Süddeutsche Zeitung

Sprache:Vorsicht, Zeigefinger

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Im Umgang mit englischsprachigen Geschäftspartnern fehlt es oft an Fingerspitzengefühl. Ein paar Tipps, von Kennenlernen bis Verhandeln.

Von Viola Schenz

Mit Fremdsprachen verhält es sich bisweilen wie mit einem Rezept für, sagen wir, ein Souffle. Was sich im Kochbuch einfach und einleuchtend liest, gerät beim Servieren zum Kunststück. Statt einer wohlgeformten Haube steht da eine traurig eingesackte Teighülle auf dem Tisch. Auch Englisch aus dem Lehrbuch kann sich als unhandlich erweisen, wenn nach langen Verhandlungen mit britischen, amerikanischen oder australischen Geschäftspartnern doch kein Vertrag zustande kommt.

Der kann an Formalien oder Inhalten scheitern, manchmal aber auch an der zwischenmenschlichen Chemie. Natürlich bedeutet ein falsches Wort oder eine unangebrachte Geste nicht gleich das Aus, aber in der Summe können Soft Skills, also soziale Kompetenzen, den Ausgang durchaus beeinflussen. Hier ein paar Tipps, wie sich im Umgang mit angloamerikanischen Geschäftspartnern Irritationen vermeiden und Fettnäpfchen umgehen lassen, beim Begegnen, Mailen, Telefonieren, Verhandeln oder Plaudern.

Kennenlernen

Das Praktische an den Angelsachsen ist ja, dass sie einem die erste Begegnung einfach machen, weil sie eingängigen Ritualen folgt. Man stellt sich vor und erkundigt sich nach dem Wohlbefinden des anderen, das Gegenüber macht es ebenso. Dass man da nicht die jüngste Krankengeschichte langatmig erzählt, sondern mit einem "Thank you, everything is fine / quite okay / I can't complain" antwortet, versteht sich von selbst.

In Deutschland und Österreich mag man auf einen akademischen Titel stolz sein wie Bolle, hier hat er erst mal nichts verloren. Vor- und Zuname reichen ("Hi, I am Anne Fischer"), einen Doktortitel nennen in der Regel nur Ärzte und auch nur dann, wenn sie in ihrer Arztfunktion auftreten. Auch ist es im Englischen üblich, den eigenen Beruf eher zu beschreiben, als ihn beim Namen zu nennen, also: "I teach chemistry at university" statt "I'm a tenured professor of chemistry".

Und Vorsicht: Dass man sich auch im geschäftlichen Kontext ziemlich schnell mit Vornamen anspricht, setzt nicht die Hierarchie außer Kraft. "Mike" ist also nicht gleich der "best buddy", sondern bleibt der Chef des anderen Unternehmens und verdient Vorzugsbehandlung.

Etwas schwieriger wird es beim Blickkontakt. In manchen Kulturen gilt intensives in die Augen Schauen als aggressiv, in anderen wird es als Unhöflichkeit oder Unsicherheit ausgelegt, wenn man häufig zur Seite oder nach unten blickt. Beides kann sich negativ auf die Sympathien auswirken. Hier gilt es, je nach Situation abzuwägen beziehungsweise sich den anderen anzupassen und die Form der Intensität entsprechend zu wählen. Und: Mit der deutschen Pünktlichkeit sollte man es bitte nicht so genau nehmen, eine Viertelstunde Karenz kann man den anderen gönnen.

Mailen

Dass es dabei weniger förmlich zugeht als einst beim postalischen Austausch, hat sich inzwischen weltweit herumgesprochen. Mails orientieren sich eher an der mündlichen denn der schriftlichen Konversation. Umso wichtiger ist es, sie möglichst übersichtlich und kurz zu halten.

Die Signatur sollte die jeweilige Landesvorwahl der Telefonnummern sowie die englische Bezeichnung der Funktion und Abteilung enthalten ("Anne Fischer, Project Manager, International Sales" - Projektleiterin Auslandsvertrieb). Funktionen und Abteilungen sind wie Eigennamen, sie werden stets groß geschrieben.

Was Anrede und Verabschiedung angeht, so wechselt man im Lauf einer Mail-Korrespondenz meist schnell ins Informelle. Aus "Anne Fischer" wird "Anne", aus "Sincerely" oder "Kind regards" bald ein "Regards" oder gar "Cheers". Im Verlauf der Korrespondenz lässt man Anrede und Verabschiedung der Schnelligkeit halber auch ganz weg, und Mails schließen mit einem freundlichen "Thanks". Am einfachsten macht man es sich und der guten Stimmung, wenn man auch hier nachzieht und sich genauso verabschiedet. So bleibt man auf Augenhöhe. Wer oft auf Englisch mailt, tut gut daran, sich mit den zahlreichen praktischen Abkürzungen vertraut zu machen (asap, as soon as possible - so bald wie möglich; ETA, estimated time of arrival - voraussichtliche Ankunftszeit; w/e - weekend; fyi - for your information), sie lassen sich schnell im Web nachschlagen.

