Sponsoring in der Schule:Deutsch, Mathe, Werbung

Zwei Bildungsexperten und eine Firmenvertreterin diskutieren über die immer engere Beziehung zwischen Schulen und Unternehmen.

Marten Rolff, Tanjev Schultz

Bausparkassen werben in Gratis-Schulheften, Computerfirmen bilden Lehrer weiter, Kinobetreiber plakatieren in der Pausenhalle und Getränkehersteller richten Schulfeste aus. Die Präsenz der Wirtschaft an den Schulen, so kritisieren Lehrerverbände, nehme immer aggressivere Formen an und sei oft nicht mehr mit dem staatlichen Bildungsauftrag vereinbar.

Werbung in der Schule

Schüler mit Telekom-Kappen.

(Foto: Foto: dpa)

Heinz-Peter Meidinger, Chef des Deutschen Philologenverbandes, Silke Armann, Projektleiterin für Bildungssponsoring bei der Deutschen Telekom und Achim Lebert, Direktor des Gymnasiums Ottobrunn, über den Sinn von Sponsoring und die Werbeflut an den Schulen.

SZ: Herr Lebert, welche Rolle spielt Werbung in Ihrem Schulalltag?

Achim Lebert: Eine große. Ich habe das Sekretariat angewiesen, alles, was unaufgefordert reinkommt, auszusortieren. Sonst würde ich zugeschüttet mit Anfragen. Egal ob das Fotostudios sind, die Schüler porträtieren, oder Reiseveranstalter, die die Abifahrt ausrichten wollen. Das ist wie mit den Spammails, die man löscht.

SZ: Herr Meidinger, der Philologenverband geißelt die Werbeflut derzeit stark. Neu ist Ihre Kritik aber nicht. Warum gehen Sie gerade jetzt auf die Barrikaden?

Heinz-Peter Meidinger: Die Angebote werden ausgeweitet. Ich bekomme ungefragt Vertragsentwürfe von Firmen zugeschickt, die bei uns Bildschirme installieren wollen. Einen für den Vertretungsplan und einen für Werbespots daneben. Unmöglich! Unternehmen drangsalieren uns mit Anfragen, unsere Infotafeln mit Werbung zu pflastern. Natürlich stets mit dem Hinweis, es sei lukrativ und mit dem staatlichen Bildungsauftrag vereinbar. Wir versuchen trotzdem, sauber zu bleiben!

SZ: Nun kommen aber mittlerweile in etwa 40 Prozent aller Fälle Schulen selbst auf die Unternehmen zu, bitten um neue Bälle oder um Geld für Feste. Ist es angesichts knapper Kassen nicht weltfremd, die Schuld nur den Firmen zuzuschieben?

Meidinger: Bis vor einigen Jahren wurde uns vorgeworfen, die Schulen hätten Berührungsängste mit der Wirtschaft, sie würden sich abkoppeln und seien praxisfern. Diese Angst gibt es heute nicht mehr, und das ist sehr positiv. Heute bestehen viele wünschenswerte Kontakte. Das Problem ist ein anderes: Schulleiter werden mit der Anfragenflut allein gelassen. Es gibt keine Vorgaben oder Empfehlungen. Die Ministerien vertrauen darauf, dass sich die Beziehungen mit der Wirtschaft von selbst regeln und dass Unternehmen zum Beispiel einspringen, um marode Schulgebäude zu sanieren. Berlin, Bremen und Sachsen-Anhalt haben jede Beschränkung bei der Werbung in Schulen abgeschafft. Das geht zu weit!

SZ: Sie fühlen sich allein gelassen?

Meidinger: Wir fühlen uns ein wenig von der Politik verraten. In Bayern gab es ein Projekt, bei dem Schüler in Zusammenarbeit mit dem Süßwarenkonzern Wrigley's eine Werbestrategie für das Jahr 2020 entwickeln sollten. Wenn dann der bayerische Bildungsminister dem Konzern in einer Presseerklärung dankt und der Staatssekretär für Wrigley's auftritt, werden Grenzen überschritten.

SZ: Wie sieht denn eine ideale Kooperation mit der Wirtschaft aus?

Meidinger: Schule sollte strikt neutralitätsgebunden sein und darf weder Auflagen akzeptieren noch Produktwerbung zulassen. Firmen dürfen also Schulen sponsern, wenn diese allein über die Verwendung des Geldes entscheiden.

SZ: Frau Armann, kaum ein Unternehmen in Deutschland hat ein so großes Programm für die Schulen wie die Telekom. Erfüllen Sie Herrn Meidingers Idealbild?

