Start-ups im Silicon Valley:Lernen von den wirklich Erfolgreichen

Eine private Initiative schickt deutsche Firmengründer ins Silicon Valley. Dort sollen sie lernen, wie man aus einer guten Idee ein gutes Geschäft macht - und im besten Fall mit einem großzügigen Geldgeber zurückkommt.

Sophie Crocoll

Im Silicon Valley verraten sich Unwissende schnell selbst. Denn "Silicon" sagt in Kalifornien niemand, das ist die erste Lektion, die Besucher aus Deutschland lernen. Dort heißt es schlicht "The Valley". An diesem Abend klingt es beinahe ehrfurchtsvoll, wie viele Gründer über das Technologiezentrum sprechen.

Sie stehen, viele jung, die meisten männlich und im Sakko, im Schauraum eines Autokonzerns in München, mit einem Glas Sekt in der Hand, zwischen Geländewagen und Kombi, auch die Knutschkugel Isetta ist ausgestellt. 15 Teams haben an diesem Tag ihr Unternehmen einer Jury vorgestellt, Fragen beantwortet und ihr Geschäftsmodell verteidigt. Nun warten sie darauf, wer von ihnen ausgewählt wird. Ausgewählt, um ins Valley zu fahren.

Die Entscheidung treffen Mitbegründer und Partner des German Silicon Valley Accelerator, einer privaten Initiative, vom Bundeswirtschaftsministerium mit 2,5 Millionen Euro gefördert. Alle drei Monate bringen sie bis zu vier Start-ups aus Deutschland nach Kalifornien. Dort bekommen die Gründer ein Büro. Ihnen werden Berater zur Seite gestellt, die ihnen helfen, Kontakte zu knüpfen, zu Kunden und zu Geldgebern. Sie sollen lernen, wie Firmen in den Vereinigten Staaten funktionieren. Flug und Unterkunft müssen sie selbst bezahlen. Derzeit ist das Programm auf Unternehmen der Informations- und Kommunikationstechnologie beschränkt.

"Die Unternehmer sollen raus gehen, den Markt ausprobieren - und sehen, ob sie ihn erobern können", sagt Dietmar Harhoff, Münchner Wirtschaftswissenschaftler und Technologieberater der Bundesregierung. Als Gastprofessor an der renommierten Stanford-Universität hat Harhoff die Szene untersucht. Gemeinsam mit Oliver Hanisch und Dirk Kanngiesser, der eine Unternehmensgründer, der andere Wagnisfinanzierer, hat er das Projekt auf den Weg gebracht. Hanisch und Kanngiesser leben selbst im Silicon Valley.

Der deutsche Technologienachwuchs, das wird an diesem Abend klar, pflegt sie noch, die Vorstellung von den USA als gelobtem Land; zumindest an diesem Fleckchen der Vereinigten Staaten, wo beinahe alle namhaften IT-Unternehmen und zahllose Start-ups ihren Sitz haben. Das Silicon Valley gilt als Ort, an dem Menschen ihre Erfolge feiern und sie nicht verstecken; an dem Ideen immer ein gutes Stück größer gedacht werden als in Deutschland und es keine Schande ist zu scheitern.

Die Pleite gilt als beste Schule - auch, wenn das Schulgeld teuer ist. Dort lässt sich ein Marktführer aufbauen, der bei einem Verkauf oder Börsengang, Milliarden bringt. Deutschland - und den anderen Ländern Europas - ist das in vielen Branchen bislang nicht gelungen. Schließlich, so empfinden es viele Gründer, fließt im Silicon Valley das Risikokapital schneller.

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Programmierer sind schwer zu finden

Auch die Gründer des Kölner IT-Unternehmens Parstream haben während ihres Aufenthalts in Kalifornien einen Geldgeber gefunden. Sie waren unter den ersten Teilnehmern des Accelerator-Projekts. Vinod Khosla, Wagniskapitalfinanzierer und Mitgründer des Computerkonzerns Sun Microsystems, investierte 5,6 Millionen Dollar - es war das erste Mal, das er einer deutschen Firma Geld gab. Parstream hat eine Technologie entwickelt, die sehr schnell sehr große Datenmengen verarbeitet.

Die Idee kam den Gründern, als sie für einen Reiseveranstalter eine Suchmaschine entwickeln sollten. Vor zwei Jahren gewannen sie bei einer Technologiekonferenz in Kalifornien einen Preis, der Kunden aus den USA und Australien auf sie aufmerksam machte. Deutsche Interessenten meldeten sich kaum. "Uns war klar: Wenn wir wirklich Erfolg haben wollen, müssen wir in die USA", sagt Mitgründer Jörg Bienert, 46. "Die Geschwindigkeit im Valley ist unvergleichlich." Die Schnelligkeit, mit der man Kontakt zu Gleichgesinnten, zu Kunden, zu Geldgebern bekomme.

Parstream hat daher gleich eine Niederlassung gegründet, der erste Mitarbeiter ist schon eingestellt. Und die beiden Gründer haben sich entschieden, mit ihren Familien ganz ins Silicon Valley zu ziehen. Den Standort in Köln behält die Firma trotzdem: Entwickler sind im Silicon Valley für kleine Firmen schwer zu finden. Die meisten IT-Studenten in Berkeley oder Stanford haben ein gut bezahltes Jobangebot von Google oder Facebook - bevor sie überhaupt ihren Abschluss machen.

Die neuen Teilnehmer des German Silicon Valley Accelerator hoffen, ähnlich erfolgreich zu sein. Neun Teams hat die Jury diesmal ausgewählt, sie analysieren Internetspiele, informieren Messebesucher oder bieten Werbung im Netz. Mehrere Gruppen werden gemeinsam in die Büros in Sunnyvale ziehen, zehn Minuten von Apple und Google entfernt, auch Intel und Microsoft haben Büros um die Ecke. Vieles sei dort leichter, sagt Mit-Initiator Kanngiesser: "Große Unternehmen sind bereit, mit Start-ups zusammenzuarbeiten." Der Druck sei aber auch größer, messen sich die Gründer erst mal mit anderen Start-ups - von denen viele schnell wachsen und viele schnell wieder verschwinden.

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Im Januar wird auch Stefan Jørgensen, 31, nach Sunnyvale ziehen. Jørgensen, 31, kommt aus Dänemark und lebt derzeit in Berlin. Sein Start-up Itembase sammelt auf Wunsch Garantien, Rechnungen und Bedienungsanleitungen von allen Dingen, die man so kauft, ordnet sie und errechnet den aktuellen Wert, um sie weiterzuverkaufen. Erst im November hat Jørgensen die Firma mit zwei Bekannten gegründet, inzwischen arbeiten 18 Menschen bei Itembase. Dänemark ist ihm schnell zu klein geworden. Auch in Deutschland wird es ihm für seine Geschäftsidee jetzt zu eng. Zu versuchen, diese in die USA zu bringen, erscheint ihm da als logischer Schritt.

Dirk Kanngiesser glaubt, dass durch das Projekt auch mehr Menschen im Silicon Valley auf deutsche Gründer aufmerksam werden. Vielleicht will er sie irgendwann nach Berlin bringen, damit sie den deutschen Markt kennenlernen. Ein richtiger Gründer-Austausch wäre es dann.

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