Stellensuche via Twitter:Zwitscher mir einen Job

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Günstige Firmen-PR: Für Unternehmen mit Nachwuchsproblemen kann die Bewerbersuche über Twitter sinnvoll sein - wenn sie den richtigenTon treffen.

Linda Tutmann

Wenn es für die Deutsche Bahn eine ideale Nachwuchsmitarbeiterin geben würde, dann wäre es Inga Zugreif. Ihre Hobbys sind Denksport, Technik und kreative Aufgaben, ihr Abitur hat sie gerade in Bahnitz gemacht. Jetzt hat sie in Mannheim einen dualen Ingenieurs-Studiengang belegt. Während ihrer Praxisphasen arbeitet sie bei der Bahn.

Auf der Leitung: Wer sich für ein bestimmtes Unternehmen interessiert, kann sich als "Follower" registrieren und schnappt im großen Gezwitscher der "Tweets" auch schon mal Jobangebote auf. (Foto: Foto: dpa)

Gerade für Branchen mit einem angestaubten Image wird es immer schwieriger, geeigneten Nachwuchs zu rekrutieren. Wie also kann man potentielle Bewerber anlocken und sich gegen beliebte Unternehmen durchsetzen? Robindro Ullah glaubt die Antwort gefunden zu haben: Der Verantwortliche fürs Hochschulmarketing bei der Deutschen Bahn erfand zwei fiktive Charaktere - Inga Zugreif und ihren Kommilitonen Ingo Bahnmüller. Beide haben ein Facebook-Profil. Und beide twittern unter den Namen DBINGa und DBINGo regelmäßig über ihren Alltag bei der Bahn. "Wir wollen euch so viel Deutsche Bahn zeigen wie möglich", verkündet DBINGa reichlich steif über Twitter.

Die Deutsche Bahn ist nicht das einzige Unternehmen, das soziale Netzwerke wie Twitter oder Facebook für das Anwerben ihrer Mitarbeiter nutzt. Besonders die großen Konzerne wie die Otto Group, Daimler, Allianz, Bayer, die Deutsche Lufthansa oder Tchibo setzen auf Twitter als Recruiting-Strategie.Von 30 im Dax gelisteten Unternehmen haben 22 einen Twitter-Account.

Neuigkeiten für Follower

Dabei haben die Twitter-Profile deutscher Unternehmen oder deutscher Niederlassungen internationaler Konzerne durchschnittlich 661 Follower, sie folgen 350 fremden Profilen und posten 13 Tweets pro Woche, wie eine Studie der Kommunikationsagenturen Zucker und Blätterwald kürzlich ergab.

Die Vorteile von Twitter gegenüber gängigen Jobbörsen liegen für Thorsten zur Jacobsmühlen auf der Hand. Der Blogger und Recruiting-Stratege beschäftigt sich seit Jahren mit den Möglichkeiten des "Electronic Recruitings": Das Unternehmen kann Kontakt zu potentiellen Mitarbeitern halten, auch wenn akut keine Stelle zu besetzen ist - vorausgesetzt, die Kandidaten registrieren sich als Follower. Zugleich erreichen die Personaler auch die Fachkräfte, die gar keine Stelle suchen und trotzdem oder gerade deswegen interessant für das Unternehmen sein können.

Die passiv Suchenden

"Branchen mit Nachwuchsproblemen können bei Twitter auch die passiv Suchenden erreichen", sagt zur Jacobsmühlen, "das kann beim Wettbewerb um die High Potentials eine Riesenchance sein." Florian Behn, Chef des Portals 1000Jobboersen.de geht sogar noch weiter. "Die besten Köpfe erwarten heute, dass man sie in der gewohnten Umgebung ihres Lieblingsforums abholt", meint er.

Auch DB-Marketingmanager Ullah fand über Twitter seine letzte Praktikantin. Er twitterte ein Stellenangebot, und ein paar Tage später schrieb ihm eine Bewerberin. Auch die Klickzahlen scheinen ihm und seinem Engagement recht zu geben: Auf Stellenanzeigen der Bahn, die über Twitter gepostet werden, wird deutlich häufiger geklickt als auf Angebote auf der Homepage. "Twitter hat den Vorteil, dass die Follower die Jobangebote auf dem Silbertablett präsentiert bekommen und noch nicht mal danach suchen müssen", ist Ullahs Erklärung.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie die Stellensuche auf Twitter auch nach hinten losgehen kann.

Was die Bloggerszene um Thorsten zur Jacobsmühlen für Deutschland prophezeit, ist in den USA schon gang und gäbe: Das Unternehmen Jobvite beschäftigt sich mit der Nutzung sozialer Netzwerke für die Personalsuche und hat eine Umfrage zum Thema gemacht. Demnach gaben 95 Prozent der befragten Firmen an, Online-Netzwerke für ihr Recruiting zu nutzen, fast 50 Prozent der Firmen suchten auch über Twitter nach einem geeigneten Kandidaten. 70 Prozent gaben an, dass ihre Suche erfolgreich war. "In Deutschland kommen die Unternehmen nur sehr langsam aus dem Quark", sagt zur Jacobsmühlen. Aber einfach mal ein Stellenangebot zu twittern, reiche nicht. "Wer erfolgreich bei Twitter einen Kandidaten suchen möchte, der muss kontinuierlich an seinem Twitter-Netzwerk arbeiten."

Kein inszenierter Dialog

Das kann auch nach hinten losgehen: Die Postings von DBINGa und DBINGo bei Twitter klängen wie öde Pressemitteilungen, schimpft ein Blogger. "Für wie blöd haltet ihr die Tweeple eigentlich?" Ein anderer postet: "Liebe Bahn, Social Media heißt nicht, dass ihr einen Dialog inszenieren sollt. Social Media heißt vor allem, erst mal zuhören und den Dialog suchen." Ullah räumt ein: "Es gibt kein Rezept, wie man authentisch twittert. Und gerade bei fiktiven Charakteren ist das häufig auch eine Frage des Geschmacks."

Beim Twittern und dem Anlegen eines Facebook-Profils geht es den Unternehmen nicht nur um die Kandidatensuche: "Online Employer Branding", der gezielte Aufbau einer attraktiven Arbeitgebermarke, heißt das in Fachkreisen, was man wohl gemeinhin unter einer Imagepolitur versteht. Mit dem Einsatz von Twitter, Facebook, Videoblogs oder auch durch interaktive Firmenrundgänge auf der Homepage gibt sich das Unternehmen einen modernen Anstrich: Gerade Branchen mit Image- oder Nachwuchsproblemen hoffen, auf diese Weise Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

Nicht jeder der sucht, findet

Dass sich diese Art des Recruitings ("Recruitainment") auch bei kleineren und mittleren Unternehmen durchsetzen wird, glaubt Jutta Rump, Professorin an der Fachhochschule für Wirtschaft in Ludwigshafen, nicht. Es fehle schlichtweg das Geld. "Ein Stahlproduzent aus dem Ruhrgebiet wird nicht über Twitter einen Bewerber suchen", sagt sie. "Solche Firmen werden auch weiter den traditionellen Weg gehen", also über Stellenanzeigen, in Jobbörsen oder persönliche Kontakte neue Mitarbeiter suchen. Daher rät Rump auch den Bewerbern, bei traditionellen Firmen - selbst wenn sie einen Twitter-Account haben sollten - ganz konservativ über die Firmenadresse Kontakt zur Personalabteilung aufzunehmen. Letztlich sei diese Art der Kandidaten- und Jobsuche nur sinnvoll, wenn die Branche Twitter aktiv nutze, sagt Rump. Dies seien bisher vorrangig Freiberufler, Kreative, PR-Berater oder an Technik interessierte Arbeitnehmer.

Zwar steigerte Twitter seine Userzahlen im letzten Jahr um enorme 1400 Prozent, aber immer noch kennt ein Drittel der Deutschen Twitter nicht. Natürlich müsse man als Firma analysieren, ob es sich lohnt, in ein Online-Netzwerk zu investieren, sagt auch Thorsten zur Jacobsmühlen. "Einen Vertriebsmitarbeiter findet man eher nicht bei Twitter, aber vielleicht stößt man auf jemanden, der jemanden mit diesem Profil kennt."

© SZ vom 23.01.2010/holz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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