Silke Armann: Dieses Ideal ist wohl nicht in allen Punkten realistisch. Sicher ist unsere Förderung nicht so angelegt, dass wir nur Geld geben und dann einer Schule sagen: Macht damit, was ihr wollt. Aber wir legen Wert darauf, dass unsere Sponsoring-Projekte nicht in pädagogische Inhalte eingreifen. Trotzdem fördern wir natürlich in Bereichen, die wir als sinnvoll erachten und die auch zu uns passen.

SZ:: Und welche sind das?

Armann: Wir möchten Entwicklungsimpulse geben. Etwa dadurch, dass wir Lehrer bei der Vermittlung von Medienkompetenz unterstützen. Und bis heute haben wir über unsere Projekte "Schulen ans Netz" und T@school Internetzugänge für 34.000 Schulen entgeltfrei zur Verfügung gestellt. Direkte Produktförderung oder unser Logo werden Sie in den Schulen aber vergeblich suchen.

Deutsch, Mathe, Werbung

SZ: Aus der Marktforschung weiß man, dass Kinder später oft bei Anbietern bleiben, die sie kennen. Außerdem haben sie gerade im Technologiebereich großen Einfluss auf Kaufentscheidungen der Eltern.

Meidinger: Und es gibt noch einen Effekt: Firmen wie Intel oder Microsoft haben über kostenlose Software-Lizenzen viel Geld in Schulen investiert. Nun laufen diese Lizenzen aus und ich stehe vor der Entscheidung, entweder kostenpflichtig zu verlängern oder mich nach Alternativen umzusehen. Daran sieht man, dass sich die Strategie am Ende auszahlt.

Armann: Ein Internet-Anschluss von uns ist ja nun nicht damit verbunden, dass anschließend ein T-DSL-Paket beworben wird. Uns geht es hauptsächlich um zwei Aspekte: Image und Verantwortung. Als großes Dax-Unternehmen verstehen wir uns als corporate citizen. Wir sind bereit, Verantwortung zu übernehmen. Zudem haben wir uns dem Leitbild der Nachhaltigkeit verschrieben. Unsere Interessen orientieren sich an sozialen und ökologischen Kriterien. Damit ist unser Bildungsengagement imagefördernd.

SZ: Studien sagen, kein Unternehmen engagiere sich in Schulen, wenn dadurch nicht mindestens mittelfristig Absatzvorteile entstünden. Schüler verfügen über neun Milliarden Euro Taschengeld. Trends werden in der Schule gesetzt. Das will die Telekom nicht nutzen?

Armann: Man muss sich die Situation an den Schulen anschauen: Die Kassen sind knapp und seit etwa zehn Jahren wird die Gesetzgebung gelockert, damit die Wirtschaft stärker die Möglichkeit hat, an Schulen zu gehen. Aber es gibt trotzdem nach wie vor klare Regeln, die Produktwerbung und Beeinflussung von Kundenverhalten verbieten. Auch dürfen Lehrer keine Produktempfehlungen aussprechen. Und diese Regeln umschiffen wir selbstverständlich nicht.

Lebert: An unserer Schule ist das Telekom-Engagement niemandem bewusst. Wir nutzen die Anschlüsse und fertig. Wenn der Staat die Ausstattung nicht hinkriegt, halte ich mich eben an Sponsoren wie die Telekom, Microsoft oder die Allianz. Ich denke, dass viele Firmen aushelfen, weil sie sehen, in welch schwieriger Situation sich Schulen befinden. Was nicht ausschließt, dass es Firmen gibt, die ihr Engagement mit Druck verbinden.

SZ: Fassen wir zusammen: Die Unternehmen sind mildtätig und selbstlos. . .

Lebert: Nicht alle!

SZ: . . . und die Schulen selbstbewusst und frei in ihrer Entscheidung. Wirtschaft und Schule - eine wunderbare Symbiose, Herr Meidinger. Also ist die Kritik des Philologenverbandes hysterisch.

Meidinger: Man muss schon genau hinsehen. Ich bezweifle, dass es viele Unternehmen gibt, deren wichtigstes Ziel es ist, mit selbstlosen Zahlungen das deutsche Pisa-Ergebnis zu heben. Die Frage, die man sich stellen muss, ist doch, ob man sich als Schule dafür hergeben soll, für Firmen Imageaufbesserung zu betreiben.

Lebert: Natürlich muss eine Schule sich überlegen: Passt dieser oder jener Sponsor zu unseren Zielen? Passt das zu einer öffentlichen Schule? Die Frage lautet immer: Was haben wir eigentlich davon?

SZ: Herr Lebert, können Sie zwischen guten und schlechten Sponsoren unterscheiden? Sind Sie da nicht überfordert?

