Sprachkurs-Software:"Schäm' dich, das kannst du besser!"

Mit Gloria auf interaktiver Sprachreise: Ein Avatar lehrt Spanisch - und führt seine Schüler auf virtuellen Wegen durch Sevilla.

Isa Hoffinger

Gloria ist eine alte Bekannte. Vor fünf Jahren, bei der ersten Begegnung, beschränkten sich die Gespräche auf einsilbige Floskeln wie "Hola, qué tal?" und "Muy bien, gracias!" Meistens hatte Gloria etwas an der Sprechweise ihres Gegenübers auszusetzen. Einmal ließ sie ihn das Wort "zarzuela" eine Viertelstunde lang wiederholen.

Gloria von Digital Publishing

Madrid, Sevilla oder Barcelona: Gloria macht mit ihren Schülern einen virtuellen Trip.

(Foto: Foto: Digital Publishing)

Dabei runzelte sie die Stirn und schwieg. Nach zehn Anläufen - zehn krampfhafte Versuche, die Zunge zum spanischen "z" zu verknoten - kam Nervosität auf. Bei Versuch Nummer 26 machte Gloria endlich den Mund auf und sagte auf Deutsch, mit spanischem Akzent: "Schäm' dich, das kannst du besser!"

Man muss Gloria zugutehalten, dass sie keine richtige Spanierin ist, sondern ein Avatar. Als virtuelle Spanischlehrerin führt sie durch den "Intensivkurs Español" von Digital Publishing (DP). Diese Firma war 2004 einer der ersten Anbieter von Spracherkennungsprogrammen und ist heute Marktführer.

Obwohl die Lernsoftware auch schon vor fünf Jahren ziemlich ausgefeilt war, hat es lange gedauert, bis ein Anfänger von Gloria wirklich etwas lernte. Die ersten Stunden quälte man sich durch die Bedienungsanleitung, und auch nach ein paar Tagen waren Glorias mündliche Anweisungen auf Spanisch noch immer nicht zu verstehen.

Am Ende, das war ungefähr nach zwei Wochen, wusste man immerhin, dass Spanier zum Frühstück "churros" essen, ein vor Fett triefendes Spritzgebäck. Man hatte gelernt, dass Studenten morgens noch "duermen como un lirón", also wie ein Murmeltier schlafen. Und dass man "perro", den Hund, anders ausspricht als "pero", was "aber" bedeutet.

Das Spracherkennungsprogramm ist tückisch

In der aktuellen Auflage des "Intensivkurses Español" geht alles leichter - wenn man die ersten Hürden genommen hat. Der Kurs ist sowohl für Anfänger als auch für Fortgeschrittene geeignet und richtet sich nach den TELC-Standards ("The European Language Certificates") für die Stufen A 1 bis B 2. Wer keine Vorkenntnisse hat und sich unnötige Frustrationen ersparen möchte, sollte trotzdem vorher ein Buch zur Hand nehmen, das grundlegende Grammatikregeln erklärt.

Das Spracherkennungsprogramm ist tückisch. Es bewertet die eigene Aussprache mit einem Ampelsystem. Wenn ein rotes Lämpchen blinkt, kann man sich darauf verlassen, dass kein Spanier verstehen würde, was man gesagt hat. Gelb bedeutet, man könnte Einheimische nach dem Weg fragen, ohne von ihnen ein "Que?" (Wie bitte?) zu hören. Und grünes Licht gibt es für alle, deren Aussprache schon ziemlich gut ist.

Sprachlehrerin Gloria, die noch genauso aussieht wie früher, zeigt in der aktuellen Version zuerst ein paar spanische Städte, deshalb nennt sich dieser Kurs auch "interaktive Sprachreise". Der virtuelle Trip beginnt allerdings wieder mit Hindernissen. Wer die CD eingelegt hat, kann wählen, ob er nach Madrid, Sevilla oder Barcelona möchte und ob er seine Übungen systematisch oder lieber individuell zusammenstellen will.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was man tun muss, um Sprachlehrerin Gloria zu beeindrucken

Gloria kommt einem jetzt immer netter vor

Genau wie beim Kofferpacken im wirklichen Leben fühlt sich der Wiedereinsteiger durch diese Reisevorbereitungen überfordert. Wer ungeduldig ist oder den Einstufungstest im Hauptmenü nicht auf Anhieb gefunden hat, gerät in Versuchung, gleich mit der ersten Übung zu beginnen. Man spricht also, ganz ohne Test, hoffnungsvoll den ersten Dialogfetzen ins Mikrophon.

Gloria von Digital Publishing

Wehe, wenn Gloria die Stirn runzelt. Dann ist die Aussprache des Sprachschülers ganz, ganz schlecht.

(Foto: Foto: Digital Publishing)

Doch: "No pasa nada." Nichts passiert. Das rote Licht blinkt. Große Enttäuschung, gefolgt von einem zweiten und einem dritten Versuch. Doch Gloria versteht nicht. Freundlicherweise gibt sie den Hinweis, dass das Mikrophon nicht richtig eingestellt ist, und hilft dabei, das Problem zu lösen.

Es wird klar: Ohne Einstufungstest geht gar nichts. Also zurück auf Start und den Test absolvieren. Das Programm schlägt einen individuellen Kursverlauf vor, der die Kenntnisse des Lerners berücksichtigt und vermeiden soll, dass er über- oder unterfordert wird. Von der zweiten Lektion an gelingt alles. Erst sollen Adjektive übersetzt (groß, klein, nah, fern) und Körperteile auf Bildern per Mausklick zu den entsprechenden Begriffen sortiert werden (Arm, Kopf, Brust, Hand). Es klappt - und Gloria kommt einem jetzt immer netter vor.

"Du brauchst mich wohl nicht mehr"

Die Stiftung Warentest gab dem "Intensivkurs Español" das Prädikat "gut". Die Graphiken sind anschaulich, die Übungen werden verständlich erklärt, und wer Gloria immer noch nicht mühelos versteht, kann das Tempo der spanischen Anweisungen drosseln und die Vokabeln einzeln anklicken, dann wird eine deutsche Übersetzung eingeblendet.

Neu sind viele der Hörverständnis-Lektionen. Jeder Satz wird vorgesprochen, bevor der Nutzer ihn wiederholt. Diese Funktion zu benutzen, lohnt sich, denn schließlich sollte man möglichst schnell lernen, sein Gegenüber auch dann zu verstehen, wenn es, wie die meisten Spanier, ein wenig nuschelt.

Nach zwanzig weiteren Übungen machen die Gespräche mit Gloria richtig Spaß. Nach jeder gelösten Aufgabe blinkt das grüne Lämpchen auf, und Gloria seufzt: "Du brauchst mich wohl nicht mehr." Schade eigentlich. Gerade hatte man sich richtig aneinander gewöhnt.

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