Steigende Anforderungen an Pädagogen:Lehrer auf der Schulbank

Sie sollen jedem Kind den bestmöglichen Start in die Bildungsbiografie ermöglichen. Und auch Zappelphilippe individuell fördern. Die Anforderungen an Erzieher und Lehrer steigen - deshalb drücken die Pädagogen immer häufiger selbst die Schulbank.

Von Nicola Holzapfel

In Mathematik und Naturwissenschaften, in Sprachbildung oder im Umgang mit Medien könnten viele Berufstätige noch viel lernen. Erzieherinnen und Erzieher müssen sich mit diesen und noch vielen anderen Themen in der Weiterbildung auseinandersetzen. Seit die Politik den Auftrag der Kindergärten um die Bildung erweitert hat, sodass sie nun für Erziehung, Betreuung und Bildung zuständig sind, haben sich die Weiterbildungsthemen für das Personal vervielfacht.

"Der Beruf von Erzieherinnen, ihre Aus- und Weiterbildung, befinden sich gerade in einem Reformprozess. Die Kindertageseinrichtungen werden heute als Basis des Bildungssystems verstanden. Dahinter steckt der Gedanke, allen Kindern, auch solchen aus bildungsfernen Familien, einen möglichst guten Start für ihre weitere Bildungsbiografie zu ermöglichen. Die Arbeit der Erzieherinnen wird dadurch zunehmend bildungsorientiert", sagt Anke König, Leiterin der Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte (WiFF), die am Deutschen Jugendinstitut angesiedelt ist.

WiFF beobachtet die Veränderung des Berufsbilds wissenschaftlich und fördert Qualität in der Weiterbildung. In allen Bundesländern sind Erzieher zur Fortbildung verpflichtet, doch dafür lässt der Arbeitsalltag nicht immer ausreichend Zeit. Zu vielen, teils neuen Anforderungen sieht sich die Berufsgruppe zurzeit gegenüber - und das bei gleichzeitigem Krippenausbau und Personalmangel.

Zusammenarbeit mit den Eltern lernen

"Diese Herausforderungen sind nur zu meistern, wenn zum einen die Rahmenbedingungen verbessert werden, etwa durch einen Erzieher-Kind-Schlüssel, der gute pädagogische Arbeit ermöglicht. Zum anderen muss Bildungsarbeit zum Kerngeschäft in den Einrichtungen werden", fordert König. Dazu müssten die Berufsprofile so angepasst werden, dass Erzieherinnen Bildung planen und reflektieren könnten. Dies erfordere Zeit und umfassende Kompetenzen.

Wichtig für Erzieher sind heute zum Beispiel entwicklungspsychologische Kenntnisse. "Nur wenn ich weiß, wie junge Kinder lernen, kann ich als Erzieher den Bildungsauftrag umsetzen", sagt König. Auch die Zusammenarbeit mit Eltern ist inzwischen zum Gegenstand von Seminaren geworden. Erzieher sollen Eltern einbinden und möglichst eine "Erziehungspartnerschaft" mit ihnen aufbauen, wie es zum Beispiel im Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz heißt.

"Der Beratungsbedarf nimmt zu. Das liegt an den Veränderungen der Familienstrukturen und den Belastungen von Familien durch Trennungen oder Berufstätigkeit", sagt König. Auch bildungsfernen Eltern sollen Erzieher beratend zur Seite stehen können.

Die Lehrerinnen und Lehrer sitzen ebenfalls immer häufiger selbst auf der Schulbank, um sich für Elterngespräche fortzubilden - "Umgang mit schwierigen Gesprächspartnern" oder "Konfliktmanagement" stehen etwa auf dem Stundenplan. Der Renner bei den Seminaren der Akademie des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV) sind aber Disziplinstörungen.

"Viele Kinder sind nicht mehr gruppenfähig"

"Wir haben heute an den Schulen eine völlig andere Situation als vor 30 Jahren", sagt BLLV-Präsident Klaus Wenzel, der selbst 1972 als Lehrer anfing. "Viele Kinder, die heute in die erste Klasse kommen, sind nicht mehr gruppenfähig. Dazu kommt der Druck in der dritten und vierten Klasse, ob der Übertritt aufs Gymnasium klappt. Damit können nicht alle Kinder umgehen." Die Folge seien Verhaltensauffälligkeiten, die das Unterrichten schwer machten. Bereits seit Jahren besteht auch an den Akademie-Angeboten zur Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) großes Interesse. Dabei lernen Lehrer, wie sie betroffene Kinder besser in die Klasse integrieren.

Schule

Lehrer auf der Schulbank: Weiterbildungsangebote für Pädagogen sind gefragt.

(Foto: Günther Reger)

Besonders gut gebucht sind immer die Seminare zu Gesundheitsthemen wie Entspannung, Work-Life-Balance und Stimmtraining - wie dringend notwendig sie sind, zeigen Studien zur hohen Burnout-Gefahr unter Lehrern. "Wir machen gezielt Angebote zu Themen, die staatliche Fortbildungen nicht ausreichend abdecken oder die im Studium zu kurz kommen", sagt Nicole Leber, Leiterin der BLLV-Akademie.

Für Berufseinsteiger bietet die Akademie ein Lehrertraining an, das sehr stark nachgefragt wird. In Intensivkursen werden die Hochschulabsolventen auf den Klassenalltag vorbereitet. "In der staatlichen Lehrerbildung gibt es ein Riesendefizit an berufsfeldorientierten Angeboten. Dabei ist die Grundvoraussetzung, damit junge Lehrer Probleme im Schulalltag bewältigen können, dass sie qualitativ sehr gut ausgebildet und an Fallbeispielen geschult wurden", sagt Klaus Wenzel, der über die Akademie nun einfach als Fortbildung anbietet, was in der Ausbildung versäumt wird.

Fehlender finanzieller Anreiz

Bei den Erziehern verschränken sich derzeit Aus- und Weiterbildung zunehmend. WiFF setzt sich dafür ein, dass Kompetenzen aus der Aus- und Weiterbildung auf ein Studium angerechnet werden können. "Dadurch wird das Berufsfeld durchlässig und es ermöglicht auch Erzieherinnen ohne Abitur, ein Studium aufzunehmen. Das ist ein echter Gewinn für die Fachkräfte", sagt Anke König.

Finanziell zahlen sich die Weiterbildungen für die Fachkräfte nicht unbedingt aus. Trotzdem sagt König: "Weiterbildung lohnt sich auf jeden Fall." Aufstiegsmöglichkeiten gibt es vor allem außerhalb der Kitas - in der Fachberatung oder bei Trägerverbänden. "In den Einrichtungen selbst können Erzieherinnen Leitungskraft werden, sind dann aber oft nicht von der Gruppenarbeit freigestellt. Momentan haben wir die Situation, dass die Erzieherinnen selbst nach einem Studium der Kindheitspädagogik häufig dieselbe Arbeit und dasselbe Gehalt haben wie zuvor."

Sie hofft, dass die Flucht der gut qualifizierten Fachkräfte aus den Kindergärten nur ein vorübergehendes Phänomen ist. "Es wäre wünschenswert, dass die bessere Qualität, die Erzieherinnen durch Weiterbildungen bieten können, dort ankommt, wo es nötig ist: bei den Kindern."

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