu fördern, deren Familien wenig Geld haben. Aber soll man deshalb alle Studenten in ewiger Kindschaft belassen?

Beim Bafög müssen Studenten wie Bittsteller bei ihren Eltern antreten. Das beginnt bei der Einkommensermittlung (manche haben Mühe, ihre Väter und Mütter dazu zu bewegen, den Steuerbescheid herauszurücken), und es setzt sich fort bei den Summen, welche die Eltern ihren Kindern überweisen, und die notfalls von den Studenten eingeklagt werden müssen.

Sicher: Die meisten Eltern zahlen bereitwillig, viele auch mehr, als sie müssten (und manche mehr, als ihren Kindern guttut). Es gibt aber nicht wenige Studenten, die gar nicht erst Bafög beantragen oder lieber noch länger jobben, als dass sie sich auf ihre Eltern verlassen.

Mindestbetrag für alle Studenten?

Auch in der SPD wurde einmal darüber diskutiert, allen Studenten einen Mindestbetrag zu geben, der vom Einkommen der Eltern unabhängig ist. Skandinavische Länder machen dies so, dafür bekommen die Eltern von Studenten dort kein Kindergeld und keine Steuererleichterungen. Zusätzlich zu einem Grundbetrag für alle Studenten müsste es Bafög, leistungsabhängige Stipendien und günstige Studienkredite geben.

Mit einem Studium auf Pump darf man niemanden verschrecken. An deutschen Hochschulen studieren ohnehin schon zu wenige Kinder von Arbeitern und Arbeitslosen, und ihnen fällt es besonders schwer, Kredite aufzunehmen. Wer eine von Geldsorgen geprägte Kindheit hatte, schreckt davor zurück, mit Schulden ins Berufsleben zu starten.

Deshalb sollte, ergänzend zu Pinkwarts Vorstoß, eine Forderung der großen Wirtschaftsverbände umgesetzt werden: Kinder armer Eltern erhalten das Bafög wie früher komplett als Zuschuss, sie sollen nichts zurückzahlen müssen (derzeit ist die Hälfte ein Darlehen). Niemand wird etwas dagegen haben, wenn die Wirtschaft sich an den Kosten beteiligt.

Würde das Bafög für die am meisten Bedürftigen zu einem echten Stipendium ausgebaut, gäbe es auch keine soziale Schieflage, wenn zusätzlich die besten zehn Prozent aller Studenten eine Förderung erhielten, die sich nach ihren Leistungen und nicht nach dem Wohlstand ihrer Eltern richtet.

Es ist vernünftig, Studenten sowohl nach ihrer Bedürftigkeit als auch nach ihrer Begabung und Leistung zu fördern. In dem einen Fall zählt das Einkommen der Eltern, im anderen nicht. Für beide Fälle fehlen in Deutschland großzügige Stipendien.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: