"Unsere Branche ist Ihre zweite Heimat und Sie wissen den Markt einzuschätzen? Sie sind strukturiert, kreativ, flexibel, motiviert, selbstbewusst und offen für Neues? Sie planen vorausschauend, arbeiten eigenständig und zielorientiert, entwickeln maßgeschneiderte Konzepte, jonglieren gekonnt mit Zahlen, schreiben flotte Texte, bewahren auch in der Hektik einen kühlen Kopf, sind freundlich und souverän? Sie sprechen verhandlungssicheres Englisch? Ihnen schwirren viele Ideen durch den Kopf und Sie müssen sie unbedingt loswerden, außerdem besitzen Sie fünf Jahre Berufserfahrung? Dann sind Sie genau richtig bei uns!"
Schlagen Bewerber Samstags morgens den Stellenmarkt in der Zeitung auf, zeigt sich: Viele Unternehmen sind offensichtlich auf der Suche nach der eierlegenden Wollmilchsau. Der gesuchte Kandidat muss alles können, alles schon einmal gemacht haben und soziale Kompetenzen wie Mutter Teresa besitzen. Viele Bewerber lassen sich von solchen unrealistischen Anforderungsprofilen abschrecken und schicken ihre Unterlagen deshalb gar nicht erst los.
High Potentials mit einem Doktortitel aus Harvard
"Mit überambitionierten Annoncen tun sich Firmen keinen Gefallen," bestätigt André Soder, Personalberater beim Consulting-Unternehmen TGMC. "Damit vergraulen sie zahlreiche Kandidaten, die für den Job eigentlich geeignet wären." Erweckt ein Unternehmen den Eindruck, nur die absoluten High Potentials mit einem Doktortitel aus Harvard einzustellen, bekommt es auf eine Anzeige kaum Resonanz. Sie muss noch einmal geschaltet werden, der Auswahlprozess verzögert sich, die freie Stelle bleibt für längere Zeit unbesetzt - das alles kostet Geld.
Die ausschmückenden Adjektive - kreativ, motiviert, strukturiert - schrecken Bewerber auch deshalb ab, weil sie sich darunter kaum etwas vorstellen können. Teamfähigkeit etwa fordert inzwischen jedes Unternehmen von seinen Bewerbern. "Und jeder Bewerber wird behaupten, teamfähig zu sein", sagt Soder, Autor des Ratgebers "Stellenanzeigen verstehen". "So ist das Wort zur absoluten Floskel verkommen."
"Verhandlungssicheres Englisch"
Gleiches gelte für die Eigenschaften kreativ oder kommunikativ. Sie werden inzwischen auch von Controllern gefordert, die gar nicht in einer Mannschaft arbeiten müssen - sondern Spaß an trockenen Zahlenkolonnen haben sollten. "Etwa 50 Prozent solcher ausschmückenden Adjektive sind schlicht überflüssig", erklärt Soder. "Ob jemand eloquent und sprachgewandt ist, lässt sich ohnehin am besten im Vorstellungsgespräch herausfinden."
Bei anderen Anforderungen wiederum sollten Bewerber genauer hinschauen. Einige Formulierungen lassen tatsächlich Rückschlüsse auf die Position und die damit verbundenen Anforderungen zu. Verlangt ein Unternehmen etwa "verhandlungssicheres Englisch", haben Kandidaten mit lückenhaften Schulkenntnissen keine Chance. Sie müssen auch komplizierte Vertragstexte lesen und selbst formulieren können.
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