Telefonieren

Wer sprachunsicher ist, kann sich mit einem Notizzettel behelfen, auf dem das Wichtigste vorformuliert ist; eine schriftliche Stütze nimmt die Nervosität. Auch hier immer Vor- und Zunamen, Funktion und Herkunft nennen ("Good Morning, this is Anne Fischer from / with Firma XY, calling from Germany"), damit sich Gesprächspartner sofort orientieren können. Und ebenfalls akademische Titel weglassen.

Angelsachsen werfen gerne ein "Yeah" oder "Right" in den Redefluss des anderen ein, um Aufmerksamkeit und Affirmation zu signalisieren. Schweigen am anderen Ende der Leitung - ebenso wie im persönlichen Gespräch - wird womöglich als unhöflich und unkonzentriert empfunden.

Zahlenreihen, also etwa Telefonnummern oder Bankverbindungen, werden einzeln diktiert. 347 heißt also "three-fourseven" statt "three hundred forty-seven". Bei Doppelungen sieht es anders aus: 55 heißt "double-five" statt "five-five". Dann ist da noch die Sache mit Punkt und Komma: Dezimalzahlen werden mit Punkt gegliedert, Tausender mit Komma, also umgekehrt wie im Deutschen. 6.342 liest man "six point three four two", also "sechs Komma drei vier zwei". 6,342 "six thousand three hundred forty-two", also "sechstausenddreihundertzweiundvierzig".

Und: "Handy" ist ein Kunstbegriff, den außerhalb des deutschsprachigen Raums kaum jemand kennt. Die englischsprachige Welt sagt "mobile" oder "cell phone".

Verhandeln

Mit gesundem Understatement fährt man am besten. Die anderen im Raum sind wenig daran interessiert, was für ein toller Hecht man ist, welche Titel man erworben und welche Karriere man hingelegt hat. Das kann man ja dann im Ergebnis beweisen. Was dagegen gut ankommt, ist eine nette Anekdote, die einen wiederum nicht als Helden triumphieren lassen sollte.

Sich selbst nicht so wichtig zu nehmen, sondern im Gegenteil mit Humor ("Heute ist mir was Idiotisches passiert ..."), fällt vielen Deutschen in einer solchen Situation schwer. Unter Angelsachsen dagegen wird das keineswegs als Schwäche ausgelegt, sondern im Gegenteil als menschliche Größe. Und sie haben erstaunlich feine Antennen, um Angeber zu entlarven. Gerade das "Mansplaining" - Mann erklärt, bevorzugt einer jüngeren Frau, wortreich die Welt, auch wenn die Dame selbst ganz gut informiert ist - geht allseits auf die Nerven. Hier kann man sich schnell mit Besserwisserei blamieren.

Auch ecken Deutsche mit ihrer direkten Art im Ausland oft an. Andere Kulturen kaschieren Negatives gerne. Ein konkretes Nein, das man in Deutschland als verbindliche Antwort schätzt, wird anderswo leicht als Affront empfunden. Aus demselben Grund umschreibt man im höflichen Englisch Aufforderungen meist als Vorschläge oder Fragen. Statt "Call Mike!" heißt das dann "You might want to call Mike" oder "Why don't you call Mike?". Statt "That isn't possible" sagt man lieber "I'm afraid that may be difficult". Ein in Watte gepackter Befehl kann Wunder bewirken, der Adressat versteht ihn dennoch als verbindlich. Doch Vorsicht beim Einsatz von "Please": Immer ans Ende der Bitte stellen ("Could you hand me that document, please?"), am Satzanfang käme es einer panikartigen Aufforderung gleich.

Plaudern

Auch hier gibt es verborgene Regeln. Beim Warmreden sind die Themen Religion, Politik, Finanzen, Aussehen des Gegenübers tabu - zu groß wäre die Gefahr, jemanden zu kränken oder in Streit zu geraten. Unverfänglich dagegen ist das Wetter, der letzte Urlaub, Sportereignisse, was am Tag passiert ist oder wie man den Weg zum Veranstaltungsort gefunden hat. Und: Auf Empfängen sollte man es bei ein paar Minuten bewenden lassen, dann geht es zur nächsten Person. Deutsche tendieren dazu, sich festzuquatschen.

Vorsicht mit Gesten: Ein erhobener Zeigefinger mag zwar ironisch gemeint sein, viele empfinden ihn aber als belehrend, gar aggressiv. Auch sollte man besser mit der ganzen, offenen Hand auf etwas oder jemanden zeigen als mit besagtem Finger. Im Angelsächsischen drückt man zum Glückwünschen keinen Daumen, sondern kreuzt Zeige- und Mittelfinger ("Keep the fingers crossed"). Und beim Aufzählen beginnt man nicht mit dem Daumen, sondern mit dem kleinen Finger. Sich solche Details abzuschauen, beweist Vertrautheit und kann den Deal perfekt machen.

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Quelle:
SZ vom 05.08.2017
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