Lebert: Überfordert nicht, aber es kostet viel Zeit. Beispielsweise bekommen wir Material von Unternehmen für den Wirtschaftsunterricht. Nun müssen wir lange prüfen: Ist das einsetzbar oder nicht? Das ist vom Arbeitsaufwand her zum Teil nicht mehr zu bewältigen.

SZ: Gerade an Unterrichtsbroschüren von Firmen entzündet sich Kritik, weil sie Schüler subtil beeinflussen könnten.

Meidinger: Das stimmt! Das "Informationszentrum Mobilfunk e.V." , bei dem auch T-Mobile dabei ist, stellt Unterrichtshefte über Netztechnik zur Verfügung. Die wirken neutral. Aber die Diskussion über Elektrosmog fehlt völlig. Als Lehrer muss ich im Unterricht auf diese Defizite hinweisen und Stoff ergänzen.

Lebert: Es ist doch nicht so, dass die Lehrer den angebotenen Stoff kritiklos umsetzen! Gleiches gilt für die Berufspraktika. Ein Hauptkriterium bei der Bewertung des Praktikumsberichts durch den Lehrer ist eine Reflexion dessen, was der Schüler im Unternehmen erlebt hat. Das Erlebte kritisch zu hinterfragen, ist ein zentraler Ansatz der Schule. Der Schüler schreibt da doch nicht: Die Telekom oder die Metro sind toll und Schluss!

Meidinger: Natürlich haben Wirtschaftskontakte für Schulen auch positive Effekte. Es ist ja legitim, wenn Unternehmen ihren Nachwuchs über Schulen gewinnen. Knapp 40 Prozent der Abiturienten wissen heute nicht, was sie später machen wollen.

Armann: Die Wirtschaft ist aufgefordert, immer mehr Verantwortung zu tragen. Aber sie kann nicht flächendeckend Defizite ausgleichen, sie kann nur unterstützen. Beim Thema Berufsvorbereitung kommen die Schulen häufig auf uns zu, wie etwa beim "Girls' Day", bei dem Mädchen in die Firmen gehen. Und nebenbei bemerkt: Wenn es so herum läuft, stellt keiner in Frage, dass Schüler dort auf Schritt und Tritt mit Logos und Produkten konfrontiert werden. Das lässt sich auch gar nicht vermeiden.

SZ: Herr, Lebert, Ihre Schule ist bundesweit die einzige "Microsoft-Schule". Das Software-Unternehmen hat Ihr Gymnasium im Januar für ein internationales Projekt ausgewählt. Was bedeutet das?

Lebert: Zunächst: Wir sind das Gymasium Ottobrunn, nicht die "Microsoft-Schule". Wir definieren uns nicht über ein Unternehmen. Aber die Zusammenarbeit ist für uns eine Auszeichnung. Das bayerische Kultusministerium hat uns vorgeschlagen, die Auswahl trafen Experten. In dem Projekt geht es nicht darum, dass wir Software bekommen. Es geht um Schulentwicklung, darum, wie eine Schule im 21. Jahrhundert gestaltet werden soll. In dem Projekt entsteht ein Netzwerk von Schulen, die sich austauschen.

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SZ: Herr Meidinger, ist es in Ordnung, wenn - wie in dem Fall - der Staat als Vermittler für Wirtschaftsprojekte auftritt?

Meidinger: So wie Herr Lebert das schildert, handelt es sich ja um eine Auszeichnung. Das Problem ist grundsätzlicher: Wenn der Staat sich immer weniger und die Wirtschaft sich immer stärker engagiert, fragt man sich, wie gerecht private Mittel verteilt werden. Da gibt es schon heute große Unterschiede. Ihre Schule, Herr Lebert, hat ganz andere Möglichkeiten als eine arme Provinzschule. Auch zwischen den Schularten wächst die Kluft. Wie gut Schulen ausgestattet sind, dürfen wir aber nicht dem Markt überlassen.

SZ: Im Schulverwaltungsgesetz steht, einzelne Schulen dürften nicht unangemessen bevorzugt werden. Wird Ihre Schule unangemessen bevorzugt, Herr Lebert?

Lebert: Das sehe ich nicht so. Was wir in dem Projekt lernen, soll später an andere weitergegeben werden.

SZ:Frau Armann, besteht die Gefahr eines ruinösen Wettbewerbs der Schulen um die potentesten Partner? Auch die Telekom kann ja nicht alle fördern.

