Sportstipendien:Mit Muskelkraft und Köpfchen

Die USA bieten für Leistungssportler sehr gute Möglichkeiten, Profisport mit einem MBA-Studium zu verbinden. Drei junge Athleten berichten vom Bewerbungsprozess und von ihren Erfahrungen in den Vereinigten Staaten.

Von Verena Wolff

Sports, 2nd prize singles - 2016 World Press Photo

Wer ein Sportstipendium für die USA bekommt, muss sich kräftig nach der Decke strecken - das gilt nicht nur für Basketballer. Die Unis erwarten, dass die deutschen Athleten tolle Leistungen bringen.

(Foto: Greg Nelson/dpa)

Die USA sind eine sportverrückte Nation. Im Baseball, Basketball und American Football gibt es nicht nur nationale Ligen, sondern eigene Ligen für Studierende, zu deren Spielen oft Zehntausende Fans kommen. Auch in anderen Sportarten haben die Hochschulen Teams, die gegeneinander antreten. Gute Athleten werden also immer gesucht. Für Deutsche ist das eine Chance, sich ein Studium in den USA zu "verdienen" - die Kontakte stellen spezielle Vermittlungsagenturen her. Die Unis zahlen den Athleten die Studiengebühren, Unterkunft und Verpflegung, allerdings nicht immer komplett. Im Gegenzug verpflichten sich die jungen Leute, mit ihrem Team gute Leistungen zu bringen. Für viele Deutsche ist das eine Win-win-Situation, denn hierzulande ist es äußerst schwierig, Leistungssport und ein Studium miteinander zu verbinden.

"Nach den Mastern würde ich gern promovieren"

Sportstipendien: Julia Zellner, 22, bekam ein Stipendium, das ihre Kosten nahezu abdeckt. Nur die Auslandskrankenversicherung und die Schulbücher musste die Tennisspielerin selbst finanzieren.

Julia Zellner, 22, bekam ein Stipendium, das ihre Kosten nahezu abdeckt. Nur die Auslandskrankenversicherung und die Schulbücher musste die Tennisspielerin selbst finanzieren.

(Foto: oh)

Julia Zellner spielt leidenschaftlich gerne Tennis, seit 17 Jahren schon. Als sie anfing, war die Niederbayerin zarte fünf Jahre alt. Heute schlägt sie für den TC Rot-Blau Regensburg auf. Im Moment allerdings spielt sie nicht für den oberpfälzischen Club in der Bayernliga, sondern für die Mannschaft der Lincoln Memorial University (LMU) in Harrogate, Tennessee. Dahin hat sie das Tennis gebracht. Die heute 22-Jährige begann gleich nach ihrem Abitur an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) mit dem BWL-Studium, Schwerpunkt Accounting und Controlling. Im Sommersemester 2016 hatte sie den Bachelor in der Tasche und schloss ein weiteres Programm direkt an. "Ich mache den FACT-Master: Finance, Accounting, Controlling, Taxation", sagt sie. Im Moment allerdings ruht das Studium in Ingolstadt - Zellner hat sich beurlauben lassen. Denn sie möchte ihren Master of Business Administration (MBA) an der Hochschule im tiefen Süden der USA absolvieren. "Nach meiner Zeit in den USA werde ich zwei Masterabschlüsse erhalten: den deutschen Master of Science von der KU sowie den MBA von der Lincoln Memorial University", sagt sie.

Doch vor allem spielt sie Tennis, der Hauptgrund, weswegen sie in die USA gegangen ist. "Ich wollte die Erfahrung machen, als Athlet an einem amerikanischen College zu studieren." In den USA ist es deutlich einfacher als in Deutschland, hochklassigen Sport mit einer Hochschulausbildung zu verbinden. "In den vergangenen Jahren konnte ich unter der Woche fast gar nicht trainieren, weil ich in Ingolstadt studiere und in Regensburg Tennis spiele." In den USA sei das anders. "Als Masterstudent nehme ich dort an einem Abendprogramm teil, habe also dreimal die Woche von 18 bis 21 Uhr Uni." Und der Sport? "Aktuell trainieren wir unter der Woche etwa drei Stunden pro Tag, dazu kommen Spiele unter der Woche und am Wochenende." Im Sommer, wenn die Punktspiele anstehen, werden Training, Ruhetage und Spieltermine ganz genau aufeinander abgestimmt. Julia Zellner war in gewisser Weise ein schwer zu vermittelnder Fall, denn sie ist nur noch für ein Jahr spielberechtigt in den USA, so sehen es die Regeln vor. Doch sie bekam ein Stipendium, das ihre Kosten nahezu abdeckt. "Nur die Auslandskrankenversicherung und die Schulbücher, etwa 500 Euro pro Semester, muss ich selber finanzieren", sagt sie. Zellner will das im Normalfall auf zwei Jahre angelegte MBA-Programm in einem Jahr abschließen. "Dafür muss ich zusätzliche Kurse belegen, die ich selber finanziere." Diese Investition nimmt sie gerne auf sich. Nach der Uni ist für sie schließlich vor der Uni: "Nach den Mastern würde ich gern promovieren."

"Als ,Student Athlete' fühlt man sich wie in einem Vollzeit-Job"

Sportstipendien: Felix Petermann, 24, hat gleich zwei Studiengänge in den USA absolviert. Inzwischen ist der Fußballer zurückgekehrt und arbeitet in der Pressestelle seines Jugendclubs 1. FC Union Berlin.

Felix Petermann, 24, hat gleich zwei Studiengänge in den USA absolviert. Inzwischen ist der Fußballer zurückgekehrt und arbeitet in der Pressestelle seines Jugendclubs 1. FC Union Berlin.

(Foto: oh)

Felix Petermann gehörte zu denjenigen, nach denen die Trainer in den USA suchen: frisch von Schule, viele Jahre Spielberechtigung vor sich - in Deutschland war er Fußballtorwart im Nachwuchsleistungszentrum des 1. FC Union Berlin. Doch es gab zwei Hindernisse auf dem Weg in den Profi-Fußball: Petermann ist recht klein für einen Torhüter und hat Diabetes. "Aber ich wollte spielen und ich wollte studieren", sagt der 24-Jährige. Er hat es geschafft.

Petermann begann schon gut eineinhalb Jahre vor seinem Abitur, seine Chancen auszuloten. "Ich machte die Tests und nahm Kontakt mit Vermittlern hier in Deutschland auf." Verschiedene Hochschulen boten ihm ein Stipendium an. Er entschied sich für die Towson University nahe Baltimore im Bundesstaat Maryland. Er lebte sich gut ein - doch nach einem halben Jahr erfuhr er, dass es sein Team fortan nicht mehr geben werde. Die Bewerbung begann von vorn. "Alles schien vorbei zu sein - doch wie es in Amerika oft ist, haben sich dann doch wieder Chancen aufgetan." Er landete an der San Jose State University in Kalifornien, wo er sich innerhalb von drei Jahren den Bachelor in Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation erarbeitete. Und die ganze Zeit bei den "Spartans" zwischen den Pfosten stand.

"Als 'Student Athlete' fühlt man sich wie in einem Vollzeit-Job", sagt Petermann - am Nachmittag Vorlesungen und Seminare, mindestens drei Stunden Training am Tag, über die verlängerten Wochenenden die Spiele gegen die anderen Mannschaften. "An der Ostküste war das alles recht nah beieinander, da sind wir oft nur zu den Spielen gefahren oder geflogen." Im Westen hingegen sind die Entfernungen deutlich größer, da sei das Team oft drei oder vier Tage unterwegs gewesen.

Seinen Master wollte Petermann auch noch in den USA machen. "Ich entschied mich für die Stanford University, da war ich dann allerdings nicht mehr als Athlet." Trotzdem hat er verschiedene kleinere Stipendien bekommen, musste aber insgesamt noch eine Menge Geld investieren, um seinen Abschluss an der Eliteuniversität in Kalifornien zu machen. Bereut hat er das nicht, denn "den Sport und die Uni hätte ich in Deutschland niemals so unter einen Hut bekommen", sagt er. Dennoch hat er sich entschieden, zurück in seine alte Heimat zu kommen - und arbeitet nun in der Pressestelle seines Jugendklubs 1. FC Union Berlin.

"Ich wollte eine neue Kultur kennenlernen"

Sportstipendien: Marco Gatzke, 22, ist nach seinem MBA-Abschluss in General Management in den USA geblieben. Der Westfale arbeitet bei Siemens in North Carolina.

Marco Gatzke, 22, ist nach seinem MBA-Abschluss in General Management in den USA geblieben. Der Westfale arbeitet bei Siemens in North Carolina.

(Foto: oh)

Marco Gatzke ist schon fertig mit seinem MBA - der Westfale hat sich den zweiten Teil des Studiums mit seiner Sportlichkeit finanziert. Auch er spielt Fußball und hat seinen Bachelor of Arts an der Fachhochschule Dortmund gemacht. "Ich wollte meinen Master in den USA machen, um Auslandserfahrungen zu sammeln und eine neue Kultur kennenzulernen", erzählt er. Also besann sich Marco auf seine junge Fußballer-Karriere und bewarb sich ebenfalls um ein Sportstipendium. "Ich habe in meinem Heimatverein SV DJK Grün-Weiß Nottuln 1919 angefangen, ging dann zum SC Preußen 06 Münster und mit 17 für zwei Jahre zum FC Schalke 04, bevor ich wieder zurück zu Münster gewechselt bin." Seit seiner Jugend hat er also immer in der höchsten oder zweithöchsten Spielklasse gekickt, die es in seinem Alter gab.

Voraussetzung für den Mittelfeldspieler war, ein Vollstipendium zu bekommen - und das klappte. "Verschiedene Trainer haben sich bei mir gemeldet, und dann ging das Verhandeln los." Er sprach mit mehreren Coaches und entschied sich dann für die in seinem Fall beste Lösung, die Winthrop University in Rock Hill im Staat South Carolina. Diese übernahm nicht nur die Studiengebühren für ihn, sondern auch die Kosten für Wohnung, Verpflegung und die Schulbücher. "Nur das, was ich in meiner Freizeit gemacht habe, musste ich selbst bezahlen."

Auch Gatzke berichtet von einer deutlich höheren Intensität des Trainings, auch sei die Belastung während der Spielzeit hoch. Einige Monate lang werde praktisch die ganze Zeit gespielt. "In der Vorbereitung trainiert man jeden Tag zwei Mal, dazu kommt regelmäßiges Krafttraining." Allerdings findet er auch: "Die taktische und technische Ausbildung ist in Deutschland viel besser." Zwei Jahre benötigte er für seinen "MBA in General Management", die ganze Zeit über kickte er erfolgreich für das Team seiner Hochschule.

Im letzten Semester arbeitete Gatzke bereits in Teilzeit als Financial Analyst für Siemens in Charlotte im Nachbarstaat North Carolina. Wie ging es weiter? "Nach dem Abschluss bin ich direkt in eine Vollzeitstelle gewechselt", berichtet er. Der Fußball spielt noch immer eine Rolle im Leben des 25-Jährigen, im Sommer war er noch als "Semi-Professional" klassifiziert. Mit dieser Klassifizierung konnte er in der vierten amerikanischen Liga spielen. "Aber ich konnte zu keinem Auswärtsspiel unter der Woche, wie noch an der Uni", erzählt er. "Mittlerweile spiele ich noch zwei Mal in der Woche in Hobbyligen in Charlotte und helfe manchmal beim Training meiner alten Uni-Mannschaft aus."

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