Finanzidee:Großbritannien plant Akademikersteuer

Wer in Großbritannien seinen Abschluss gemacht hat, muss künftig womöglich ein Leben lang dafür bezahlen. Eine Akademikersteuer könnte die Studiengebühren ersetzen.

Maria Holzmüller

Erst wird gelernt, dann gefeiert - und mit dem Diplom kommt schließlich der Steuerbescheid. So könnte es schon bald in Großbritannien geschehen. Akademikern droht dort eine einkommensabhängige Sondersteuer, eine spezielle Graduierten-Last. Die Einnahmen hieraus sollen den finanziell angeschlagenen Universitäten zugutekommen und die bisherige Studiengebühren ersetzen.

Finanzidee: Studenten in Großbritannien müssen künftig womöglich keine Studiengebühren mehr zahlen - aber dafür eine eigene Steuer.

Studenten in Großbritannien müssen künftig womöglich keine Studiengebühren mehr zahlen - aber dafür eine eigene Steuer.

(Foto: AP)

Derzeit zahlen Studenten in Großbritannien jährlich 3225 Pfund - umgerechnet etwa 3870 Euro - Studiengebühren, meist vorgestreckt durch staatliche Studienkredite. Wer einmal seinen Abschluss hat, startet mit etwa 20.000 Pfund Schulden ins Berufsleben - und fängt dann erst mal mit der Rückzahlung an.

Großbritanniens liberaldemokratischer Wirtschafts- und Forschungsminister Vince Cable hält dieses Modell für ungerecht. "Grundschullehrer oder Sozialarbeiter zahlen derzeit genauso viel wie ein gutbezahlter Anwalt. Ich denke, die meisten Leute halten das für unfair", sagte er in einem Interview mit der BBC. Seine Vision der neuen Studienfinanzierung sieht deshalb eine Akademikersteuer vor, die vom tatsächlichen Gehalt der Absolventen abhängt.

Die Studiengebühren fielen nach diesem Entwurf weg - und das Zahlen beginnt für Akademiker erst nach dem Abschluss. Wer besser verdient, muss dann tiefer in die Tasche greifen. Von einem Steuersatz von fünf Prozent aufs Einkommen ist derzeit die Rede. Das Geld geht an den Staat, der es direkt an die Universitäten verteilt. Auch wenn das Studium längst vorbei ist - die Steuer bleibt und spült weiterhin Geld in die klammen Universitätskassen.

Genau das kritisieren die Gegner der Akademikersteuer, die in der Sonderlast eine versteckte Erhöhung der Einkommenssteuer sehen. Die Gewerkschaft der Hochschullehrer UCU prophezeite bereits, dass eine Sondersteuer das Gegenteil dessen bewirke, was der Politiker Cable anstrebe. Geringverdiener wie Lehrer oder Sozialabeiter würden in Folge der Steuer im Laufe ihres Lebens mehr als 36.000 Pfund, umgerechnet 43.215 Euro Abgaben zahlen - weit mehr, als ihr Studium je gekostet hat.

Dass die Steuer mehr Geld bringen soll als die derzeitigen Studiengebühren, ist durchaus ein Ziel des Forschungsministers. Die britischen Universitäten seien nach dem jetzigen Modell nicht mehr finanzierbar. Dass die Studenten selbst die Kosten für ihre Ausbildung übernehmen, hält er nur für gerecht, schließlich verdienten sie im Laufe ihres Lebens durchschnittlich 160.000 Pfund mehr als Arbeitnehmer ohne Universitätsabschluss.

Sollte die Akademikersteuer nicht kommen, steht laut Minister Cable eine enorme Erhöhung der Studiengebühren an. Anstatt derzeit 3225 Pfund müssten Studenten dann bis zu 7000 Pfund jährlich zahlen, um das Studiensystem finanzieren zu können. Auch diese Diskussion dürfte im britischen Parlament für Furore sorgen - und nicht gerade zur Beliebtheit der konservativ-liberaldemokratischen Koalition beitragen.

Gleiches Studium, anderer Preis

Mit der letzten Erhöhung der Studiengebühren setzte Labour-Premier Tony Blair seine politische Zukunft aufs Spiel. In der Sondersteuer sehen einige Politiker deshalb diesmal den geschickteren Weg zu mehr Geld.

Finanzidee: Wer seinen Abschluss in Cambridge macht, muss die Ausbildung womöglich schon bald über eine Sondersteuer finanzieren.

Wer seinen Abschluss in Cambridge macht, muss die Ausbildung womöglich schon bald über eine Sondersteuer finanzieren.

(Foto: AFP)

Großbritanniens konservativer Universitätsstaatsminister David Willets, der ursprünglich gegen die Akademikersteuer war, deutete am Wochenende seine Zustimmung zu dem Projekt an - legte sich aber nicht fest. Auch Forschungsminister Cable betonte gegenüber der BBC, dass noch keine Entscheidung getroffen sei, die Regierung aber alle Möglichkeiten auslote.

In der konservativen Wählerschaft sorgt der Vorstoß der eigenen Partei für Empörung. "Wenn diese abwegige Idee umgesetzt wird, zerreiße ich meine Parteimitgliedschaft. Würden Sie erwarten, dass jemand, der mehr verdient, mehr für eine Dose Cola zahlt? Oder für ein Auto? Nein. Also warum sollte jemand für die exakt gleiche Ausbildung mehr zahlen, nur weil er mehr verdient?", schreibt eine Leserin in der Daily Mail.

Unter den Studenten stößt der Verschlag der Sonderabgabe auf verhaltene Zustimmung. Aaron Porter, Präsident der Nationalen Studentenvereinigung National Union of Students (NUS) sagte der BBC, es sei eine faire Lösung, die Studiengebühren abzuschaffen und die Rückzahlungen vom tatsächlichen Verdienst der Absolventen abhängig zu machen.

Allerdings gibt es auch innerhalb der NUS Widerstand gegen die Pläne der Regierung. So sei es nicht gerechtfertigt, die Sondersteuer während des gesamten Arbeitslebens zu erheben, da somit die wachsende Bedeutung der Berufserfahrung im Vergleich zum Studienabschluss ignoriert werde, merkten Studenten an.

Auch die Universitätsrektoren äußern Zweifel. Sie sehen die Gefahr, dass ausländische Studenten künftig an die britischen Unis strömen um kostenlos zu studieren, dann aber wieder in ihre Heimatländer zurückkehren und keine Steuern in Großbritannien zahlen. Gleichsam fürchten sie, dass britische Akademiker nach dem Studium ins Ausland gehen, um der Steuer im Heimatland zu entkommen.

Wendy Piatt, Vorsitzende der Russel Group, einer Vereinigung von 20 Elite-Universitäten, sieht mehr Nachteile als Vorteile in der Sonderabgabe: "Das erklärt, warum kein anderes Land bisher diese Methode der Studienfinanzierung gewählt hat."

Ob es in Großbritannien dazu kommen wird, müssen die Studenten dort abwarten. Eines scheint jedoch sicher: Egal, wie das britische Studiensystem künftig finanziert wird - für die Studierenden wird es teurer.

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