Armann: Die Telekom fährt zweigleisig. T@school ist für alle da, hier geht es um die entgeltfreie Anbindung ans Netz. Doch was die Schulen damit anfangen, darauf haben wir keinen Einfluss. Zum anderen gibt es "Leuchtturmprojekte", dort arbeiten wir mit einzelnen Schulen intensiver zusammen. Wir haben etwa eine enge Kooperation mit einem Gymnasium in Bonn. Das hat von uns W-Lan bekommen, Führungskräfte gehen in die Schule und halten Vorträge, erklären Wirtschaftabläufe, die Schüler machen Praktika bei uns. Bei solchen Partnerschaften kann es sicherlich passieren, dass eine Schule stärker von der Mithilfe aus der Wirtschaft profitiert als eine andere. Man darf aber nie vergessen: Die Finanzierung der Schulen bleibt eine staatliche Aufgabe.

SZ:Herr Lebert, auch Ihr Gymnasium wird beraten - von den Microsoft-Experten. Das Unternehmen sagt, der Prozess sei vergleichbar "mit der Bewertung eines Wirtschaftsunternehmens durch eine Unternehmensberatung". Sie leiten aber eine Schule und kein Unternehmen.

Lebert: Sicher. Doch schadet es einer Schule nicht, sich anzuschauen, wie Firmen organisiert sind. Wir lernen durch Austausch dazu. Microsoft schickt zwei Mentoren zur Unterstützung, einer von ihnen war früher selbst Schulleiter.

SZ: Benötigen Lehrer denn die Nachhilfe von Managern?

Meidinger: Die Schulen könnten da ruhig selbstbewusster sein. In ihrem Kerngeschäft, dem Unterricht, ist Nachhilfe aus der Wirtschaft kaum nötig und sinnvoll. Auch bei der Evaluation sind Pädagogen und Schulforscher die besseren Experten. Was bleibt sind Verwaltungsabläufe, öffentliche Auftritte, Technologie - hier können wir von der Wirtschaft lernen.

SZ:Manchmal werden auch die Lehrer schwach. In Nordrhein-Westfalen gerieten Pädagogen in den Verdacht der Vorteilsnahme, weil sie Freikarten für einen Freizeitpark privat genutzt haben sollen.

Meidinger: Es gibt sicher eine Grauzone, Freikarten sind so ein Fall.

Lebert: Beamte dürfen keine Geschenke annehmen. Ich erlebe aber kaum, dass es kritische Situationen gibt.

Meidinger: Es ist nötig, dass die Kultusministerkonferenz endlich ein paar bundesweit geltende Regeln für die Kooperation mit der Wirtschaft aufstellt. Es müssen klare Grenzen gezogen werden, das würde auch die Entscheidungen an den Schulen vereinfachen. Mich stören zum Beispiel Wettbewerbe, die Schulen angeboten werden, die aber vor allem dazu dienen, an die Adressen der Schüler zu kommen, um ihnen dann Werbung schicken zu können.

Armann: Missbrauch zu verhindern, liegt auch in unserem Interesse. Unternehmen, die sich nur kurzfristig engagieren und nur eigene Ziele verfolgen, schaden nicht zuletzt dem Ruf von Unternehmen, die sich ernsthaft auf Schulen einlassen. Je mehr Schulen mit Firmen zusammenarbeiten, desto mehr Kritikfähigkeit ist gefragt. Und es ist ratsam, Projekte in Verträgen zu beschreiben, damit Grenzen klar benannt werden können. Wir haben gute Erfahrungen damit gemacht.

SZ:Was legen Sie in Verträgen fest?

Armann:Zum Beispiel wie oft unsere Mitarbeiter an die Schule kommen, wieviele Praktikumsplätze wir anbieten, aber auch, dass wir uns nicht in den Unterricht einmischen.

SZ: Wie sieht die Zukunft an den Schulen aus? An Universitäten sind schon heute Hörsäle nach Sponsoren benannt. Werden Schüler im Telekom-Labor Physik und im Microsoft-Lab Informatik lernen?

Lebert: Das wird davon abhängen, wie gut der Staat die Schulen ausrüstet. Wenn die Schulen alleingelassen werden, sind sie gezwungen, andere Partner zu finden. Gut fände ich das allerdings nicht.

SZ: Sind Sie heute bereits gezwungen, auf Werbepartner einzugehen?

Meidinger:An manchen Werbeformen kommt so gut wie keine Schule mehr vorbei. Auch mein Gymnasium finanziert beispielsweise den Jahresbericht mit Werbung. Bei uns gibt es außerdem eine Kooperation mit einer Asklepios-Klinik, die Sportgeräte sponsert. Als Schulleiter stehe ich dafür gerade, dass hier Grenzen nicht überschritten werden. Es ist stets eine Gratwanderung.

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